Taiwan ist vielen Menschen vor allem aufgrund seines spannungsreichen Verhältnisses zu China ein Begriff. Leider, denn dieses Land hat viel mehr zu bieten als außenpolitische Brisanz. Etwa seine hypermoderne, weltoffenen Hauptstadt Taipeh mit dem wichtigen Mengjia Longshan-Tempel und einem wahren Füllhorn kulinarischer Genüsse. Ich freue mich also auf meinen Test-Aufenthalt in einem bereits von außen sehr besonderen Haus.
Als ich das „Mandarin Oriental“ in Taipeh betrete, bin ich sprachlos. Im positiven Sinn. Der Eingang wirkt mit seiner acht Meter hohen Decke fast sakral und ist mit einer spannenden Mischung aus asiatischen sowie orientalischen Einflüssen eingerichtet und dekoriert. Seit mehr als zehn Jahren – das Hotel wirkt deutlich jünger – können sich Gäste von diesem majestätischen Entrée begeistern lassen.
Großes Spa und sechs Restaurants
Auf einer Hausführung staune ich über die exquisite Kunstauswahl: elegante Statuen, noble Bodenbeläge und originelle Deckenleuchten. Keine Frage, dieses Gebäude und das Interieur müssen ein Vermögen gekostet haben. Im Spa-Bereich, der sich auf für ein Stadthotel üppigen zwei Etagen ausbreitet, erfahre ich später, dass hier sogar Yoga-Kurse angeboten werden.
Überhaupt stimmt im „Mandarin Oriental“ Taipeh einfach alles, und das Frühstück ist eines der besten, das ich je kosten durfte. Das Büfett, eine Mischung aus asiatischen und europäischen Speisen, und die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter, die perfekt Englisch sprechen, lassen den Tag famos starten. Wem das Büfett noch Wünsche offen lässt, der kann sämtliche Speisen auch einzeln bestellen – also fast ein À-la-carte-Service.
Im „Bencotto“, dem weitläufigen italienischen Restaurant des Luxushotels, bietet der „Chef’s Table“ einen exklusiven Blick in die offene Küche. Die fantastische Weinkollektion ist international aufgestellt – von Marsau bis Amarone. Insgesamt gibt es in dem Hotel sechs verschiedene Restaurants, von denen eines beispielsweise kantonesische Küche serviert.
Taiwan und die Spannungen mit China
Ein Japaner fehlt im Line-up des „Mandarin Oriental“ bisher. Dabei ist der Einfluss der einstigen Kolonialmacht, welche die Nation etwa 50 Jahre lang besetzt hielt, andernorts in Taipeh sehr präsent. Es gibt überall Restaurants, die japanische Gerichte anbieten und viele Taiwanesen sprechen die Sprache. Es scheint mir als externer Beobachter eine Art von Freundschaft zu geben und nicht bloß ein strategisches Zusammenstehen. Taiwan steht zudem unter dem Protektorat der Vereinigten Staaten von Amerika.
Der Tourismus im eigenen Land jedoch spielt keine große Rolle, was ich sehr schade finde. Stattdessen konzentriert sich die Wirtschaft fast ausschließlich auf die Produktion von Computerchips und neue Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz.
Den Spannungen mit China, von denen man in der europäischen Presse so oft liest, begegnen die Taiwanesen in meinen Gesprächen ausnehmend entspannt. Gewöhnt an das jahrelange Säbelrasseln. Eine Invasion durch chinesische Truppen halten sie für sehr unwahrscheinlich, dafür wären die Chinesen viel zu abhängig von taiwanesischen Chips. Ebenso hätte China zu großen Respekt vor den japanischen und US-amerikanischen Truppen, die zeitweise auf der Insel stationiert sind. Und schließlich sei die Regierung in Peking gut damit beschäftigt, die zahlreichen inländischen Probleme zu lösen.
Das „Frassi“ – ein Highlight für Genießer
Abgesehen von ihrer politischen wie wirtschaftlichen Einzigartigkeit haben Taiwan und seine Hauptstadt Taipeh noch viele weitere spannende Facetten, allen voran kulinarische. Ich besuche das Restaurant „Frassi“ im Zhongshan District, das nur abends geöffnet ist. Es wird von dem in Pisa geborenen Iacopo Frassi geführt, der seit vielen Jahren in Taiwan lebt. Das Konzept: Zwölf Köche bereiten und servieren zwölf Gänge, das Menü nebst Weinbegleitung bezahlt man bereits bei der Reservierung. Letzteres ist landestypisch.
Die Küche bleibt bei meinem Besuch stets makellos sauber wie ein Operationssaal. Sobald ein Krümel entwischt, ein Spritzer Öl danebengeht, ist sofort jemand mit einem Wischtuch da. Sicher, Hygiene sollte in der Haute Cuisine selbstverständlich sein, und nicht nur dort, aber eine solch präzise Reinlichkeit habe ich selten erlebt.
Alle Abläufe im Service und das Dinner-Konzept sind minutiös geplant. So fragt mich ein Mitarbeiter bereits zum Aperitif, welche Art von Kaffee oder Tee ich am Schluss der Speisefolge bevorzugen würde. Das Essen ist durchweg vorzüglich, das Ambiente angenehm. Mein Blick fällt durch die Glastür des Kühlschranks auf das Fleisch, das darin abgehangen wird, um es später dry aged und hauchzart den Gästen zu servieren.
Ich unterhalte mich mit dem Chef des Restaurants, das er von einem Investor gepachtet hat. Sein Geschäftsmodell unterscheidet sich von dem in Deutschland: Die Miete ist mit zwölf Prozent des Investments hoch, dafür sind die Personal- und Nebenkosten deutlich niedriger. Um alle Aspekte des Geschäfts kümmert sich Iacopo Frassi übrigens selbst. Einen Koch, Kreativdirektor und Kaufmann in Personalunion gibt es nicht so oft.
Eines der besten Luxushotels weltweit
Ich genieße meinen ereignisreichen Aufenthalt in der Stadt und dem „Mandarin Oriental“ Taipeh wirklich sehr. Wenn es dennoch einen Kritikpunkt gibt, dann dass ich im „Executive Club“ auf der sechsten Etage nach meiner Zimmernummer gefragt werde. Die habe ich mir noch nicht gemerkt und sage dem Hotelmitarbeiter stattdessen meinen Namen. Der quittiert meinen Lapsus mit einem sichtlich verdutzten Blick, der vor Gästen doch besser verborgen bleiben sollte.
Von dieser Winzigkeit abgesehen gehört das Haus für mich mit Abstand zu den besten Luxushotels der Welt. Hier erfahren Sie übrigens, welche anderen Häuser der Mandarin Oriental Hotel Group es ins Ranking der 101 besten Hotels der Region Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol geschafft haben.