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Interview „Luxus ist Emotion plus Fakten“

Omega-Chef Raynald Aeschlimann
Omega-Chef Raynald Aeschlimann
© PR
Omega-CEO Raynald Aeschlimann will seine Marke eng an die Zielgruppe binden. Ein Gespräch über Traditionspflege, Online-Verkaufsstrategien und die Tücken guter Fälschungen

Raynald Aeschlimann ist seit rund drei Jahrzehnten Jahren in der Uhrenbranche zuhause. Schon sein Großvater war Uhrmacher, Aeschlimann selbst hat Wirtschaft in St. Gallen studiert. Der Schweizer stieg in den 90er-Jahren bei der Swatch Group ein und ist seit 2013 Teil der Konzernleitung. Als Nachfolger des Omega-CEOs Stephen Urquhart führt er seit 2016 die wichtigste Marke des Schweizer Uhrenmultis. Aeschlimann ist Vorstandsmitglied des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie – und in seiner Freizeit passionierter Golfer.

Capital: Herr Aeschlimann, mit der Omega-Sonderedition „Speedy Tuesday“ ist Ihnen in den letzten Jahren ein Riesenerfolg im Bereich Social Selling gelungen – einer Verkaufsstrategie, die auf Zielgruppenbindung über die sozialen Medien beruht. Warum hat das so gut geklappt?

RAYNALD AESCHLIMANN: Kurz gesagt: Weil das richtige Produkt und der richtige Absender auf einen kongenialen Partner trafen, den Uhrenblogger Robert-Jan Broer von Fratello Watches, der hohen Respekt genießt. Offen, authentisch, auf Augenhöhe. Außerdem haben wir uns keiner bestehenden Community angebiedert, sondern mit ihr und für sie eine ganz besondere Uhr geschaffen. Und dann noch eine, und zwar beides echte „Raketen“, wenn ich das so sagen darf. So direkt an leidenschaftliche Fans unserer Marke zu verkaufen, die ja mit ihrer Passion, ihrer Kritik und ihrem Wissen maßgeblich unser Image mitprägen, das war für mein Team und mich beide Male ein unglaubliches Erlebnis. Trotz des enormen Stresses in den Tagen vorher.

Was waren einige der Herausforderungen bei diesen Pionieraktionen?

Ein rundes Angebot zu schaffen. Im Luxusbereich kann man schließlich nicht irgendwas anbieten, sonst ziehen die Kunden doch weiter mit ihrem Shoppingwunsch, Alternativen sind nur einen Klick oder Wisch entfernt. Und gerade mit einem Star wie der Speedmaster galt und gilt die Devise: Failure is not an option. Das machen wir nur, wenn wir glauben, das alles passt, wir eine gute oder noch bessere Idee haben. Gerade inmitten einer „Gemeinde“, die uns als Marke fast besser kennen als wir uns selbst. Im Verkaufsprozess selbst mussten wir zudem richtige Detektivarbeit leisten, damit niemand zig Uhren ordert und aus diesem Passionsprojekt schnöden Profit schlägt. Uns waren die Fans wichtig, wir haben also gleiche Anschriften für mehrere Bestellungen und so weiter besonders unter die Lupe genommen. Die Speedmaster Ultraman auf Ebay oder im Schwarzmarkt zu finden, das wäre mein Albtraum gewesen.

Stichwort: Fakes. Wie groß ist das Problem von Fälschungen gerade auf Online-Plattformen? Reichen Maßnahmen wie das neue „Authentifizierungsprogramm“ von Ebay?

Sie sprechen da zweifellos die dunkle Seite des Internet an. Mich schmerzt jeder Brief eines Menschen, der von irgendwelchen Schwindlern auf dubiosen Seiten reingelegt wurde. Nicht zuletzt weil wir jeglichen Service für gefälschte Omega-Uhren ablehnen müssen. Allerdings weiß jeder doch insgeheim, dass die Speedmaster für 10 Euro wohl eher nicht echt ist. Viel tückischer sind die guten Fälschungen, die schon mal über 2000 Franken kosten. Da trennt man die Spreu nicht so rasch vom Weizen. Als Hersteller arbeiten wir über die Fédération de l'Industrie Horlogère Suisse mit Zoll und Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten, informieren und schulen. So haben wir in China ganze Fabriken schließen lassen und zeigen kriminelle Websites über ihre Provider an! Und wir entwickeln immer innovativere, detailreiche Uhren, die das Nachmachen erschweren. Unser Master-Chronometer-Zertifikat mit zehntägigem Testlauf ist dafür ein gutes Beispiel. Ebenso aufwändig polierte Armbänder, verzierte Zifferblätter und die komplexen Werke selbst. Last not least arbeiten wir daran, selbst Gebrauchtuhren anzubieten, um auch hier Vertrauen zu stärken.

Wie wichtig sind Experimente im Abverkauf für die Luxusbranche, also vom Late-Night-Shopping in der Boutique über Black Friday im Webshop bis zum Einkauf über Instagram?

Ich mag den Begriff „Omni-Channel“ nicht sonderlich, weil er für sich genommen völlig leer ist. Für alle unsere Online-Aktivitäten bleibt der Besuch in einer Omega-Boutiquen die Messlatte für Service, Präsentation und Atmosphäre. Klar, bei Uhren spielt, gerade für Herren, die technische Seite eines Modells eine große Rolle, doch kein Mann kauft rein rational, da muss auch sinnlich alles stimmen. Ich sage immer: Luxus ist Emotion plus Fakten. Und ein großes Logo allein reicht in keinem Fleck der Welt – auf Dauer. Ich habe über 20 Jahre in China beobachten können, wie etliche Modefirmen dreistöckige Tempel eröffneten und wenig später den Räumungsverkauf einläuteten. Auf der anderen Seite ändern sich Kaufgewohnheiten, und zwar rapide. Eine der teuersten Omegas haben wir in den USA verkauft spät nachts – und zwar über das Internet. Dabei sind wir mit zwei Flagship Stores und Vertragshändlern vor Ort. Ein anderer Kunde aus dem Mittleren Westen der USA war dankbar, online kaufen zu können, weil der nächste Juwelier, der uns führt, angeblich 600 Meilen entfernt gewesen wäre.

R wie Rolex: Wie nur wenige CEOs gehen Sie offensiv und öffentlich in den Wettkampf mit dem Branchenprimus. 2016 trennten Sie knapp 3 Mrd. Franken, schmilzt der Abstand ?

Ich habe immer nur gesagt, dass Omega enormes Potential haben kann, noch viel Luft nach oben bleibt. Das sehe ich von China über Amerika bis beispielsweise Frankreich, gerade wegen der neuen digitalen Wege direkt zum Kunden. In etlichen Märkten haben wir die Kraft und Chance, deutlich zu wachsen und damit der Nummer 1 gefährlich zu werden, sie zu erreichen und zu übertreffen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir wie bei der Tour de France ständig auf die Fahrer vor uns blicken und unser Tun danach ausrichten. Ich will kein Gerangel an der Spitze, mir ist nur wichtig, dass wir immer die nötigen Muskeln haben, um uns allen Herausforderungen zu stellen. Wer vor uns liegt, ist irrelevant. Größer werden, noch mehr Kunden begeistern, das bleibt das Ziel. Für alle.

Die Uhrenindustrie pflegt trotz Digitalisierung ihren Handfertigungs-Mythos. Gleichzeitig kommt keine der großen Marken noch ohne Hightech aus. Ein Paradoxon, oder?

Sie haben Recht, das ist ein Spagat, aber Sie fragen die richtige Marke, denn die Söhne unseres Gründers Louis Brandt haben schon 1894 die industrielle Fertigung in der Uhrmacherei erfunden, wie sie Henry Ford für den Automobilsektor einführte. Der Standort Biel, direkt am Wasser, bedeutete Zugang zu Strom für eine großangelegte Produktion nach Plan, mit Ersatzteile-Lager für den Kundenservice und durchdachter Arbeitsteilung. Mindestens so revolutionär wie als Nicolas Hayek 1983 die Swatch erfand. Die absolute Präzision, Ganggenauigkeit, den Antimagnetismus und die Wasserdichtigkeit – all das erreicht man nur durch Maschinen. In unserer 2017 eröffneten Manufaktur ist im übrigen kein Job an einen Roboter verloren gegangen, die „human power“ in jeder Uhr ist gleich geblieben, denn nur ein Mensch gibt der Uhr eine Seele, etwa in dem er oder sie von Hand die Zeiger aufdrückt.

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