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Immobilienmarkt Pleitewelle: Warum Immobilien-Projektentwickler in der Krise stecken

Dunkle Wolken über deutschen Baustellen: Immer mehr Projektentwickler rutschen in die Insolvenz
Dunkle Wolken über deutschen Baustellen: Immer mehr Projektentwickler rutschen in die Insolvenz
© picture alliance/dpa | Rupert Oberhäuser
Vergangene Woche meldeten gleich drei große Immobilien-Projektentwickler Insolvenz an. Künftige Eigentümer, die einen Vertrag bei einem solchen Unternehmen unterschrieben haben, sind verunsichert. Was ist los auf dem Markt?

Development Partner, Project und Euroboden sind Projektentwickler für Immobilien – und seit letzter Woche insolvent. Die Gründe? „Aufgrund der langen wie auch andauernden kritischen Marktentwicklung sind die Liquiditätsreserven aufgebraucht“, hieß es etwa von Development Partner aus Düsseldorf. Die Firma ist vor allem auf dem Büromarkt aktiv. Unter anderem betreut sie Projekte in der Kölner Innenstadt oder den Technologiecampus des IT-Giganten IBM bei Stuttgart.

Bei Project Immobilien sind drei der vier Gesellschaften pleite. Zuletzt hatte das Unternehmen ein Investitionsvolumen von 3,2 Mrd. Euro im Bau oder in Planung. Nach Angaben der Insolvenzverwalter betreut Project deutschlandweit rund 60 Projekte. Am Freitag traf es dann Euroboden, einen Luxusimmobilien-Entwickler aus dem Münchner Nobelvorort Grünwald. Ein Notverkauf mehrerer Grundstücke hätte einen zweistelligen Millionenbetrag einbringen sollen, sei aber gescheitert oder unwahrscheinlich geworden, so die Begründung für den Insolvenzantrag. Wer eine Anleihe des Unternehmens hält, muss nun mit hohen Verlusten rechnen.

Die drei insolventen Projektentwickler sind dabei aber nur Beispiele für eine regelrechte Welle an Unternehmenspleiten in der Branche. Und die, so zeigen Daten, rollt gerade erst an.

Fast ein Viertel der Projekte verzögert sich

Eine Auswertung der Unternehmensberatung Bulwiengesa belegt die Entwicklung: Bei 23 Prozent aller Projekte verzögert sich die Fertigstellung. „Der Markt ächzt, und alle Akteure spüren seit längerem den Rückgang“, sagt Felix Embacher, Head of Research & Data Science bei Bulwiengesa. „Die skeptischen Ertragserwartungen der Projektentwickler zeigen sich vor allem am Einbruch der Planungen: Diese gehen insgesamt um 7,8 Prozent gegenüber 2022 zurück.“ Immerhin: Das reduziert die Gefahr, dass bei nachlassender Nachfrage zu viel gebaut wird.

Allerdings betreuen Projektentwickler meist den gesamten Planungs- und Bauprozess einer Immobilie. Die einzelnen Phasen dieses Prozesses überschneiden sich dabei. Die Vermarktung einer Immobilie kann zum Beispiel bereits während ihrer Konzeption begonnen werden. Und oft finanzieren sich Projekte gegenseitig. Wenn also eine Finanzierung ausfällt, beeinflusst dies auch andere Projekte.

Diese komplexe und gewagte Strategie wurde bisher mit hohen zweistelligen Renditen belohnt. Doch nun befindet sich der Immobilienmarkt im Abschwung und die Folgen riskanter Investitionen und fehlerhafter Entscheidungen der letzten Jahre werden offenbar.

Insolvenz größerer Unternehmen

Neben den gestiegenen Baukosten macht den Projektentwicklern insbesondere die Tatsache zu schaffen, dass die Erholung auf den Immobilienmärkten deutlich länger dauert als ursprünglich angenommen. Nachdem viele Beteiligte das erste Halbjahr frühzeitig abgeschrieben hatten und auf eine Erholung im Herbst hofften, häufen sich nun die Prognosen, wonach erst ab dem Jahr 2024 wieder mit Aktivitäten im Markt zu rechnen sei.

Bisher hatten diese Entwicklungen eher kleinere Fische im großen Teich der 9.000 deutschen Projektentwickler getroffen. Doch Development Partner und Project Immobilien zählen zu den bedeutenderen Akteuren in dem äußerst fragmentierten Markt. In den sogenannten B-Städten – Großstädten mit 250.000 bis 650.000 Einwohnern – belegte Development Partner im ersten Halbjahr einen Platz unter den sechs größten Projektentwicklern und lag dabei sogar noch vor etablierten Branchengrößen wie BPD und der Zech Group. Ebenso findet sich Project Immobilien in den vorderen Rängen wieder. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Nürnberg.

Wenn die Wunschimmobilie zum Alptraumhaus wird

Dort hat auch Baurechtsanwalt Werner Beyer seine Kanzlei. Hat er von den Problemen bei Project gehört? „Man hat Gerüchte gehört, die sich dann leider Gottes bewahrheitet haben. Aber die Branche ist sehr intransparent.“ Als Vertragspartner merke man meistens erst zu spät, dass etwas falsch läuft. „Ein Anzeichen ist zum Beispiel, wenn der Rohbauer zu uns kommt und sagt, der Bauträger bezahlt ihn nicht. Der Käufer bekommt davon aber nichts mit.“

Kann man sich gegen eine mögliche Insolvenz wappnen? „Nehme ich als Vertragspartner eines Projektentwicklers solche Gerüchte wahr, habe ich eigentlich schon keine Handlungsmöglichkeit mehr. Ich bin an den Vertrag gebunden.“ Doch: Als Käufer zahlt man die Immobilie in Raten, die abhängig sind von einem gewissen Bautenstand. „Erst ist es nur ein Rohbau, dann kommt das Dach drauf, dann die Fenster rein, dann die Leitungen.“ Immer wenn eine Phase abgeschlossen ist und die nächste Rate fällig wird, so rät der Baurechtsanwalt, sollte man sich davon überzeugen, dass der jeweilige Bautenstand auch wirklich erreicht ist. „Es gab und gibt immer wieder Bauträger, die Raten fällig stellen, die noch gar nicht fällig sind.“ Beyer empfiehlt deshalb, einen externen Fachmann hinzuzuziehen. Das könne ein Architekt, Bauingenieur oder Bausachverständiger sein. Sollte dieser dann gravierende Mängel am Objekt feststellen, kann man sein Rückbehaltungsrecht geltend machen, die geforderte Rate also verweigern.

Dieses Geld fehlt dem Projektentwickler dann an anderer Stelle, was zu weiteren Mängeln und verweigerten Raten führen kann. Mehren sich solche Fälle, tritt das eine Lawine los. „Das Rad muss ständig gedreht werden, ständig muss ein neues Projekt aufgelegt werden, das dann in einem bis drei Jahren realisiert werden muss.“

Was heißt das für Bauherren?

Die Rechtsposition könne aber durchaus zugunsten der Bauherren liegen: Theoretisch wären sie berechtigt, entweder die Aufhebung des Vertrags und die Rückerstattung ihres Geldes zu verlangen oder die einwandfreie Fertigstellung einzufordern. In der Praxis ist es jedoch oft so, dass die bereits gezahlten Beträge, die abhängig vom Baufortschritt sind, nicht zurückerstattet werden können. Dies liegt daran, dass die Insolvenzmasse häufig erschöpft ist und alle Mittel aufgebraucht wurden. Zudem ist es aufgrund der erheblichen Preisanstiege unwahrscheinlich, dass der Insolvenzverwalter einfach den Bau fortsetzt.

Gerade bei größeren Projekten arbeiten Entwickler oft mit wenig Eigenkapital und viel Fremdkapital in Form von Bankkrediten, die inzwischen wesentlich teurer sind als bei der Planung. Dasselbe gilt für die Bau- und Materialkosten, die seit Corona und erst recht seit dem Krieg in der Ukraine sprunghaft gestiegen sind. „Diese Risiken und das allgemeine Fertigstellungsrisiko lassen sich in Deutschland nicht ausreichend absichern“, so Baurechtsanwalt Beyer. „Eine Möglichkeit wäre eine Fertigstellungsbürgschaft einer Bank. Aber da macht keine mit.“ Es sind also nicht nur potenzielle Käufer verunsichert. Alle Akteure auf dem Immobilienmarkt scheuen aktuell jede Art von Risiko. Es scheint, die letzten guten Jahre haben sie vergessen lassen: ohne Risiko kein Gewinn.

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