Anzeige

Kolumne Der gebeutelte Kleinsparer: verzinst, verpönt, versteuert

Lars Vollmer
Lars Vollmer
© André Bakker
Die Politik will Kleinsparer vor Negativzinsen bewahren. Aber rechtfertigt die gute Absicht alle potenziellen Nebenwirkungen, die damit zusammenhängen? Lars Vollmer über den deutschen Hang zu steuernden Eingriffen

Zu den süßen Vergnügungen eines Kolumnisten gehört, dass sich in schöner Regelmäßigkeit alles wiederholt. So hat vor Kurzem nun auch der neue Daimler-Vorstand einen Brandbrief geschrieben – das kommt mir irgendwie bekannt vor … Was sich ebenfalls ständig wiederholt: steuernde Eingriffe, die zu verheerenden Auswirkungen führen.

Apropos: Was machen eigentlich Olaf Scholz und Markus Söder gerade?

Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker

Die Herren Scholz und Söder kommen mir in dem Kontext in den Sinn, weil sie gerade eine so herrlich steuernde Geste heiß diskutieren: Negativzinsen auf Kleinsparer umlegen – das dürfen Sie laut Herrn Söder „nicht achselzuckend hinnehmen“. Und Herr Scholz macht sich gleich noch bei den Bankvorständen für Sie stark, denen er von diesem „ziemlich schlechten Einfall“ abrät. Hach, die Kleinsparer atmen auf … oder?

Nun ja, ich gehe davon aus, dass die meisten Kleinsparer es durchaus toll finden, wenn sie keine Negativzinsen zahlen müssen. Auch Herr Scholz kann sich jetzt auf die Schulter klopfen, denn er tut, was sein Wahlvolk mag, um seiner sehr labilen Partei wieder auf die Beine zu helfen. Aber ich frage mich: Betrachten die Herren wirklich alle potenziellen Risiken und Nebenwirkungen bei dem Rezept, das sie da gerade verschreiben?

Risiken und Nebenwirkungen

Die deutschen Banken krebsen ohnehin schon am Existenzminimum herum. Sie haben kaum Einnahmen mehr und monieren schon lange, dass die negativen Zinsen zusätzlich an ihren Erträgen knabbern. Wenn die Politik nun zentral auch noch die Umlegung der Negativzinsen auf die Kleinsparer verbietet, müssen Sie kein Crash-Prophet sein, um zu sehen: Die eine oder andere Bank wird so ihre Kosten nicht mehr einnehmen können und geht wohl über kurz oder lang in die Knie.

Das muss Ihnen nun nicht leidtun um die einzelne Bank. Doch die gute Absicht, den Kleinsparern die Negativzinsen zu ersparen, könnte natürlich insgesamt massive Nebenwirkungen haben.

Denken Sie nur an vergleichbare Fälle, in denen wohlwollend steuernd eingegriffen wurde und wird: Wenn man unterentwickelten Staaten ihre Schulden erlässt, verschulden sie sich womöglich beim nächsten Mal noch hemmungsloser, denn es gab ja keine Konsequenzen. Oder wenn Brunnen in Entwicklungsländern gebohrt werden, kann damit das dortige traditionelle Wasserverteilungssystem obsolet werden, eine Abhängigkeit vom Wasser des Brunnens entstehen, die bürgerkriegsartige Zustände auslöst, wenn der Brunnen mangels Wartung versandet oder gar vergiftet wird.

Dabei war das Ganze doch so gut gemeint!

Und das ist das Gemeine an steuernden Eingriffen dieser Art.

War doch nur gut gemeint!

Steuernde Eingriffe in sich selbst regulierende Systeme sind sehr häufig gut gemeint. Sie entspringen guten Absichten. Da sieht jemand einen Missstand und bewertet diesen aus moralischen Gründen heraus als solchen. Dann ist es zum Beispiel „böse“ oder „inakzeptabel“, dass die armen Kleinsparer Negativzinsen zahlen sollen. Und schon ertönt der Kampfruf der gut gemeinten steuernden Eingriffe: Das müssen wir verhindern!

Es scheint in der deutschen DNA zu liegen, dass wir immer meinen, wir könnten ein Problem durch zentrale Steuerungsmaßnahmen beheben. Aber haben Sie es schon mal so gesehen: Indem die Politik nun über den Umgang mit Negativzinsen entscheiden will, unterstellt sie den Kleinsparern, sie könnten nicht selbst auf sich aufpassen.

Also doch böse gemeint?

Das geschieht nicht aus bösem Willem heraus. Die Politiker, die „Mächtigen“ werden mit ihrem steuernden Eingriff lediglich ihrer selbstauferlegten Pflicht gerecht, sich um ihr Volk zu kümmern. Und diesem Volk auch zu zeigen: Ihr braucht uns. Das rechtfertigt die Existenz und die Fortexistenz der Führenden. Denn würde ein Hirte sich nicht um seine Schafe kümmern – da kämen die Schafe womöglich noch auf die Idee, dass sie auch ohne Hirten zurechtkämen, würden ihr Geld aus der Bank entnehmen und in Aktien oder Gold anlegen. Oder sonst was Verrücktes. Nein, nein. Da ist es doch leichter, die Schafe mit steuernden Eingriffen in Unmündigkeit und Unselbstständigkeit zu wiegen. Ist ja gut gemeint.

Der Psychologe Dietrich Dörner schrieb im Vorwort seines Buches „Die Logik des Misslingens“, aus seiner Sicht sei die Frage offen, ob gute Absichten gepaart mit Dummheit oder schlechte Absichten gepaart mit Intelligenz mehr Unheil in die Welt gebracht hätten. Ich stimme ihm zu. Denn so gut eine Absicht auch ist, an ihr hängt eben doch auch immer ein Rattenschwanz komplexer Auswirkungen …

Gesunde Schafe

Natürlich kann die deutsche Politik nun mit guter Absicht die Negativzinsen verbieten. Das klingt alleingestellt durchaus positiv. Aber wenn in der Folge die Banken crashen und dann zig Unternehmen untergehen und vermutlich etliche Arbeitsplätze flöten gehen … dann geht’s dem „armen“, „schutzbedürftigen“ Kleinsparer auch wieder an den Kragen.

Also denken wir nochmal nach, Herr Scholz und Herr Söder: Wir wollen in Deutschland doch eine erwachsene und mündige Bevölkerung. Das heißt aber, dass wir sie auch selbst denken lassen und ihr erlauben müssen, zu scheitern und zu lernen.

Wie wäre es, wenn das Finanzministerium den Bürger beispielsweise nur darauf hinweist, dass durch die aktuelle Geldpolitik der EZB manche Banken veranlasst werden könnten, Negativzinsen auf die Sparer umzulegen? Samt Information, was Negativzinsen sind. Aber bitte schön ohne Empfehlung, was jeder Kleinsparer nun zu tun und zu lassen hat. Und erst recht ohne zentrale Steuerungsmaßnahme, die die Banken nun zu dieser oder jener Handhabung der Negativzinsen verpflichtet.

Denn dann, Herr Scholz, könnten Sie die deutschen Kleinsparer einfach in Frieden lassen. Sie individuell passende Optionen suchen lassen und selbstverantwortlich handeln lassen. Wer weiß, vielleicht würden Ihre sparenden Schäfchen Sie überraschen.

Lars Vollmer ist Unternehmer, Vortragsredner und Bestsellerautor. In seinem Buch „ Gebt eure Stimme nicht ab! – Warum unser Land unregierbar geworden ist “ bietet er einen neuen konstruktiven Blick auf die Krise von Politik und Gesellschaft.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel