Anzeige
Anzeige

Interview Rogoff sieht sich als Opfer einer Hexenjagd

Mit scharfen Worten wehrt sich Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff im Capital-Interview gegen die Attacken auf seine Schuldenregel. In Europa rät er zu einem schnellen Schuldenschnitt.
Figure
Ökonom Rogoff spricht von einer Hexenjagd gegen sich
© Getty Images

Ein halbes Jahr nach der Debatte um seine Schuldenregel hat Kenneth Rogoff seine Kritiker scharf angegriffen und die umstrittenen Thesen seiner Arbeit verteidigt. „Das war keine Debatte. Das war eine haltlose persönliche Attacke, von Leuten mit einer starken politischen Agenda“ sagte der Harvard-Ökonom im Capital-Interview.

Rogoff sprach von einer „Hexenjagd“ und einem orchestrierten Angriff von linken Bloggern und Lobbyisten „wie in den 50ern unter McCarthy“, der seine gesamte Arbeit diskreditieren sollte. „Es gab keinen Kampf. Das war ein Massaker.“

Kenneth Rogoff hat mit seiner Kollegin Carmen Reinhart in mehreren Studien den Zusammenhang von Wachstum und Schulden untersucht und 2010 die These aufgestellt, dass bei einem Schuldenstand oberhalb von 90 Prozent das Wachstum abnimmt. Die Zahl war weltweit bekannt geworden – und hatte auch die Sparpolitik in Europa geprägt. Vor einem halben Jahr hatten dann drei Ökonomen einen Rechenfehler in Rogoffs und Reinharts Arbeit gefunden und die 90-Prozent-Schwelle für falsch erklärt.

Rogoff räumt den Rechenfehler zwar ein, verteidigt aber das Ergebnis. Der Fehler „war peinlich“, so der ehemalige Chefökonom des IWF, „aber er hatte keine große quantitative Bedeutung. Er sei „aufgeblasen und bewusst falsch interpretiert und polemisiert“ worden. „Der wichtigste Punkt ist, nach der ganzen polemischen Hitze, dass mein Kernergebnis steht: Sehr hohe Schulden sind verbunden mit niedrigerem Wachstum.“

Deutschland wird Geld nicht vollständig zurückbekommen

Rogoff, der sich in der November-Ausgabe von Capital erstmals ausführlich zu dem Streit im April äußert, warnt davor, nun Defizite zu verharmlosen, wie es etwa der Nobelpreisträger Paul Krugman nach der 90-Prozent-Debatte getan hat. „Wenn irgendjemand denkt, dass Rekordschulden in Ordnung sind, dann liegt er falsch. Die Geschichte lehrt das Gegenteil“, so Rogoff.

Mit Blick auf die Schuldenkrise in Europa rät Rogoff zu einer schnellen Umschuldung. Er glaube nicht, dass Südeuropa ohne einen massiven Schuldenschnitt und eine Restrukturierung aus der Krise wachsen könne. „Ich muss den Deutschen leider sagen: Ihr werdet euer Geld nicht zurückbekommen, nicht alles“, sagte Rogoff. „Je früher ihr einen großzügigen Deal macht, desto besser ist es.“

Rogoff bezog sich nicht nur auf Griechenland, sondern ausdrücklich die „ganze Peripherie“ – also auch Länder wie Portugal, Spanien und Irland. „Ich fürchte, es wird eine soziale Explosion geben, bevor diese Länder aus der Schuldenkrise wachsen.“ Neben einer Umschuldung prophezeit der Ökonom erneute Kapitalverkehrskontrollen wie bei der Rettung Zyperns, etwa um Portugal oder Irland zu schützen. Außerdem empfahl er, in Europa eine höhere Inflation – drei bis vier Prozent – zuzulassen.

Rogoff, der mit dem Buch „Dieses Mal ist alles anders“ weltweit Ruhm erlangte, arbeitet derzeit mit Carmen Reinhart an einer Fortsetzung – in der es um Themen wie Wechselkurse, Inflation und finanzielle Repression geht.

Mehr zum Streit über die Schuldenregel: Der 90-Prozent-Krieg

Das vollständige Interview lesen Sie in der neuen Capital, die am 24. Oktober erscheint. Hier finden Sie eine Vorschau auf die neue Ausgabe.

Weitere Beiträge zum Thema Ökonomen: Krugman fehlt es an Anstand und Die Kunst des Reichwerdens

Neueste Artikel