Capital: Schön, Sie zu treffen. Wir hätten aber auch gern Ihren Chef interviewt. Warum spricht Théodore Schneider eigentlich nicht öffentlich?
Jean-Paul Girardin: Er möchte nicht, und er muss ja auch nicht. Wir finden unsere Marke und die Uhrenmodelle wichtiger als die Frage, wer bei uns im Haus welche Sportart betreibt und derlei Dinge. Ich bin bei uns der Mann für die Technik, unsere Modelle sind sehr technisch. Also rede ich. Intern ist Herr Schneider aber sehr präsent. Er segnet alles persönlich ab, was den Breitling-Schriftzug trägt: von der Pressmappe bis zum Bierdeckel. Er gibt Strategie und Ziele der Produktentwicklung vor.
Fragt er Sie nach Ihrer Meinung?
In seinen Bereichen, die ich genannt habe, braucht er keine Empfehlung. Im technischen Bereich schon, zum Beispiel als es um den Plan ging, eigene Werke zu entwickeln, den wir erfolgreich umgesetzt haben. Da machen wir Vorschläge, und er entscheidet. Das dauert Minuten. Das ist kein Prozess von sechs Monaten und unzähligen Tabellenkalkulationen. Als kleine, unabhängige Marke haben wir nicht die Power einer großen Gruppe. Aber wir sind schnell. Und wir haben das Privileg, langfristig zu denken. Wir müssen ja nicht alle drei Monate Finanzberichte vorlegen. Wir haben nur Uhren zu verkaufen.
Was schwieriger werden könnte, seit die Smartwatches auf dem Vormarsch sind.
Es ist unmöglich, besser zu sein als das Touchscreen eines Telefons. Also versuchen wir, unsere Uhren mit nützlichen Funktionen auszustatten. Unser Vorteil: Ein Viertel unserer Uhren sind schon elektronisch. Einfach, weil bestimmte Funktionen sonst nicht möglich wären, wie bei der Notruf-Uhr, die ein Signal an einen Satelliten sendet. Seit Dezember 2015 haben wir die Connected Watch Exospace 55 im Markt. Sie bleibt eine Uhr, ist kein Computer am Handgelenk – aber mit dem angeschlossenen Smartphone lassen sich viele Funktionen besser steuern.
"Ich kenne meinen Chef seit der Jugend"
Herr Schneider vertraut Ihnen offenbar sehr. Wie lange kennen Sie sich?
Wir kannten uns schon als Teenager. Er ist zwei Jahre älter als ich, wir wuchsen in Biel auf, dort wohnen nur 40.000 Menschen. Und wir gehörten beide zur französischsprachigen Minderheit. Da kennt man sich.
Dann sind Sie mit Breitling aufgewachsen?
Das nicht. Aber mit der Uhrenindustrie. Mein Vater war dort schon tätig. Als junger Mann aber schien mir diese Welt zu klein. Ich studierte Maschinenbau und arbeitete bei Honeywell in Genf, baute Getriebeteile für die Autoindustrie, auch für Volkswagen und Daimler. Bis mir Herr Hayek ein tolles Jobangebot machte.
Nicolas Hayek, der Gründer und damalige Chef der Swatch Group...
Er übertrug mir 1990 die Verantwortung für eine Gehäusefabrik der Swatch Group. Zurück in die Uhrenbranche – das ist wie ein Virus, den man nie loswird. Zwei Jahre später war Théodore Schneider dabei, Breitling von seinem Vater zu übernehmen. Er fragte mich: Möchtest du meine technische Abteilung in Ordnung bringen?
Da lag wohl etwas im Argen.
Sagen wir so: Unser Ziel war, dass man über die Qualität unserer Uhren nicht mehr reden muss. Seit den 1930er-Jahren machen wir Uhren für Piloten. Neben der Lesbarkeit war die Präzision immer besonders wichtig. Wir entschieden, dass wir unsere komplette Produktion unabhängig zertifizieren lassen, von der COSC, der offizielle Schweizer Chronometerprüfstelle, die Uhrwerke 15 Tage lang auf Ganggenauigkeit testet. Unser Ziel haben wir 1999 erreicht.
"Was gut für einen Piloten ist, ist auch gut für Nicht-Piloten"
Das Prüfsiegel bedeutet: Pro Tag geht die Uhr höchstens 4 Sekunden nach und 6 Sekunden vor. Rolex hält neuerdings strengere Standards ein: zwischen -2 bis +2 Sekunden.
Wir kennen unsere Stammkunden, die Piloten. Die hassen es, wenn ihre Uhren nachgehen. Deshalb stellen wir unsere Werke so ein, dass sie zwischen 0 und 6 Sekunden am Tag vorgehen. Wir sind also längst strenger mit uns als die COSC. So argumentieren wir gern: Was gut für einen Piloten ist, ist auch gut für Nicht-Piloten – von denen kaufen ja auch viele eine Breitling.
Apropos: Hatten Sie einen Pilotenschein, als Sie bei Breitling anfingen?
Nein, den habe ich erst 1999 gemacht. Wir haben zwei Standorte in der Schweiz, die Strecke dauert mit dem Firmen-Hubschrauber weniger als eine Viertelstunde. Manchmal fliege ich mit Herrn Schneider zusammen.
Und wer steuert?
Auf dem Hinweg ist er Pilot und ich Co-Pilot. Auf dem Rückweg umgekehrt. Das ist in der Fliegerei so üblich.
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