Die Legalisierung von Cannabis ist umstritten – und sorgt selbst in Unternehmen für juristische Fragen. Ist nun etwa der Joint in der Raucherecke erlaubt? „Klare Antwort: Nein“, sagt Bernhard Kinold, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Berauscht bei der Arbeit zu erscheinen, sei inakzeptabel. Daran ändere die Legalisierung nichts. „Ich schulde als Arbeitnehmer meine von Rauschmitteln ungetrübte Arbeitsleistung“, betont der Jurist.
Wer denkt, dass Cannabis mit der Legalisierung Alkohol oder gar Zigaretten gleichgestellt ist, der irrt also. Dass ein Betrieb den Joint in der Mittagspause erlaubt, ist laut Kinold zwar theoretisch möglich. Voraussetzung sei jedoch, dass der Beschäftigte nicht sich selbst oder andere gefährdet.
Wenn sich Kollegen durch das Kiffen belästigt fühlen, können sie sich allerdings wehren, so der Anwalt. Der Arbeitgeber habe die Pflicht, die übrige Belegschaft vor den negativen Folgen eines jeglichen Konsums zu schützen und müsse deshalb gegebenenfalls eingreifen.
Kiffen bei der Arbeit: Das sind die Regeln
Ignoriere ein Arbeitgeber das Problem, könnte er sogar seinerseits von betroffenen Mitarbeitern abgemahnt werden, warnt der Experte: „Kein häufiger Vorgang, aber rechtlich ist die Abmahnung keine Einbahnstraße.“ Kinold bringt es so auf den Punkt: „Rauschzustände jeglicher Art muss ich als Arbeitgeber am Arbeitsplatz nicht dulden. Bei Eigen- oder Fremdgefährdung darf ich sie nicht dulden.“
Erlaubter THC-Wert im Straßenverkehr
Zwar gilt selbst im Straßenverkehr kein absolutes Cannabisverbot. Erlaubt ist ein THC-Grenzwert, der rund 0,2 Promille Alkohol entspricht. Bei der Arbeit kann es anders aussehen. Arbeitgeber dürfen laut Kinold den Konsum von Cannabisprodukten ohne Wenn und Aber verbietet, zum Beispiel im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung.
Eine Ausnahme beim Cannabisverbot sei allenfalls bei ärztlich verordnetem Konsum aus medizinischen Gründen möglich. Aber auch hier dürften Arbeitsfähigkeit und -sicherheit nicht leiden oder Kollegen in Mitleidenschaft gezogen werden, etwa durch Passivrauchen. Gibt es einen Betriebsrat, muss der laut dem Anwalt bei einem Cannabisverbot zwingend einbezogen werden.
So klar die Regeln für den Joint bei der Arbeit sind, so eindeutig sind sie auch für die Freizeit. Privater Konsum gehe den Arbeitgeber nichts an, sofern der Beschäftigte „nüchtern“ zur Arbeit erscheine, sagt Kinold. „Eine Ausnahme dürfte gelten, wenn der private Konsum in erkennbar dem Arbeitgeber zuzuordnender Dienstkleidung erfolgt und der Arbeitgeber dadurch in Misskredit geraten könnte“, schränkt er ein.
Marihuana im Homeoffice
Ein betriebliches Cannabisverbot gilt laut dem Juristen übrigens auch für das Homeoffice – egal, ob es sich um den heimischen Küchentisch handelt oder um einen offiziellen Telearbeitsplatz. Eine echte Kontrollmöglichkeit habe der Arbeitgeber allerdings kaum, räumt Kinold ein. Dasselbe gilt, wenn ein Beschäftigter Cannabis nicht raucht, sondern zu unauffälligen Produkten mit dem Wirkstoff THC greift.
Was droht einem Beschäftigten, der sich nicht an ein betriebsinternes Cannabisverbot hält – ist bereits beim ersten Verstoß eine fristlose Kündigung möglich? „Ohne vorherige Abmahnung dürfte das nicht funktionieren, vielleicht abgesehen von extremen Ausnahmefällen“, sagt der Anwalt.
Drogenkontrolle am Arbeitsplatz?
In dem Zusammenhang stellt Kinold klar: Drogenkontrollen am Arbeitsplatz seien grundsätzlich unzulässig, von wenigen speziellen Ausnahmen abgesehen. Denn dies würde gegen das im Grundgesetz verbriefte Recht auf körperliche Unversehrtheit verstoßen.
Fällt ein Beschäftigter allerdings durch sein Verhalten oder blutunterlaufene Augen auf, kann er laut dem Experten aufgefordert werden, sich mit einem freiwilligen Drogentest zu entlasten. „Anderenfalls könnte eine Abmahnung, schlimmstenfalls auch eine Kündigung als sogenannte Verdachtskündigung in Betracht kommen“, erklärt Kinold.
Verdachtsunabhängige Drogenkontrollen können ihm zufolge ausnahmsweise zulässig sein, wenn es sich um Arbeitsplätze mit erhöhtem Gefährdungspotenzial handelt, ein Beschäftigter zum Beispiel gefährliche Maschinen bedient. Weigere sich der Betroffene, könne der Test nicht erzwungen, der Arbeitnehmer aber vom Dienst suspendiert werden.
„Naive Ignoranz“: Firmen haben kaum Regeln erlassen
Ein Massenphänomen ist Cannabis in Betrieben bislang auch nach der Legalisierung zum 1. April 2024 nicht geworden, wie Kinold feststellt. Das könne aber auch daran liegen, dass Konsum seltener auffällt – etwa im Gegenzug zur „Fahne“ nach dem Trinken von Alkohol. Viele Arbeitgeber sehen Cannabis deshalb vielleicht auch deshalb nicht wirklich als Problem an und haben es bislang unterlassen, spezielle Regeln aufzustellen.
„Betriebe mit Betriebsrat sind da häufig deutlich weiter“, sagt Kinold. Er attestiert einigen Unternehmen bei dem Thema eine geradezu „naive Ignoranz“. „Das Thema zu ignorieren, ist nicht ratsam. Die Fürsorgepflicht gebietet, sich auch als Arbeitgeber damit zu befassen“, mahnt der Arbeitsrechtler.