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Kurzbeschreibung
Mehr Platz und mehr Grün verspricht in Frankfurt der nördliche Stadtrand. Doch alle Pläne der Stadt für mehr Wachstum und Zuzug stehen vor politisch unsicheren Zeiten
Die Hoffnung für alle, die in Frankfurt eine Wohnung suchen, ist zitronengelb und steht auf einem Acker am Rande des Niddatals. Der Bagger der Firma Erdmännchen, der auf dem Hilgenfeld Gräben für Versorgungsleitungen aushebt, ist ein Vorbote für das, was hier bald entstehen soll: rund 850 neue Häuser und Wohnungen zwischen den Stadtteilen Frankfurter Berg und Bonames.
Es ist tatsächlich einer der wenigen Hoffnungsschimmer für viele junge Familien und die steigende Zahl an Beschäftigten. Um mehr als 100.000 Einwohner ist die Stadt in den vergangenen 25 Jahren gewachsen, und der Trend setzt sich nach allen Prognosen fort. Die fünftgrößte Stadt Deutschlands ist überlaufen, Wohnraum ist knapp, Immobilienpreise und Mieten steigen unaufhaltsam. Nur München ist noch teurer.
Immobilien- und Mietpreise in Frankfurt am Main
Karte
Der Immobilienmarkt in Frankfurt am Main
Platz zum Wachsen hat die Mainmetropole nur im „hohen Norden“, aktuell sind zahlreiche Neubaugebiete in Planung und in der Umsetzung (siehe Karte). Nördlich der Autobahn A661 und der S-Bahn-Strecke nach Friedberg kann das gebaut werden, was sich immer mehr Menschen wünschen: eine Wohnung mit ein bisschen Garten oder wenigstens mit einem großen Balkon.
„Es gibt eine steigende Nachfrage nach Immobilien außerhalb der Innenstadt“, berichtet Daniel Ritter, Geschäftsführender Gesellschafter bei von Poll Immobilien. „Wir beobachten bei Ein- und Zweifamilienhäusern den höchsten Preisanstieg.“ Für diesen Trend gebe es zwei wesentliche Gründe: Beliebte Wohnlagen in der Innenstadt sind ausverkauft, viele können sich hier lange schon kein Eigentum mehr leisten.
Und zum anderen hat die Corona-Pandemie den Wunsch nach mehr Platz zum Wohnen und Arbeiten und nach mehr Grün verstärkt. Die Preise sind in Frankfurt zuletzt dort am stärksten gestiegen, wo es viele Ein- und Zweifamilienhäuser gibt. Während sich Häuser aus dem Bestand 2020 im Schnitt um 4,7 Prozent verteuerten, lag der Anstieg in Kalbach-Riedberg bei 12,2 Prozent, in Nieder-Erlenbach bei 8,1 Prozent. Um den gleichen Wert ging es für Neubauten in Harheim nach oben. Wachsender Beliebtheit erfreuen sich zudem Häuser im Süden, in Schwanheim etwa ging es 11,9 Prozent nach oben.
Stadtteile rund um die Innenstadt und die beliebten Gründerzeitviertel haben sich an die Spitze des Preisanstiegs geschoben - ein Trend, der sich schon in den Vorjahren abzeichnete. Denn die Frankfurter Innenstadt einschließlich Bockenheim, Westend, Nord end, Bornheim und Sachsenhausen ist relativ klein. Baulücken sind längt geschlossen, Hinterhöfe bebaut und viele Mehrfamilienhäuser aufgestockt. Und bei Kaufpreisen von durchschnittlich 7 200 Euro pro Quadratmeter im westlichen Nord end oder 5 800 Euro in Bornheim (jeweils im Bestand) können viele eben nicht mehr mithalten.
Ausweichen an den Rand
„Die Corona-Pandemie hat vielen die Entscheidung leichter gemacht, ein Stück raus in Richtung Land zu ziehen,“ sagt David Schmitt, Frankfurt Chef bei Engel & Völkers. Die Mischung aus Ausweichreaktion und Corona-Pandemie treibt die Preise am Stadtrand hoch. Der Effekt ragt weit in die gesamte Region hinein von Wiesbaden bis Aschaffenburg (zum Umland lesen Sie Seite 102).
Wie stark die Nachfrage nach Wohnungen ist, zeigt sich an Schmitts Internetaktivitäten: Die sind nämlich rar. Nur selten stellt er eine Wohnung oder ein Haus auf ein Immobilienportal. „Was wir reinbekommen, wird fast immer auch so fort verkauft“, erzählt er. „Der Markt in Frankfurt ist leerer gefegt denn je, und die Nachfrage ist hoch, da treffen zwei Spitzen aufeinander.“
Das zeigt sich am quasiungebremsten Anstieg der Kaufpreise und Mieten. 2020 schossen die Preise für Bestandswohnungen im gesamten Stadtgebiet um 10,7 Prozent hoch. Bei Neubauten betrug das Plus zwar nur 4,2 Prozent, aber hier liegt das Niveau mit durchschnittlich 7 500 Euro je Quadratmeter ohnehin schon so hoch, dass die Luft nach oben dünn wird. Bestandsimmobilien haben zur Freude der Verkäufer und zum Kummer der Käufer noch mehr Steigerungspotenzial. Sie waren 2020 für durchschnittlich 4 300 Euro pro Quadratmeter zu haben – möglicher Sanierungsbedarf noch nicht eingeschlossen. Auch Mieter mussten deutlich tiefer in die Tasche greifen, bei Neubauten stiegen die Mieten um 11,8 Prozent, im Schnitt wurden 19,90 Euro pro Quadratmeter aufgerufen.
Keine Trendumkehr in Sicht
Schmitt rechnet nicht mit einer Um- kehr des Trends. „Es gibt in Frankfurt keinen Mangel an Geld, gut Verdienenden und Banken, die gut verdienende Menschen günstig finanzieren“, sagt er. „Die Preise bleiben entweder auf höchstem Niveau stabil oder werden sogar leicht weiter steigen.“
Der Auftrieb könnte sich sogar aus politischen Gründen noch beschleunigen. Um das zu verstehen, genügt ein Spaziergang entlang der Friedberger Landstraße in Höhe des Hauptfriedhofs. Hinter dem alternativ geprägten, aber inzwischen ebenso teuren Nordend findet sich hier eine Mischung aus Gebrauchtwagenhändlern, Kleingärten und wilder Natur. Erst 2015 ließ das Land Hessen endgültig den Plan für eine Stadtautobahn fallen. Daraufhin wollte die Stadt unter dem Namen „Innovationsquartier“ innerstädtischen Wohnraum schaffen. Inzwischen firmiert das Projekt, für das der Bebauungsplan bis zu 1 500 Wohnungen vorsieht, unter „Günthersburghöfe“ – wird jedoch möglicherweise nie gebaut.
Ob es dazu kommt, dürfte sich erst im Verlauf des Jahres 2021 anhand der Koalition zeigen, die sich nach der Kommunalwahl am 14. März im „Römer“, dem Frankfurter Rathaus, bildet. Stärkste Fraktion ist Bündnis 90/Grüne, die rund ein Viertel der Stimmen erzielte und an der vorbei keine Stadtregierung gebildet werden dürfte. Die Parteimitglieder stemmen sich gegen die Pläne für die „Günthersburghöfe“. In den Wahlkampf zog die Partei mit der Vorstellung eines weitgehenden Versiegelungsverbots für Neubauten und viel höheren Quoten für sozial geförderte Wohnungen. Ein Versiegelungsverbot würde nach Ansicht vieler Immobilien-Experten den Neubau weitestgehend zum Erliegen bringen.
Sollte das Projekt platzen, so wäre Frankfurt nach Berlin die zwei- te deutsche Großstadt mit massiven politischen Eingriffen in den Wohnungsmarkt. Weil Frankfurt kein Bundesland ist, wären die Instrumente andere, die politisch bedingte Verknappung von Wohnraum eine ähnliche Folge wie in der Hauptstadt.
Auch Projekte wie das 16 Hektar große Neubaugebiet Hilgenfeld oder Am Eschbachtal bei Bonames oder die Pläne für den „Stadtteil der Quartiere“ zwischen Nordweststadt und der Autobahn A5 – umgangssprachlich „Josefsstadt“ genannt nach Planungsdezernent Mike Josef (SPD) – wären dann kaum noch vorstellbar. In dem Viertel könnten der Stadtverwaltung zufolge bis zu 12.000 jener bis 2030 fehlenden 30.000 Wohnungen in Frankfurt entstehen. Diese Lücke schließen sollte zudem die Nachverdichtung der in den 1950er- bis 1970er-Jahre entstandenen Siedlungen nördlich der Innenstadt. Zu diesem „Mittleren Norden“ zählen Ginnheim, Dornbusch, Eckenheim und Preungesheim. Die Stadtteile sind Teil des „zweiten Gürtels“, der sich von Praunheim im Westen bis Seckbach und Bergen-Enkheim im Osten zieht. „Es kommt hier zur Gentrifizierung, aber nicht so schnell wie einst im Nordend“, sagt Schmitt.
Der Preisanstieg wird aber auch bei hoher Bauaktivität anhalten, sind sich die Makler einig. „Der Nachfrage-Überhang bleibt, nur das Anforderungsprofil der Käufer und Mieter ändert sich“, sagt Ritter. Und auch wenn kaum jemand komplett aufs Land ziehen will, so richtet sich der Blick doch auf Rhön und Vogelsberg. „Die Frankfurter suchen Wochenendhäuser, in denen sie ein oder zwei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten können“, berichtet Schmitt. Kürzlich habe er ein Haus im Vogelsbergkreis im Angebot gehabt. „Das hätte ich mehrfach verkaufen können.“ Aber mehr Platz in der Stadt entsteht so freilich nicht.
Von Stefan Schaaf
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