Steve Forbes ist für vieles bekannt, aber nicht für seine Leidenschaft. In einem hitzigen Gespräch im Oktober 2014 in Hongkong übermannte den Erben der weltbekannten amerikanischen Verlegerfamilie und zweimalig erfolglosen Präsidentschaftsbewerber dennoch die blanke Wut.
Nur wenige Wochen zuvor hatte die Medienmarke ihr Geschäft mehrheitlich an die asiatische Investorengruppe Integrated Whale Media Investments verkauft. Der Wert der Forbes-Gruppe wurde auf 475 Mio. Dollar taxiert. Schon die erste Zinszahlung von rund 40.000 Dollar blieben die Käufer bis zu diesem Oktober-Treffen allerdings schuldig.
Als komplette „Geringschätzung der Vereinbarung“ betrachte er das, ließ Forbes dem Vertreter von Integrated Whale, Sammy Wong, danach mitteilen, als „Geringschätzung der Familie und Geringschätzung meiner Person“. So nachzulesen in der von der Familie in Delaware eingereichten Klageschrift. „Die Summe war ja nicht wirklich hoch“, sagt ein mit der Situation Vertrauter, „aber die Familie hat sich fürchterlich aufgeregt“.
Der hässliche Rechtsstreit wirft seither neue Schatten über die Zukunft der Mediengruppe, dem selbsternannten „Werkzeug des Kapitalismus“ und bald hundertjährigen Verfechter des Marktliberalismus. Er wirft indes auch ein Schlaglicht auf die Familie, die ihr Magazin zum Richter über das Vermögen anderer erhob, den eigenen Reichtum aber lieber im Ungefähren ließ – und überdies bei der Suche nach Geldgebern kein überglückliches Händchen bewies.
Verkauf aus der Not heraus geboren
Geraume Zeit wusste die Familie, mit ihrem Ruf für finanzielle Expertise zu wuchern. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise bemühte sich Steve Forbes, vom Cover der Zeitschrift herunter die Nerven der Leser zu beruhigen. Sein Neffe Miguel gründete den Forbes Family Trust als Berater der Superreichen, aus Sorge um den von ihm so empfundenen „allgemeinen Vertrauensverlust“ in traditionelle Fondsmanager. Nun stellen die komplexen Verschränkungen mit und von Integrated Whale diesen Ruf – und damit den Sockel der Marke Forbes – ernsthaft auf die Probe.
Bislang spricht das asiatische Konsortium der Klage von Forbes jegliche Grundlage ab. Offiziell will sich keine Seite äußern, und die Klageschrift enthält viele geschwärzte Passagen. Doch nach Schätzungen der Financial Times dürfte es um einen Streitwert von 110 Mio. Dollar gehen – Kredite und Treuhandeinlagen. Schaden könnte das Verfahren auch den hochfliegenden Plänen, die Welt mit einem Netz neuer Forbes-Finanzzentren zu überziehen.
Schon der Verkauf des Flaggschiffs schien aus der Not geboren. Bis 2016 noch lief die Rücknahmeoption für eine Minderheitsbeteiligung der Elevation Partners, einer mit U2-Frontmann Bono verbundenen Private Equity Firma. Um den Rückkauf zu vermeiden, hatte Forbes fast ein Jahr lang neue Investoren gesucht. Sowohl der Axel-Springer-Konzern wie der chinesische Lizenznehmer Fosun International sperrten sich jedoch gegen Preisvorstellungen von 400 Mio. Dollar und mehr. Und das für ein Geschäft, das zuletzt vor Zinsen, Steuern, Währungseffekten und Abschreibungen rund 20 Mio. Dollar verdiente.
Geschwächte Marke
Die gedruckte Ausgabe des Forbes-Magazins hatte sich dem Branchentrend folgend zuletzt immer weniger gut verkauft. Nach außen warb die Familie vor allem mit ihrem innovativen Online-Auftritt. Auch das eine zwiespältige Sache. Produktchef und Quergeist Lewis DVorkin engagierte mehr als 1000 freie Autoren, deren Honorar sich nach der Beliebtheit der Beiträge richtet, und lässt Anzeigenkunden direkt auf der Website Artikel veröffentlichen. „Das gab Forbes ein gespaltenes Image“, sagt Medienexperte Ken Doctor. „Das Unternehmen präsentierte sich als digitaler Pionier, musste zugleich (aber) die Marke infrage stellen.“
Die Übernahme durch Integrated Whale im Juli 2014 schien den Zweiflern Recht zu geben. Vieles deutete darauf hin, dass der Käufer aus Hongkong die Marke für Finanzdienstleistungen ausbauen wollte. „Unsere neuen Partner respektieren die Berufung von Forbes, unseren tiefen Glauben an unternehmerischen Kapitalismus und an freie Märkte“, beteuerte Steve Forbes, der als Herausgeber an Bord bleibt. Sein Geschäftsführer Mike Perlis ergänzte, in Asien „wird Steve, offen gestanden, verehrt“.
Aber die Entscheidung für Integrated Whale könnte sich als kostspielig erweisen. Zum einen pflegt deren Eigentümer Tak Cheung Yam enge Verbindungen zu einem Kasino-Ring, der gerne Geld an kleinkapitalisierte, anfällige Firmen in Hongkong verleiht. Zum anderen befördert die Klage den kreditfinanzierten Teil des M&A-Deals zutage: den ungewöhnlichen Umstand, dass die Forbes-Familie Herrn Yam mehrere Dutzend Millionen Dollar lieh, um einen Teil der Übernahme zu finanzieren. „Dazu kommt es in seltenen Fällen, wenn der Verkäufer verzweifelt ist abzuschließen und der Käufer nicht ausreichend liquide“, kommentiert ein Investment-Baker.
Genau um dieses Darlehen geht es nun in dem Rechtstreit. Ursprünglich wollte der Käufer 80 Prozent von Forbes Media übernehmen, sagt eine den Verhandlungen nahestehende Person, während Forbes auf 100 Prozent bestand. Dann habe man sich auf 80 plus 15 geeinigt – mit der Maßgabe, dass der Aufschlag dem Käufer per Kredit vorgestreckt werde. Fünf Prozent sollten bei Forbes verbleiben – zur Verankerung der Marke. Weil Integrated Whale jedoch – nur 18 Tage nach dem Abschluss – die erste Fälligkeit von 40.000 Dollar Zinsen versäumte, besteht Forbes nun auf der sofortigen Rückzahlung des gesamten Darlehens.
Die Investoren streuen, Integrated Whales hätte den Kauf auch gut zu 95 Prozent in bar abwickeln können. „Sie möchten nicht den Eindruck erwecken, sie hätten das Geld nicht und bräuchten es von Forbes, um Forbes zu kaufen“, sagt eine Quelle. Den folgenden Zinsforderungen kam Integrated Whale im Übrigen auch nach.
Doch das Verhalten gibt Rätsel auf. Warum blieb das Konsortium die erste Zahlung schuldig – wohlwissend, dass die Gesamtsumme dann fällig würde? Integrated Whale wollte sich dazu nicht äußern. Und Forbes führt in der Klageschrift lediglich an, es sei keine schlüssige Erklärung geliefert worden.
Prominente Freunde
Zwei Tage nach dem emotionsgeladenen Treffen mit Sammy Wong in Hongkong trafen die Parteien erneut bei der Forbes Global CEO Konferenz in Singapur aufeinander – einem glamourösen Event, zu dessen Ehrengästen auch Pemierminister Lee Hsien Loong und Thailands führender Milliardär Dhanin Chearavanont zählten. Der chinesische Ökokonzern Hanergy, zu der Zeit noch hochangesehen, war einer von zwölf Sponsoren. Neben Herrn Yam posierte Kasinobesitzerin Pollyanna Chu samt Sohn stolz mit Premier Lee für die Fotografen.
Die Milliardärin Chu ist mit ihrer Finanzfirma Kingston Financial auch bei der Ausgabe von Aktien zum Rückkauf von Krediten behilflich. Mit ihrer Schwester führt sie zudem die im Small Cap-Beteiligungsgeschäft von Hongkong tätige Kingston Securities, die auch mit gelisteten Firmen im Kreis der Hanergy-Gruppe zu tun hatte, die mittlerweile umstritten ist und von der Finanzaufsicht unter die Lupe genommen wird. Das Geschäft von Kingston dreht sich oft um kleine komplexe Deals, die alle rapide Preisschwankungen, wenige stimmberechtigte Aktionäre und undurchsichtige Überkreuzbeteiligungen gemeinsam haben.
Herr Yam selbst hält sich über seine Beziehungen zu Kingston bedeckt. Sie dauern aber offenbar schon einige Jahre an. So versuchte Yam offenbar 2009/10 einen Gläubiger an Kingston Finance zu verweisen, der einen Kredit an Yams Firma Integrated Capital (Asia) nicht bezahlen konnte.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum Forbes sein Flaggschiff an einen Geldgeber verkauft, der eher im Schattenreich der Hongkonger Finanzwelt unterwegs ist. Und warum sollte die Familie Geld verleihen wollen an jemanden, dem das offensichtlich widerstrebte, und der selbst eher Darlehen vergibt als sie aufzunehmen?
Ganz so überraschend waren Herrn Yams Gepflogenheiten offenbar nicht. Schon für eine Lizenzvereinbarung, die dessen rechte Hand – laut Klageschrift Mr. Wong – vermittelt hatte, war demnach ein Zahlungsverzug entstanden. Diese Verbindung über Wongs G2 Whale Capital Group war zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht genannt worden.
Marke mit Strahlkraft
Unabhängig von diesem oder dem folgenden Streit nehmen die Zukunftspläne allmählich Gestalt an. Im September 2015 löste sich eine Blockade beim Bau des ersten Forbes Media Towers auf den Phillippinen – dem bislang größten Schritt der Markenerweiterung. Im November machte Forbes erste Gehversuche im Telekom-Geschäft mit dem Start einer Niedrigpreis-Simkarte für Reisende.
Weiteres Ungemach droht derweil von anderer Seite. Integrated Whale blockiert laut Forbes zehn Prozent der Kaufsumme auf einem Treuhandkonto in den British Virgin Islands. Angeblich aus Sorge um Forderungen eines verprellten ukrainischen Oligarchen. Sergei Kurchenkos UMH-Gruppe kaufte den Herausgeber der ukrainischen Forbes-Ausgabe, ein Jahr später verlor er die Lizenz, als die EU sein Vermögen einfror.
Ikone von gestern
Während Forbes mit Rivalen wie Fortune oder Bloomberg Businessweek und zunehmend mit dem von Springer für 390 Mio. Dollar übernommenen Business Insider in einem immer härteren Wettbewerb steht, verlieren seine Rankings an Strahlkraft. Wohl klagte der saudische Milliardär Prinz Walid bin Talal, weil sein Vermögen um 9,6 Mrd. Dollar unterschätzt wurde – und Donald Trump hält das Magazin für „bankrott“, weil es ihm ähnlich ging. Doch quillt das Internet inzwischen über vor Rankings und Listicles, die sich in den sozialen Medien leicht herumreichen lassen.
„Das ganze Listicle-Phänomen entwertet Listen, die einst Ikonen waren“, sagt der Medienexperte Doctor. Und die Verkaufsunterlagen von Forbes belegten nur zu gut, sagt er, dass die aggressive digitale Expansion sich noch lange nicht in bemerkenswertem Gewinn niederschlage. Wenn die Familie Forbes und Integrated Whale ihren Rechtstreit lösen, könnte das also noch das leichtere Unterfangen sein.
Forbes sieht Forbes Media ausreichend vor potenziellen Ansprüchen geschützt. Es soll nur um rund 5 Mio. Dollar gehen, weitere 35 Mio. Dollar wären bei Bedarf verfügbar, heißt es. Glaubt man Medienspekulationen, könnte Forbes diese Auseinandersetzung zum Vorwand nehmen, seine Mediengruppe zurückzukaufen. Sollten die Parteien keine Einigung erzielen, könnte ein Virgin Islands-Gericht erzwingen, den Anteil des Investors aus Hongkong zu liquidieren.
Ob die Forbes-Familie nach einem jahrelangen Ausverkauf des Tafelsilbers einen Rückkauf stemmen könnte, ist unklar. Steve Forbes hatte zwar für seine Präsidentschaftsbewerbungen bei den Republikanern 1996 und 2000 rund 70 Mio. Dollar eigenes Kapital aufgebracht, seine privaten Vermögensverhältnisse aber nie entblößt. Die Familie erhielt nach Schätzungen weniger als 10 Mio. Dollar aus dem Verkauf an Integrated Whale.
Im Umfeld der Familie wird allerdings bestritten, an eine Rückabwicklung auch nur zu denken. Man wolle das Geld – und werde dafür auch keine Mühen scheuen. Die Nachricht sei nun wohl angekommen.
Doch selbst wenn eine Rücknahme erzwungen würde, hätte die Familie möglicherweise die Namensrechte verspielt. Aus Dokumenten, die bei der Hongkonger Börse eingereicht wurden, geht hervor, dass die Lizenz für den Gebrauch des Namens Forbes für Bau-Projekte der in den British Virgin Islands registrierten Firma G2 Whale Real Estate Development gehört. Die Eigentümer werden nicht genannt. Herr Wong ist einer der Gründer der G2 Whale Capital Group.
Ursprünglich geht G2 wohl auf die G2 Investment Group zurück, die in New York von 2010-2014 die Lizenz für Finanzprodukte mit dem Forbes-Logo hielt und auch 2010 ein Gemeinschaftsunternehmen mit Whale Capital einging. G2 hatte auch die vorläufigen Pläne für Gebäude in Manila, Sao Paulo, oder Bangkok im Volumen von 830 Mio. Dollar entwickelt. Verbindungen mit G2 Whale Real Estate Development oder anderen Geschäften von Herrn Wong verneinte ein Sprecher hingegen. Ebensowenig sei der Gebrauch des Firmennamens in Verbindung mit Whale autorisiert.
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