Hach ja, die Landtagswahl in Bayern – nach dem Wahlsonntag wohl immer noch genauso in aller Munde wie schon vorher. Und was hat sich getan? „Der Ausgang dieser Wahl wird das Bundesland von Grund auf verändern!“, sagen die einen. „Bleibt doch alles beim Alten“, sagen die anderen
Nun, theoretisch mag sich die politische Landschaft durch eine mögliche Koalition von CSU und Freien Wählern ja verändern. Aber praktisch? Praktisch machen die FW doch die gleiche Politik wie die CSU – nur halt ohne Dackelwelpen auf dem Arm.
Wenn Sie jetzt befürchten, dass ich an dieser Stelle einen politischen Kommentar zur Zukunft des Freistaats abgebe, kann ich Sie beruhigen. Für mich ist die Bayern-Wahl vielmehr unter einem anderen Gesichtspunkt interessant: Denn in der Landeshauptstadt geht’s damit doch nach der Wahl genauso theaterhaft zu wie in den meisten Unternehmen: Hauptsache, es wird Aktivität vorgetäuscht …
Lustiges Stühlerücken
Wenn ein Vorstandsvorsitzender nämlich neu ins Amt gewählt wird oder nach der Wiederwahl eine weitere Amtszeit antritt, startet er erst mal eine große Umstrukturierungsmaßnahme. Dazu gibt es dann natürlich auch die interne wie externe Stellungnahme. Obwohl de facto nur Kästchen von rechts nach links verschoben werden. Irgendein Geschäftsbereich geht in den Verantwortungsbereich einer anderen Person, womöglich kommt noch eine Matrixdimension hinzu oder es fällt eben eine weg. Aber im Grunde bleibt alles beim Alten – die ganze Grundidee bleibt die gleiche.
Es ändert sich nur kosmetisch etwas. Aber vor allen Dingen – und das ist das ausgewiesene Muster in der deutschen Unternehmenslandschaft – der Chef zeigt Aktivität. Das ist nun mal das Wesen eines Unternehmens: dass es aktiv Probleme löst. Grundsätzlich natürlich schon …
Griffel weg!
Aber ganz im Ernst: Manchmal kämen Unternehmen doch gerade dann weiter, wenn sie diesen blinden Aktivismus, diese Veränderungswut mal sein lassen würden. Denn Nicht- oder Weniger-Handeln kann in komplexen Systemen ein genauso probates Mittel wie Handeln sein.
Nun sehe ich sie aber schon die Fäuste in die Luft strecken und die Stimmen erhöhen, diese unsere Gesellschaft, in der Nichtstun ein Zeichen von Schwäche ist. Ob der Vorstandsvorsitzende nun neu- oder wiedergewählt wird, ob ein neuer Abteilungs- oder Gruppenleiter eingesetzt ist – keiner von denen kann sich doch schließlich hinstellen und nichts tun.
Der Neue muss zeigen, was er kann. Er muss beweisen, dass er ein Guter ist, dass er zu Recht an diese Stelle gerückt ist. Dass er Veränderung bringt. Wo kämen wir denn sonst auch hin? Und wenn’s schief läuft, hat er’s wenigstens versucht …
Erstmal abwarten
Lustigerweise beobachte ich diesen Aufschrei auch immer wieder bei unserer Kanzlerin. Sie mögen politisch über sie denken, wie Sie wollen, aber das Muster ist schon bemerkenswert: Angela Merkel bekommt jedes Mal eins auf den Deckel, wenn sie nichts tut – und eben weil sie nichts tut. Wenn sie zum Beispiel nach einer überraschenden Entwicklung oder einem unerwarteten Ereignis zunächst mal überlegt und sondiert, was die tatsächlichen Fakten sind. Sie schlägt nicht einfach blindlings einen unüberlegten Weg ein, sondern tritt einen Schritt zurück und denkt nach. Das jedenfalls unterstelle ich ihr einfach mal. Und doch wird ihr dieses Vorgehen ein ums andere Mal als Handlungsschwäche ausgelegt.
Aber zurück zum Unternehmen. Vor Jahren einmal las ich eine Analyse, die sich mit den vom Forbes-Magazin ausgezeichneten „Best CEO of the year“ der vergangenen Dekaden beschäftigte. Und siehe da – 80 Prozent der 40 untersuchten Manager waren Typen, die unfassbar aktiv waren. Die haben in ihren Unternehmen ganz viel umgebaut, umstrukturiert, Produktlinien aufgebaut, welche eingestampft – kurzum: Diese Typen haben ganz viel … hmmm, erreicht?
Laut ist nicht immer besser
Also ich würde ja eher sagen: ganz viel rumgefuchtelt. Denn tatsächlich waren die 80 Prozent dieser tollen Typen eben Manager in extrem kriselnden Firmen. Aber dadurch, dass sie laut gepoltert haben, landeten sie ständig in der Presse und standen im Fokus der Aufmerksamkeit. Ich würde den lauten, polternden Managern nicht einmal böswillig unterstellen, dass sie bewusst in die Presse wollten, doch die Wirtschaftspresse hat sie natürlich wahrgenommen.
Diese Tatsache ist für mich ein klares Zeichen dafür, dass hektische Bewegungen und purer Aktionismus noch lange nichts mit Erfolg zu tun haben. Im Gegenteil: Diejenigen Manager, die über Jahrzehnte hinweg grandios wirtschaften, fallen meist nicht auf und sind in der Öffentlichkeit weniger sichtbar. Läuft halt bei denen. Wieso sollten sie also große Wellen schlagen?
Haltet Welpen in die Kamera!
So kann Stillhalten, ein gewisses „ruhig Blut“ den Unternehmen durchaus guttun. Ebenso wie der Politik.
Für mich steht vollkommen offen, ob das Land Bayern besser bedient wäre, wenn sich politisch grundsätzlich nichts oder richtig viel ändert. Ich würde mich auf keine Seite schlagen wollen. Natürlich wünschen sich immer einige, dass sich was tut. Angeblich war das ja im Vorfeld so, obwohl jetzt doch wieder 37 Prozent der Wähler – und damit die klare Mehrheit – die CSU gewählt haben.
Klar ist allerdings, dass diejenigen, die behaupten, dass sich grundsätzlich etwas ändern müsse, genauso wenig Belege in der Hand haben dafür, dass es mit der Veränderung besser würde, wie diejenigen, die sagen, es solle alles bleiben wie es ist. Puh …
Einer Führungskraft könnte ich heute nicht den Ratschlag geben, mal mehr „ruhig Blut“ walten zu lassen – einfach weil sie dann in der öffentlichen und innerbetrieblichen Wahrnehmung schnell als nicht geeignet und schwach markiert würde. Insofern könnte es sogar sinnvoll sein, bewussten Pseudo-Aktivismus an den Tag zu legen. Vielleicht sollten es auch in der Wirtschaft mal mehr Menschen damit versuchen, Welpen in die Kamera zu halten wie Markus Söder es tat. Dann darf’s in ihrer Organisation auch weiter gut laufen, ohne dass sie ernsthaft und grundlos aktiv werden müssen.