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Kolumne Manager im Krisenmodus: Doppelagenten, enttarnt euch!

Lars Vollmer
Lars Vollmer
© André Bakker
Wenn eine Krise näherrückt, mutieren Manager zu Doppelagenten: Sie sollen einen neuen Führungsstil zelebrieren, aber auch die Kosten drücken. Lars Vollmer erklärt, warum die Stilnote nur funktioniert, wenn sie zur Wertschöpfung beiträgt

Was für ein Glück für alle Führungskräfte, dass wir gerade auf eine Krise zusteuern. Nein, ich meine das nicht ironisch, sondern ganz im Ernst. Es kommt eine großartige Chance auf Sie zu, meine Damen und meine Herren!

Dabei ist es fast unerheblich, ob diese Krise tatsächlich kommt oder ob nur alle glauben, dass sie kommt. Das läuft im Grunde auf das Gleiche hinaus, denn die Unternehmen sehen Schwierigkeiten vorher und reagieren – vorhersehbar.

Doch bevor ich auf dieses immer gleiche, letztlich recht öde Reaktionsmuster komme, will ich mit Ihnen zunächst die geradezu absurde Situation beleuchten, in der die meisten Führungskräfte seit einigen Jahren stecken …

MI6 oder KGB?

Die Gebetsmühlen für Manager verbreiten spätestens seit den 2010ern die Botschaft: „So wie ihr führt, ist das nicht gut. Führung geht heute anders: Ihr müsst euren Mitarbeitern als Coach dienen, partizipativ arbeiten, Verantwortung loslassen etc.“ Diesen Anspruch verbreitet die Unternehmensführung, predigt die Personalabteilung. Vielleicht fordert sogar keck der ein oder andere Mitarbeiter einen neuen Führungsstil ein.

Gleichzeitig erwarten die Chefchefs aber immer noch, dass die Führungskräfte das Geschäft im Griff haben, dass sie die Planzahlen erreichen und dass nicht jeder Mitarbeiter einfach macht, was er will. Denn so geht das nun auch nicht!

Wenn Sie in einer solchen Situation stecken, dann müssen Sie einen ganz schönen Spagat hinlegen: Sie haben zwei völlig unterschiedliche Bedürfnisse zugleich zu befriedigen. Sie sind gezwungen, zum Doppelagenten zu mutieren und beide Supermächte auf einmal zu bedienen. Das ist auf die Dauer unglaublich belastend, denn die jeweils eine Seite darf ja nie merken, was Sie auf der anderen Seite tun.

Dementsprechend jonglieren Sie Ihre Informationen sorgsam mal hinten herum, mal vorne herum. Und am besten verbreiten Sie auch noch kräftig Nebel um sich, falls doch mal ein Ball herunterfällt. Denn wie sollen Sie sonst den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden? Während der Agilitäts-Polizist im Unternehmen Ihnen mitteilt, dass Sie bedauerlicherweise immer wieder in alte Führungsmuster zurückfallen und dass Sie die doch dringend überwinden müssen, schüttelt Ihr Vorgesetzter unzufrieden den Kopf: „Sie eiern zu viel herum! Wann lernen Sie endlich durchzugreifen?“ Also spielen Sie Ihr gefährliches Spiel immer weiter, denn wehe, Sie fliegen auf.

Doch damit ist jetzt bald Schluss!

Gähn! Wenn die Krise nur nah genug heranrückt, verfallen viele Unternehmen in ein gähnend langweiliges Muster. Das Motto lautet mal wieder: Kosten runter, Umsatz halten und zwar flott! Und die offiziellen Tore öffnen sich sperrangelweit für das klassische Command-and-Control, während sich die Verfechter der neuen Linie still und heimlich verkrümeln.

Vor allem etablierte Unternehmen haben dieses Vor-ins-Neue-und-Zurück-zum-Alten bereits tief in ihrer Kultur verankert: Dieses Verhalten haben sie schon durch mehrere Krisen hindurch zelebriert, zuletzt erst mit „ Lean Management “. Viele Führungskräfte vollführen diese Rolle rückwärts Richtung Beton-Taylorismus deshalb schon prophylaktisch, wenn die ersten Wölkchen am Konjunkturhimmel erscheinen. Sie wollen auf jeden Fall vermeiden, mit diesen neumodischen Spinnern in Zusammenhang gebracht zu werden. Denn genau als solche Schönwettermanager werden sie dann markiert, wenn es bergab geht und sie die Zügel nicht ausreichend straff ziehen.

Und ganz ehrlich: Für manch eine Führungskraft wirkt es tatsächlich unglaublich entlastend, wenn sie jetzt endlich wieder ganz offen durchgreifen „darf“. Denn so oder so ist es in dieser Situation an der Zeit, die Doppelagentenrolle abzulegen …

Showdown für Manager

An diesem Punkt werden Sie als Führungskraft endlich Farbe bekennen dürfen: Gehen Sie mit den Erneuerern oder setzen Sie auf das alte Pferd? Auf welche Seite schlagen Sie sich? Was finden Sie richtig?

Ich kann Ihnen natürlich nicht sagen, was Sie richtig finden sollen. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Schielen Sie nicht darauf, was andere richtig finden. Ob und wie Ihr Unternehmen oder Ihr Arbeitsplatz heil durch die schwierige Zeit kommt, weiß nämlich keiner mit Sicherheit. Gefährlich wird es eh, wenn die Krise richtig zuschlägt, und Sie haben nie alle Faktoren in der Hand. Ist nämlich der Gegner zu stark, werden Sie eh verlieren: Wenn der Dorfverein meiner Jugend, der SSV Elze, gegen Bayern München antritt, ist das mit dem Siegen auch ziemlich aussichtslos.

Ich habe für mich gelernt, dass ich am Ende immer viel mehr davon habe, wenn ich meine eigenen Ideen in die Realität überführe, als wenn ich die von anderen aufgreife. Das ist mir nämlich schon passiert, dass ich mich aus „Vernunftgründen“ auf eine Seite geschlagen habe, die nicht meine war.

Der Preis

In der Krisenzeit 2008/2009 hatte ich unter anderem eine Berater-Company. Um ja niemanden entlassen zu müssen, beschlossen wir – trotz Bauchgrummelns –, uns für die Ausbildung von Mitarbeitern in Kurzarbeit zertifizieren zu lassen. Die wurde damals stark vom Bund gefördert und wir hatten auch rasend schnell viele Aufträge. Klar, das rettete uns wirtschaftlich. Doch wir haben einen verdammt hohen Preis dafür gezahlt: Ich weiß nicht, ob Sie schon mal Schulungen für Menschen durchgeführt haben, die nur bei Ihnen aufschlagen, weil sie es müssen. Das laugt jeden Trainer aus, erst recht wenn er sich nicht als Trainer versteht.

Während der Krise standen alle Kollegen zusammen, aber sobald die schwere Zeit vorbei war, haben uns viele verlassen, mit denen ich sehr gerne weitergearbeitet hätte.

Zurück in die Gegenwart: Noch ist die Krise nicht da und Sie haben noch Zeit mit Ihrem Agenten-Outing. Für was Sie allerdings diese Zeit nutzen sollten, ist die Weichenstellung in Ihrem Unternehmen …

Stil oder Substanz?

Ich habe nämlich den Eindruck, dass die reflexhafte Rolle rückwärts besonders häufig bei ganz bestimmten Unternehmen zu beobachten ist: Das sind die, sich unter den vielen neuen Ansätze diejenigen herausgepickt haben, die auf die Stilnote zielen. Bei denen soll vornehmlich die Führung besser aussehen, netter sein, „artgerechter“, wie es manche sogar zynisch formulieren. Dann wird der Rest sich schon ergeben. In den Firmen, die sich an ihre Struktur herangetraut haben, die sich also gefragt haben: „Wie müssen wir das System bauen, damit Führung zu erfolgreicher Wertschöpfung beitragen kann?“, sind die Chancen wesentlich größer, dass im Ernstfall nicht gleich alles an Methoden über Bord geworfen wird, was jünger als hundert Jahre ist.

Schauen Sie deshalb genau hin, was Ihnen die Ansätze bringen, die Sie heute noch bei sich einführen können: Welche davon setzen wirklich auf Wertschöpfung? Und welche eher auf die Stilistik? Wenn Ihnen etwas an den neuen Ansätzen liegt, dann konzentrieren Sie sich auf die mit Substanz, nicht auf die mit moralischen Ansprüchen. Denn insbesondere in der Krise wird der alte Brecht‘sche Grundsatz hervorgekramt: „Brot kommt vor der Moral.“ Also freuen Sie sich auf die Krisenzeit, in der Sie von Ihrer Doppelagentenrolle Abschied nehmen und endlich zurück an die Arbeit gehen dürfen.

Lars Vollmer ist Unternehmer, Vortragsredner und Bestsellerautor. In seinem neuen Buch „Gebt eure Stimme nicht ab! – Warum unser Land unregierbar geworden ist“ bietet er einen neuen konstruktiven Blick auf die Krise von Politik und Gesellschaft. Mehr Infos unter larsvollmer.com

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