Zuerst wurde die COVID-19-Pandemie für die Tourismusbranche spürbar. Schon bald danach kam es zu weitreichenden Betriebsverboten für den Einzelhandel, der damit – sieht man von lebensnotwendigen Gütern ab – für die nächste Zeit lahmgelegt ist. Kurz darauf kündigten Filialisten, allen voran Unternehmen wie Deichmann, Adidas oder Douglas an, ihre Mietzahlungen ab April einzustellen. Es ist damit zu rechnen, dass sich dieses Vorgehen bei bestimmten Mietern etabliert, doch wie reagiert man als Vermieter?
Sicherlich ließen sich die säumigen Unternehmen vor solchen Schritten juristisch beraten und auch deswegen lohnt sich ein Blick auf mögliche Argumente. Eine denkbare Begründung der Mietzahlungseinstellung oder Mietreduzierung wäre der „Wegfall der Geschäftsgrundlage“, oft verbunden mit Krisenzeiten wie der Inflation der 1920er-Jahre, Kriegsfolgen oder auch Naturkatastrophen. Fällt die Geschäftsgrundlage weg, sieht das BGB einen Anspruch auf Vertragsanpassung vor.
Eine vorstellbare Empfehlung könnte auch darauf abzielen, dass die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erst nach zweimaligem Ausbleiben der Miete in Betracht kommt. Außerdem dürfte ein Vermieter in diesen Zeiten mit fristlosen Kündigungen gegenüber wirtschaftsstarken Filialisten wie Deichmann, Adidas usw. sehr zögerlich umgehen. Vielleicht legte man gewerblichen Mietern auch nahe, dass sie berechtigt seien, die Miete wegen der wirtschaftlichen Beeinträchtigungen zu mindern
Mietzahlungspflicht besteht fort
Die Gesetzeslage hat sich nicht verändert und es gibt keinen Anlass, am unverminderten Fortbestand der Mietzahlungspflicht des Mieters zu zweifeln: Nach dem BGB entfällt oder mindert sich die Mietzahlungspflicht des Mieters, wenn er im Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt ist. Diese Gebrauchsbeeinträchtigung muss aber im Zusammenhang mit der baulichen Beschaffenheit der Mietsache stehen und das ist hier nicht der Fall: Ansteckungsrelevant sind allenfalls die Nutzer und nicht das Gebäude. Abgesehen davon trägt der Mieter von Gewerberaum das Risiko der Einträglichkeit seines Betriebs.
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Schwieriger wird es, wenn es durch die Pandemie zu Gebietsabsperrungen kommt. Dann ließe sich argumentieren, dass die Mietzahlungspflicht entfällt, weil man (physisch) nicht mehr zum Mietobjekt gelangt. Befindet sich das Gebäude aber in einem Quarantänegebiet, das großräumig abgesperrt ist, spricht juristisch einiges dafür, dass sich die Absperrung auf das abgesperrte Gebiet bezieht und damit das Gebäude selbst nicht im Gebrauch beeinträchtig ist. Dann könnte auch in solchen Fällen die Miete nicht reduziert werden. In der Praxis hat allerdings die Realität eine Frage nach Mietminderung bei Gebietsabsperrungen weitgehend überflüssig gemacht. In der Regel liegen Betriebsverbote zeitlich vor den Gebietsabsperrungen und diese führen definitiv nicht zu einem Recht der Mieter, die Miete zu reduzieren.
Auch wenn die Mieter zur Mietzahlung verpflichtet bleiben, greift es zu kurz, dem Vermieter zur Klageerhebung zu raten. Ein Anspruch auf volle Mietzahlung gegenüber einem Mieter, der nach Entstehung der Mietzahlung Insolvenz anmelden muss, nutzt ihm nämlich nichts. Gerät ein Mieter im Zusammenhang mit Covid-19 in Zahlungsschwierigkeiten, werden Forderungen, die vor Stellung des Insolvenzantrags entstanden sind, quotal zwischen den Gläubigern aufgeteilt. Der Vermieter muss in solchen Fällen mit einer Zahlungsquote im einstelligen prozentualen Bereich rechnen und die Miete ist weitgehend verloren.
Das Gesetz zur Abmilderung der Pandemie-Folgen und seine Folgen
Das vom Gesetzgeber am 27. März kurzfristig verabschiedete „ Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht “ bestätigt, dass der Mieter uneingeschränkt zur Mietzahlung verpflichtet bleibt. Allerdings kann der Vermieter ihm wegen Zahlungsrückständen für die Mieten für April, Mai und Juni 2020 nicht fristlos kündigen. Möglicherweise wird diese Regelung per Rechtsverordnung auch auf Zahlungsrückstände für Juli, August und September 2020 erweitert. Zunächst gilt sie bis zum 30. Juni 2022.
Erst ab dem 1. Juli 2022 darf der Vermieter wegen Zahlungsrückständen kündigen, die in der Zeit zwischen April bis Juni 2020 (oder verlängert bis zum 30. September 2022) aufgelaufen sind. Der Mieter muss dann glaubhaft machen, dass die Zahlungsverzögerung im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie steht. Das dürfte einem gewerblichen Mieter z.B. bei Betriebsverboten leichtfallen. Ein Wohnungsmieter könnte es über reale Gehaltseinbußen begründen, die er etwa durch Kurzarbeit oder Verlust des Arbeitsplatzes hinnehmen musste. Das Gesetz gilt ab dem 1. April 2020 und tritt am 30. September 2022 außer Kraft. Es gilt für alle Mietverträge, ganz gleich, ob Wohnraummietverträge oder gewerbliche Mietverträge.
Zweck des Gesetzes ist es, den Lebensmittelpunkt der Wohnraummieter und die Existenzgrundlage gewerblicher Mieter abzusichern. Der Vermieter kann sämtliche Mietzahlungen sofort nach Fälligkeit einklagen – unter Geltendmachung von Verzugszinsen. Er kann nur nicht kündigen und ist insoweit zum „Stillhalten“ verpflichtet. Es ist aber weiterhin möglich, einem Mieter zu kündigen, der sich schon mit mehr als zwei Mieten aus der Zeit vor April 2020 in Verzug befunden hat.
Bleibt die Frage nach dem Warum und diese lässt sich gar nicht ohne Weiteres beantworten. Möglicherweise spielte der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ eine Rolle dabei, als den Vermietern das Risiko, auf die Mieten warten zu müssen, für einen bestimmten Zeitraum auferlegt wurde. Das geschah möglicherweise in der Annahme, dass der Eigentümer einer Immobilie wirtschaftlich potenter als ein Wohnraummieter oder ein Einzelkaufmann sei. Das mag auf den ersten Blick ausgewogen erscheinen, weil in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt wird, dass der Vermieter den Anspruch auf Mietzahlung behält und sich die Miete nicht reduziert.
Vermutlich hat der Gesetzgeber aber nicht damit gerechnet, in welcher Breite sich die Mieter– allen voran rechtlich beratene, wirtschaftlich starke Filialisten – darin bestärkt sehen, Mietzahlungen vorerst einzustellen. Sie zahlen die Miete nicht und kein Vermieter darf deshalb kündigen. Der Klageweg steht ihm natürlich offen, er muss aber mit den Kosten in Vorlage treten. Es kann Monate oder Jahre dauern, bis er aus einem Urteil vollstrecken kann. In der Praxis werden viele Vermieter einfach nur darauf hoffen, dass sie ihre Mieter nach Ende der Krise nicht verlieren. Hilfspakete für Vermieter, die dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
Welche Möglichkeiten hat der Vermieter?
Man kann den Vermietern nur raten, sich mit den Mietern in Verbindung zu setzen, um zu klären, ob der Zahlungsrückstand überhaupt durch die Covid-19 Pandemie bedingt ist. Das kann beispielsweise bei behördlichen Betriebsverboten, bei Verlust des Arbeitsplatzes oder Kurzarbeit der Fall sein. Eine denkbare Lösung wären dann beispielsweise Ratenzahlungsvereinbarungen, um sicherzustellen, dass die ausstehenden Mieten zeitnah und schon vor dem 30. Juni 2022 nachgezahlt werden.
Eine weitere Möglichkeit wäre es, eine vorübergehende Mietreduktion zu vereinbaren, wenn das für den Vermieter wirtschaftlich vertretbar ist. Das sollte aber unter den Vorbehalt gestellt werden, dass dann wenigstens die reduzierte Miete pünktlich gezahlt wird. Gerade Vermieter von Gewerberäumen sollten solche Vereinbarungen aber in jedem Fall schriftlich treffen.
Ob der Gesetzgeber Abhilfe für die aktuell einseitig belasteten Vermieter schaffen wird, bleibt dagegen weiter abzuwarten.
Dr. Bettina Wirmer-Donos ist Miet- und Immobilienrechtsexpertin im Frankfurter Büro der Kanzlei FPS