Für viele Investoren war es ein Schock, als das Fondshaus Union Investment seinen offenen Immobilienfonds „Uniimmo: Wohnen ZBI“ im Juni um 16,7 Prozent abwerte. Jetzt könnte die Wertkorrektur juristische Folgen nach sich ziehen. Die Anleger- und Verbraucherkanzlei Goldenstein Rechtsanwälte hat wegen möglicher Falschberatung eine Klage gegen die Volksbank Böblingen eingereicht, wie sie am Mittwoch mitteilte. Bankberater sollen den Immobilienfonds auch nach der Zinswende und trotz zunehmendem Druck im Immobilienmarkt als sicheres Investment an risikoscheue Anleger vertrieben haben.
Der offene Immobilienfonds der Union Investment ist fast ausschließlich in Wohnimmobilien investiert. Viele der Objekte nahmen die Fondsmanager allerdings zwischen 2018 und 2022 ins Portfolio auf, als die Immobilienpreise bereits massiv gestiegen waren. Die Zinswende erwischte sie kalt. Hinzu kommt, dass die Leerstandsquote mit sieben Prozent vergleichsweise hoch ist, viele Immobilien sind in eher unbeliebten Lagen und dazu noch alt.
Das machte Ende Juni eine Neubewertung des gesamten Immobilienbestandes des Fonds notwendig: Unabhängige Sachverständige schätzten den Wert um rund 860 Mio. Euro geringer ein als zuvor. Bis zur Korrektur umfasste das Fondsvolumen knapp 5 Mrd. Euro, nun liegt es unter der 4-Mrd.-Euro-Marke. „Die Sonderbewertung war eine notwendige Maßnahme, um den aktuellen Marktbedingungen gerecht zu werden und im Sinne unserer Anleger Liquidität bereit zu stellen, um die vorliegenden Rückgabewünsche weiterhin erfüllen zu können“, sagte Union Investment auf Anfrage von Capital. Das begründe keinen Anspruch auf Schadensersatz, so das genossenschaftliche Fondshaus in seiner Antwort weiter.
Kanzlei rechnet mit Klagewelle
Sicherheitsorientierten Anlegern hätte der Fonds nach Meinung der Kanzlei Goldenstein nie verkauft werden dürfen. Deshalb werde man sich „dafür einsetzen, dass betroffene Investoren ihr Geld zurückbekommen“. Insbesondere Anlegern, die ab 2022 investiert haben, rechnet die Kanzlei gute Erfolgsaussichten aus. Rechtsanwalt Claus Goldenstein rechnet damit, dass in den nächsten Monaten eine Klagewelle auf die Union Investment und dessen Vertriebspartner, die Volks- und Raiffeisenbanken, zurollen dürfte. Allein bei seiner Kanzlei sollen sich bereits mehr als 400 betroffene Anleger gemeldet haben. Die Höhe ihrer Investments: durchschnittlich 25.000 Euro.
Eine erste Klage hat die Kanzlei Goldenstein nun am Landgericht Tübingen für eine Frau aus Baden-Württemberg eingereicht. Sie habe im Februar 2023 einen vierstelligen Eurobetrag über die Volksbank Böblingen in den ZBI Immo Wohnen-Fonds investiert. Obwohl die Anlegerin mit ihrem Investment kein Risiko habe eingehen wollen, sei ihr der offene Immobilienfonds von Union Investment empfohlen worden. Ein Beratungsprotokoll habe sie nicht erhalten. „Unsere Mandantin hätte niemals in den Fonds investiert, wenn sie zum Investitionszeitpunkt über das tatsächliche Risiko informiert worden wäre“, so Goldenstein. Mit ihrer Klage strebt die Frau nun an, dass der Vertrag rückabgewickelt wird.
Auch andere Kanzleien werben um Anleger, die in den „Uniimmo: Wohnen ZBI“ investiert haben und nun juristisch gegen den Fondsanbieter vorgehen wollen. Denn Banken sind verpflichtet, eine ordnungsgemäße Anlageberatung zu leisten. Wurden dabei Risiken verschwiegen oder verharmlost, können Anleger Schadenersatzansprüche geltend machen. Gleiches gilt, wenn die Prospektangaben fehlerhaft oder unvollständig waren.
Volksbank von Vorwürfen überrascht
Die Volksbank Böblingen antwortete auf eine Capital-Anfrage, sie habe selbst erst aus den Medien von den Vorwürfen der Kanzlei Goldenstein erfahren. „Aktuell liegt uns weder die Klage vor noch kennen wir die Identität der Klägerin“, so Matthias Haug, Pressesprecher der Vereinigte Volksbanken eG. „Deshalb können wir uns derzeit zu diesen Vorwürfen auch nicht äußern.“
In ihrer Stellungnahme betont die Volksbank Böblingen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die umfangreichen gesetzliche Vorgaben und Richtlinien bei Wertpapiergeschäften „natürlich befolgen“. Man dokumentiere die Kundengespräche in Form eines Beratungsprotokolls, welches den Kunden anschließend ausgehändigt werde. Bei einer erstmaligen Beratung erstelle die Bank außerdem ein Risikoprofil für den jeweiligen Kunden oder die Kundin, das „persönlichen Ziele in der Vermögensverwaltung als auch das Wissen und die Erfahrung im Umgang mit Wertpapieren" berücksichtige. Das Profil bilde die Basis für die Auswahl möglicher Anlagen, die den Kundinnen und Kunden in der Beratung vorgestellt würden.
Die Risikobewertung der Wertpapiere sei dagegen nicht Aufgabe der Banken, sondern werde von unabhängigen Rating-Agenturen vorgenommen. Die jeweilige Einstufung stelle für die Kundenberatung einer Bank eine verbindliche Vorgabe dar, „über die wir uns nicht hinwegsetzen wollen und dürfen“.
Union Investment: Dokumente richtig und vollständig
Die Fondsgesellschaft Union Investment sagte auf Anfrage von Capital, dass es von den Umständen des Einzelfalls abhinge, ob ein etwaiger Anspruch auf Schadensersatz gegen eine Bank wegen eventueller Falschberatung bestehe. Sollte der „höchst individuelle Beratungsprozess“ anhand der für den Vertrieb des Fonds erforderlichen Unterlagen ordnungsgemäß durchgeführt und dokumentiert worden sein, sei ein solcher Anspruch ausgeschlossen. Die von der Fondsgesellschaft erstellten und den Vermittlern überlassenen Legaldokumente des Fonds seien inhaltlich richtig, teilte Union Investment weiter mit. Sie stünden „im Einklang mit dem geltenden Recht und weisen keinerlei Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten auf“. Auch betonte das Fondshaus, dass die bisherige Risikoeinstufung des Fonds im Einklang mit den einschlägigen rechtlichen Vorschriften stünde und daher keinen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber Union Investment beziehungsweise der ZBI Fondsmanagement GmbH begründe.
Man könne aber „nachvollziehen, dass die Anleger des UniImmo: Wohnen ZBI mit der aktuellen Wertentwicklung unzufrieden sind“. Schon im August hatte Union Investment-Chef Hans Joachim Reinke um Entschuldigung für die Abwertung des ZBI-Fonds gebeten und den Anlegern bessere Zahlen in Aussicht gestellt: Ab 2026 könnten die Verluste wieder aufgeholt sein, erste Verkäufe seien über Marktwert erfolgt.