CAPITAL: Sie haben neulich in einem Interview gesagt: Das Gras wird knapp! Herrscht seit der Cannabis-Legalisierung eine Goldgräberstimmung?
DAVID HENN: Der Zugang zu Medizinal-Cannabis ist seit dem 1. April deutlich einfacher geworden. Bis dato war es in der Therapie das letzte Mittel der Wahl und durfte nur von einer Handvoll Ärzte in Deutschland verschrieben werden. Seit dem 1. April ist Cannabis regulatorisch gesehen das Äquivalent zu einer Ibu 600. Damit dürfen es auch alle 418.000 in Deutschland praktizierenden Ärzte verschreiben. Entsprechend hoch ist die Nachfrage.
Was heißt das in Zahlen?
Der medizinische Markt umfasste bisher ungefähr 100.000 Patienten. In den letzten zwei, drei Monaten hat sich das verdoppelt. Wir gehen davon aus, dass dieses Wachstum weiter anhalten wird.
In welchen Fällen ist Cannabis denn überhaupt medizinisch sinnvoll?
Es gibt ein breites Einsatzspektrum. Wir sehen starke Therapieerfolge im Bereich der Epilepsie oder der Schmerztherapie. Wir haben ja eine alternde Bevölkerung in Deutschland, und es gibt eine große Nachfrage von Patienten, die nicht länger auf klassische Arzneimittel setzen wollen.
Die rechtlichen Bedingungen sind jetzt klar. Bei Ärztinnen und Ärzten allerdings ist die Begeisterung für Cannabis-Produkte ja nicht immer groß. Wie wollen Sie die überzeugen?
Wir bekommen viele Signale von Ärzten, die für ihre Patienten alternative Darreichungsformen suchen. Wir machen Fortbildungen, wir haben eine eigene Medical-Hotline, die Ärzten zur Verfügung steht. Aber es ist richtig, dass es eine Gruppe von Ärzten gibt, die dem Ganzen skeptisch gegenüber stehen – weil das Mittel bisher in der legalen Medizin wenig Anwendung gefunden hat. Aber das wird sich in den nächsten Jahren ändern.
Ist es angesichts der Skepsis nicht wichtig, eine genaue Trennung zwischen dem Einsatz in der Medizin und dem als Genussmittel zu ziehen? Es ist ja beides zugleich legalisiert worden.
Man muss sicher differenzieren. Es gibt einen Einsatz von Cannabis im medizinischen Sektor, für den es einen Rechtsrahmen gibt. Und es gibt die Möglichkeit und den Rechtsrahmen dafür, Cannabis auch in Social Clubs zu kultivieren. Aber das ist nicht unser Business und auch nicht unsere Expertise.
Sie importieren die Cannabis-Produkte im Wesentlichen aus dem Ausland und vertreiben sie in Europa. Ist das nicht ein Geschäftsmodell, das leicht angreifbar ist?
Das glaube ich nicht. Ich mache das seit acht Jahren und war einer der ersten aktiven Gründer in diesem Bereich. Wir haben uns immer dagegen entschieden, Medizinal-Cannabis selber zu kultivieren und benutzen Auftrags-Lohnhersteller dafür. Die Wertschöpfungskette gründet sich allerdings nicht nur auf den Import und den Vertrieb. Wir importieren Rohmaterial, aber jede Blüte wird von uns in Deutschland noch einmal getrimmt. Wir füllen in Abgabegefäße ab und etikettieren die Produkte. Da kommt einiges zusammen.
Können das nicht irgendwann auch größere Pharmaunternehmen machen und damit in dieses Geschäft vordringen?
Ich bin mir sicher, dass die Pharmaindustrie ein Auge auf die Therapie mit Medizinal-Cannabis in Deutschland geworfen hat. Genauso übrigens wie auch die Tabakindustrie. Aber letztendlich ist der Cannabis-Markt für die große Pharmaindustrie noch zu klein.
Hören Sie in der neuen Folge von „Die Stunde Null“,
- warum es bisher keine klinischen Zulassungsstudien für Cannabis-Produkte gibt,
- für wen Cannabis als Schmerzmittel nicht geeignet ist,
- wann Cannamedical an die Börse geht.
Alle Folgen finden Sie direkt bei RTL+, Apple oder Spotify