Als erster Koch der Hauptstadt erhielt Marco Müller Anfang 2020 für die Küche des Restaurants „Rutz“ den begehrten dritten Stern vom Guide Michelin. Im Mai letzten Jahres eröffnete der 50-Jährige in Berlin zudem das gutbürgerliche Zollhaus. Seine Karriere nach der Ausbildung führte Müller unter anderem ins Kempinski Hotel Bristol Berlin, das Hotel InterContinental und das Grand Hotel Esplanade.
Herr Müller, Sie starteten mit dem dritten Stern ins Jahr 2020, als erster Koch Berlins. Dann der Lockdown. Wie erlebt man das?
Das ist wie eine Kneippkur: vom wohligwarmen Becken direkt ins Eiswasser. Zunächst dieses überwältigende Gefühl, in seiner Profession ganz oben angekommen zu sein. Innerhalb weniger Stunden nach der Verleihung waren wir bis zum Jahresende ausgebucht. Mit langen Wartelisten. Und dann geht nur zwölf Tage später plötzlich gar nichts mehr. Wobei wir das schon seit Spätherbst 2019 geahnt hatten.
Wie haben Sie auf Ihrem Niveau improvisieren können?
Wir waren so kreativ wie möglich, um den Kontakt zu unseren Stammgästen zu halten. Vom Weinpaket bis zum Burger-Abholmarkt mit gesmokter Prime-Beef-Schulter im gedämpften Brötchen. Und wann immer wir öffnen konnten, war der Laden voll. Ab Februar liefern wir ein Vier-Gänge-Menü, für das daheim nur zwei Pfannen und ein Topf zum Erwärmen nötig sind. Nachhaltigkeit liegt uns sehr am Herzen, daher haben wir sehr auf die Wiederverwendbarkeit der Verpackungen geachtet.
Wann immer wir öffnen dürfen, ist der Laden zum Glück auch voll
Marco Müller
Welches Gericht hat Sie daheim bei Laune gehalten?
Ich habe es genossen, mit meinen drei Kindern zu kochen. Buletten beispielsweise, natürlich komplett aus eigener Herstellung. Auch einen Schokokuchen habe ich versucht zu perfektionieren, mit den türkisfarbenen Eiern der Araucana-Hühner, die ein Landwirt für uns aufzieht. Aus einer Rinderoberschale habe ich ein aromatisches Gulasch gekocht, meinen Vater eingeladen und spontan eine kleine Skatrunde initiiert, die wir weiterhin pflegen. Neu auf der Rutz-Karte landet wahrscheinlich ein gebratenes Kalbsbries mit einer Soße auf fermentiertem Gemüse und in Molke karamellisierten Zwiebeln. Ein sehr komplexes Geschmackserlebnis. Zum Niederknien.
Was hat Corona verändert?
Ich glaube, noch nie hat ganz Deutschland so viel über das Kochen, über Lebensmittel und ihre Herkunft nachgedacht wie derzeit. Das wird für die Gastronomie, die überlebt, hoffentlich positive und wertschätzende Folgen haben.
Rutz ***
Chausseestr. 8, Berlin