Capital: Frau Knorr, die offenen Immobilienfonds verzeichnen derzeit hohe Abflüsse, weil sie Kunden auszahlen müssen, die vor einem Jahr ihre Anteile gekündigt haben. Wie ernst ist die Lage?
SONJA KNORR: Im Grundsatz bessert sich die Lage bereits wieder. Wir sehen derzeit, dass die Rückgabe von Anteilen sinkt. Die Mittelabflüsse werden aber in diesem Jahr noch höher bleiben und vor allem im dritten Quartal noch einmal zunehmen. Das liegt daran, dass vor 12 Monaten viele Anleger ihre Anteile gekündigt haben, als der Uni Immo Wohnen ZBI in die Schlagzeilen geriet. Was mir hingegen etwas Sorgen bereitet: Ich fürchte, dass die fortlaufende negative Berichterstattung über Mittelabflüsse die Erholung der Assetklasse verzögert.
Ist die Berichterstattung aus Ihrer Sicht übertrieben?
Die jetzigen Abflüsse sind nur nachlaufende Effekte der schlechten Nachrichten vor einem Jahr. Was mich positiv stimmt: Die Liquiditätsquoten der Fonds sind im Durchschnitt kaum geringer als vor einem Jahr. Der Großteil der Fonds hat also genügend flüssige Mittel, um die Rückgaben von Anteilen zu bedienen und Anleger auszuzahlen. Einige Fonds haben dafür zuletzt Objekte verkauft. Aber der Zeitpunkt war natürlich nicht ideal, weil der Immobilienmarkt in einer Schwächephase steckte und zum Teil illiquide war.
Anleger, die ihre Anteile zurückgegeben haben, trugen also dazu bei, dass die Fonds zu schlechten Preisen Immobilien verkaufen mussten?
Anleger, die nicht langfristig orientiert waren, haben im Grunde zu den jetzigen Problemen geführt, das kann man so sagen. Einigen Anlegern wurden offene Immobilienfonds von den Banken gezielt als Termingeldersatz oder Tagesgeldersatz verkauft. Das wird dem Produkt Immobilienfonds natürlich nicht gerecht, denn diese Fonds sind naturgemäß langfristig orientiert.
Woraus schließen Sie, dass viele Anleger die Fonds als Tagesgeldersatz nutzen?
Das erkennt man daran, wann Anteile gekauft werden, und wann Anteilskündigungen bei der Branche einlaufen: In der Niedrigzinsphase wurden sehr viele Immobilienfondsanteile gekauft. Da waren sie aufgrund ihrer damals vergleichsweise hohen Renditen und Ausschüttungen interessant. Mit den starken Zinsanhebungen der Zentralbanken ist dann plötzlich ein großer Batzen an Immobilienfondsanteilen zurückgegeben worden. Interessant ist auch, wer seine Anteile wieder kündigte. Denn die 12-monatige Kündigungsfrist gilt nur für Neuanleger ab 2013. Altanleger könnten im Grunde täglich verkaufen – aber gerade die hielten zuletzt an den Anteilen fest.
Hat die Einführung der Kündigungsfrist also nicht geholfen? Sie resultierte aus den Erfahrungen der Finanzkrise, in der etliche offene Immobilienfonds die Menge der Abflüsse nicht bewältigten.
Die tägliche Verfügbarkeit und Handelbarkeit, die es zuvor gab, hat gar nicht funktioniert. Aber wir sehen jetzt, dass ein Jahr Rücknahmefrist im Grunde nicht ausreicht, wenn Fonds Objekte veräußern müssen. Ein Fonds, der eine Immobilie kauft, um sie zu sanieren und sie langfristig gewinnbringend zu bewirtschaften, muss genügend Zeit haben, solche Pläne auch umzusetzen. Wenn Anleger dann viel Geld abziehen, sind solche Projekte nicht mehr möglich. Dazu kommt, dass der Fonds die Kaufnebenkosten linear über zehn Jahre abschreibt. Muss er vorzeitig Immobilien in größerem Umfang veräußern, erzielt er tendenziell schlechtere Preise und muss sämtliche Kaufnebenkosten auf einen Schlag abschreiben. Das produziert natürlich höhere Abschläge im Anteilswert, die dann zu Verlusten für Anleger führen können.
Gilt bei Immobilienfonds also Festhalten und Marktkrisen aussitzen?
Ein Immobilienfonds ist kein Produkt, das zur schnellen Renditeoptimierung im Depot beiträgt. Sondern es ist eher zur dauerhaften Diversifizierung gedacht. Eine Eigentumswohnung, die Sie gekauft haben, würden Sie ja auch nicht verkaufen, sobald die Immobilienpreise kurz einknicken. Die behalten Sie und freuen sich stattdessen an den Cashflows, also an der Miete, die sie dadurch sparen oder bekommen. Und die Cashflows sind ja bei den Immobilienfonds vorhanden: Sie erzielen gute Mieterträge, die sogar oft inflationsindexiert sind, also mit der Inflation steigen. Sie erzielen außerdem Zinserträge durch die liquiden Mittel. Und zusätzlich noch Transaktionsgewinne, wenn sie Immobilien mit Gewinn verkaufen.
Die Performance der Fonds ist im Marktschnitt nicht berauschend. Was also bringt den Anlegern die Erträge?
Die Ausschüttungen. Die Renditen dagegen waren im vergangenen Kalenderjahr sehr unterschiedlich, aber im Durchschnitt negativ mit minus 1,3 Prozent. Die Spannweite reichte dabei von plus 3,8 Prozent bis minus 20,1 Prozent. Hauptgrund für die negative Durchschnittsrendite sind Wertkorrekturen in den Immobilienportfolios einiger Fonds. Die Cashflows aber werden anteilig ausgeschüttet, und es gibt durchaus Fonds, die ihre Ausschüttungen zuletzt steigerten. Bei den Branchen-Schwergewichten liegt die Ausschüttungsrendite noch immer bei rund 2 Prozent.