Kurz nach Weihnachten war ich mit meiner Familie im Zirkus. Kein spektakuläres Ding, einfach ein normaler Zirkus am Rande der Stadt: Artisten, Clowns, eine Action-Nummer mit Motorrädern in einem runden Käfig. Solche Sachen.
Zirkus ist ja leider eine sterbende Kunstform, was ich gleich aus zwei Gründen sehr schade finde. Erstens gibt es Zirkus in Deutschland bereits seit 250 Jahren (wie uns der Zirkusdirektor mitteilte). Zweitens ist ein Zirkus eine vorbildliche Organisationsform, von der sich alle Organisationen und Führungskräfte eine Scheibe abschneiden könnten. Man sollte Führungskräfte und Top-Manager nicht mehr in irgendwelche Klettergärten oder Rafting-Touren schicken, sondern in den Zirkus. Dort lernen sie, wie Zusammenarbeit und Organisation vorbildlich funktioniert:
1. Niemand ist sich für einen Job zu schade.
Zirkus funktioniert nur, weil jeder mit anpackt. Artisten, die gerade nicht dran sind, bauen mit um oder verkaufen Popcorn. So etwas wie Standesdünkel oder Primadonnen gibt es im Zirkus nicht. Jeder wird gebraucht und weiß das.
2. Jeder ist Experte auf seinem Gebiet.
Als Zirkuskünstler wirst du nur richtig gut, wenn du ständig bereit und in der Lage bist, zu trainieren, dich selbst infrage zu stellen, immer wieder über deine Grenzen zu gehen. Lebenslanges Lernen ist für Zirkuskünstler eine Selbstverständlichkeit.
3. Aufgaben werden präzise und reibungslos erledigt.
Fast genauso faszinierend wie die Nummern waren für mich die jeweiligen Umbauten. Schnell, präzise, lautlos, manchmal im Dunkeln werkeln Artisten und Helfer in der Manege, ziehen Seile, kontrollieren Aufhängungen und Sicherheit. Jeder Handgriff sitzt.
4. Jede Performance erhält unmittelbares Kunden-Feedback.
In der Regel klappen die Nummern, aber manchmal geht etwas schief. Das gehört dazu. Mitfiebern, Applaus, aufmunterndes Klatschen – das Publikum agiert unmittelbar mit den Künstlern – was diese wiederum anspornt.
5. Die Gesellschaft schenkt der Organisation nichts.
Ein Zirkus ist, wie uns der Zirkusdirektor mitteilte, ganz auf sich gestellt. Er erhält keinerlei staatliche Unterstützung. Darüber hinaus durfte der Zirkus in diesem speziellen Fall nicht einmal Werbeplakate in der Stadt aufstellen – warum auch immer. Jeder Erfolg muss von innen heraus erarbeitet werden.
Zwei Ideen für gute Vorsätze
Ich musste wirklich noch lange über unseren Zirkusbesuch nachdenken und was er mich gelehrt hat. Meine Schlussfolgerung: Deutsche Unternehmen (und Behörden!) sollten mehr Zirkus wagen. Anpacker-Mentalität, Professionalität, ständige Lernbereitschaft und die Bereitschaft, sich nicht auf Wohltätigkeiten von außen zu verlassen: Das sollten unsere Leitsterne für Wirtschaft und Gesellschaft 2024 sein.
Wenn Sie also für 2024 noch keine Vorsätze haben, hätte ich zwei Ideen für Sie. Erstens: Streben Sie eine Organisation an wie ein Zirkus. Kleben Sie sich das Bild eines Zirkus über den Schreibtisch und sagen Sie sich: Da wollen wir hin. Zweitens: Gehen Sie wieder mal in den Zirkus. Das ist nicht nur gutes Anschauungsmaterial, sondern macht Ihnen und Ihren Kindern richtig viel Freude. In diesem Sinne: Ein frohes und gesegnetes 2024!