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Coach Krisen machen schlechte Laune – „Pessimismus ist extrem ansteckend“

Coach Kara Pientka ist auf Gesundheit im Berufsleben spezialisiert
Coach Kara Pientka ist auf Gesundheit im Berufsleben spezialisiert. Ihr Buch „Selfcare Next Level – 7 Strategien für krisenfeste Führungskräfte“ ist im Campus Verlag erschienen
© Inhesa / Alexander Klebe
Viele Menschen fühlen sich den Krisen weltweit ausgeliefert. Diese Hilflosigkeit ist gefährlich, warnt Coach Kara Pientka. Man müsse selbstbewusst mehr Optimismus wagen

Capital: Frau Pientka, viele Menschen blicken hilflos auf das neue Jahr und haben das Gefühl, zum Spielball von Krisen zu werden. Was macht das mit uns?
KARA PIENTKA: Ich halte das für eine ganz gefährliche mentale Verfassung. Denn sie verhindert, dass wir erkennen, welchen Einfluss wir auf unser Leben und auf unsere Sicht von der Welt haben. Außerdem ist dieser Pessimismus extrem sozial ansteckend. 

Was meinen Sie? 
In „Lästerkreisen“ bestärkt man sich gegenseitig, im Sinne von „Findest du nicht auch, dass die Welt so schlecht ist?“ Wenn man alles durch eine solche „Stresslinse“ betrachtet, verstärkt das Opfergefühle und auch Aggressionen. Denn ich sehe nicht mehr meinen eigenen Anteil. Ich fühle mich immer stärker ausgeliefert und werde immer wütender – eine gefährliche Gemengelage. 

Wie befreit ich mich daraus und blicke trotz aller Krisen zuversichtlicher auf das neue Jahr?
Indem Sie erkennen: Ja, die Rahmenbedingungen sind anspruchsvoll. Aber letztlich kann ich selbst darüber entscheiden, wie ich auf diese Herausforderungen reagiere. Zuversicht beginnt damit, sich der „Stresslinse“ bewusst zu sein und Probleme nicht noch zu dramatisieren. Denn damit werfen wir uns selbst in die vermeintliche Hilflosigkeit zurück, die in Wirklichkeit aber eine selbstgemachte Ohnmacht ist. Stress macht uns eher passiv und hilflos – ähnlich, wie wenn man in der Achterbahn in den Sitz gedrückt wird. 

Wie gewinne ich konkret die Kontrolle zurück?
Indem ich mentale Hygiene lerne und Verantwortung für meinen mentalen Zustand übernehme: Was ist objektiv stressig und wann habe ich mich nur auf eine bestimmte Perspektive eingeschossen, bei der ich mich hilflos fühle? Eine ehrliche Bestandsaufnahme und Selbstreflexion sind hier unentbehrlich. Es gibt kein Wohlbefinden in einem für mich falschen Leben. Wichtig ist es auch, eine Vision von mir selbst zu haben; eine Art Nordstern, an dem ich mich in schwierigen Situationen orientieren kann.

Sie nennen das „Selbstveredelung“. Wie gelingt die?
Fragen Sie sich: Was für ein Mensch möchte ich sein? Wie möchte ich mich in einer bestimmten Situation verhalten? Schauen Sie sich Ihre Werte in Reinform an und formulieren Sie ein Ideal-Selbst. Ich kann zum Beispiel beschließen: Ich möchte ein aufgeschlossener und empathischer Mensch sein. Daraus folgt: Ich reagiere auf fremde Reize erst mal mit Neugier. Denn ich weiß, dass ich von jeder Situation etwas lernen kann. Das sorgt für eine ganz andere Grundhaltung. Je wirksamer wir uns im Leben empfinden, desto kraftvoller und selbstbestimmter fühlen wir uns. 

Und das macht mich zuversichtlicher, trotz aller Krisen?
Ja, denn es gibt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Zuversicht. Fragen Sie mal jemanden, der mit Grippe im Bett liegt, welches Ziel er hat. Da kommt als Antwort keine transformative Vision, sondern: „Lass mich schlafen.“ Ähnlich sieht es in unseren Führungsetagen aus. Je niedriger der Akkustand ist, desto weniger entscheidungsfreudig und innovativ sind wir. 

Ein Teufelskreis, wenn Krisen gewaltige Kraftanstrengungen und neue Ideen erfordern. 
Zum Glück ist aber auch Selbstfürsorge ansteckend. Studien zeigen: Führungskräfte, die sich besser um ihr eigenes Wohlbefinden und mentale Hygiene kümmern, wirken sich positiv auf ihr Team aus. Da gibt es einen eindeutigen Zusammenhang.

Zuversicht färbt ab?
Führungskräfte können nicht nur mit gutem Vorbild vorangehen, sondern auch aktiv dabei helfen, dass Selfcare größeres Gewicht erhält, beispielsweise durch Gesundheitstage oder indem das Thema mal in Meetings besprochen wird: Wie können wir gut aufeinander achten, uns gegenseitig inspirieren? Das darf natürlich nicht in eine Wohlfühlideologie abgleiten. Jeder darf auch mal betrübt sein. 

Trotzdem fällt vielen Führungskräften der Mentalitätswandel schwer. 
Das ist verständlich. Wir kommen eben aus einer Zeit, in der mit Selbstausbeutung Karriere gemacht wurde. Aber gerade in einer alternden Gesellschaft können wir es uns gar nicht mehr leisten, unser eigenes Wohlbefinden und unsere Selbstwirksamkeit so geringzuschätzen. Stattdessen muss das als integraler Bestandteil der Leistung im Beruf verstanden werden. 

Unser Einfluss auf die Welt hat allerdings Grenzen – spätestens, wenn Panzer durch die Straßen rollen. 
Ich habe mit einer Kundin gearbeitet, die als Jugendliche den Jugoslawienkrieg miterlebt hat. Wir haben über Selbstwirksamkeit gesprochen und ich habe es genauso gesagt wie Sie: „Ich will das nicht überstrapazieren. Es gibt Situationen, da zählt das nackte Überleben.“ Sie hat widersprochen und gesagt: „Das zählt selbst in den existenziellsten Situationen. Ich bin durch zerbombte Straßen gelaufen. Es gab Menschen, die sind in der Angst verharrt und waren nicht handlungsfähig. Und es gab Menschen, die konnten Lösungen finden.“

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