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Pleitewelle Wie die Baukrise Immobilienfonds trifft

Wohnungsneubau in Freiburg
Wohnungsneubau in Freiburg. Auch wenn sich hier die noch Kräne drehen, ist die Baubranche in Deutschland In schweres Fahrwasser geraten
© picture alliance / Winfried Rothermel
Die Pleitewelle im Bau betrifft auch Anleger: Haben sie ihr Geld in offene Immobilienfonds investiert, droht im schlimmsten Fall der Totalverlust. Aber es gibt Wege, den Worst Case abzuwenden

Stillstand auf Baustellen in immer mehr Städten. Der Grund: Hohe Baukosten und sehr hohe Zinsen bringen Bauträger und Projektentwickler in ernsthafte Schwierigkeiten. Nach den diesjährigen Pleiten von Centrum, Development Partner, Euroboden und Gerch meldete nun kürzlich auch noch die Nürnberger Project-Immobilien-Gruppe Insolvenz an. Experten gehen davon aus, dass der Branche weitere Insolvenzen drohen. Das hat natürlich Folgen: Ob und wann betroffene Rohbauten fertiggestellt werden, bleibt in vielen Fällen offen. Oft ruht der Weiterbau während der Insolvenz. Anschließend müssen Unternehmen gefunden werden, um den Hausbau abzuschließen. Das kann unter Umständen lange dauern. Zu allem Überfluss ist der deutsche Mietmarkt ohnehin schon angespannt: Es fehlen derzeit über 700.000 Wohnungen. Gleichzeitig sind Wohnbauprojekte im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 54 Prozent zurückgegangen.

Die Pleitewelle in der Baubranche betrifft nicht nur potenzielle Käufer und Mieter, sondern auch Anleger: Wenn sie ihr Geld in offene Immobilienfonds investiert haben, gehen sie im Falle einer Insolvenz leer aus. Ihr Investment bringt keine Renditen mehr und das investierte Kapital geht oft vollständig verloren. Noch schlimmer ist es, wenn Investoren einen Rentenplan vereinbart haben. Sie müssen aufgrund der starren Kündigungsfristen selbst dann weiterzahlen, wenn die Gesellschaft bankrott ist und sie ihr investiertes Geld voraussichtlich nicht wiedersehen werden.

Warum das so ist? Ein paar Jahre nach der Lehman-Pleite im Jahr 2008 wurde die Rückgabe der Fondsanteile zum Schutz der Anleger an längere Halte- und Kündigungsfristen gekoppelt. Diese betragen seither 24 und 12 Monate. Dadurch will der Gesetzgeber Ad-hoc-Verkäufe wie in der Finanzkrise verhindern. Anleger, die ihre Fondsanteile zurückgeben möchten, müssen daher mindestens ein Jahr im Voraus eine schriftliche Kündigung oder einen Widerruf einreichen und darin die Rückgabe ankündigen. Die Fondsgesellschaft kann dann entsprechend reagieren, das Geld bereitstellen und am Rückgabetag zurückzahlen.

Schadensersatz bei Falschberatung

Anja Richter, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Stuttgart, warnt davor, Ratenzahlungen auf eigene Faust und ohne vorherige Begründung einzustellen. Besser sei es, dass Ratensparer überprüfen lassen, ob ihnen aufgrund der Insolvenz der Projektgesellschaft ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht oder ob sie Schadensersatzansprüchen geltend machen können. Schadensersatzansprüche gegen den Fondsvermittler können beispielsweise wegen Falschberatung bestehen.

Eine Falschberatung liege dann vor, wenn das Anlageprodukt nicht den Bedürfnissen der Anleger entspricht, erklärt Richter. Das sei etwa dann der Fall, wenn das Risikoprofil und die finanziellen Verhältnisse des Kunden nicht übereinstimmen. „Will beispielsweise ein Kunde seine Ersparnisse sicher und ohne Verlustrisiken zum Zwecke der Altersvorsorge anlegen, so wäre es grundsätzlich eine Falschberatung, diesem Kunden einen Alternativen Investment Fonds zu empfehlen“, konkretisiert sie. Diese Anlageform, zu der auch offene Immobilienfonds gehören, sei grundsätzlich nicht zur Altersvorsorge geeignet und beinhalte in aller Regel ein erhebliches Verlustpotential bis hin zum Totalverlust.

„Denkbar ist auch, dass ihnen ein Widerrufsrecht zusteht, wenn die Widerrufsbelehrung Fehler aufweist“, sagt Richter. Für Verbraucher sind solche Fehler oft kaum erkennbar, Experten sehen sie dagegen sofort. So können auch unscheinbare Formulierung, wie etwa „frühestens“ in Bezug auf den Fristbeginn, ausreichen, um die gesamte Widerrufsbelehrung fehlerhaft und damit unwirksam zu machen.

Die Krux mit den Ausschüttungen

Worauf betroffene Anleger sich ebenfalls einstellen müssen: Insolvenzverwalter dürfen von ihnen Ausschüttungen zurückfordern, sofern diese gewinnunabhängig ausgezahlt wurden. „Kennzeichnend dafür ist, dass die dem Anleger zugeflossenen Erträge nicht durch Gewinne des Fonds gedeckt gewesen sind. In der Regel hat die Gesellschaft im entsprechenden Jahr sogar ein negatives Betriebsergebnis erzielt“, erklärt Richter. Die gute Nachricht: Diese Ansprüche verjähren in der Regel innerhalb von drei Jahren. Wenn das Insolvenzverfahren also im Jahr 2023 eröffnet wurde, verjähren die Ansprüche spätestens zum 31.12.2026.

Richter weist jedoch darauf hin, dass es Abweichungen geben kann. Unter Umständen beginnt die Verjährungsfrist nicht erst mit der Insolvenzeröffnung, sondern schon deutlich früher. Nämlich zu dem Zeitpunkt, an dem klar wird, dass die gewinnunabhängigen Ausschüttungen zurückgefordert werden müssen, um die Gesellschaft überhaupt fortführen zu können. Genau aus diesem Grund sollten betroffene Anleger die wirtschaftliche Entwicklung des Fonds genau untersuchen, rät die Rechtsexpertin.

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