Die Krise um die insolvente Silicon Valley Bank könnte das Ende des aktuellen Zinserhöhungszyklus einläuten. „Ich glaube, die Leute bringen die Probleme der Silicon Valley Bank mit den bereits erfolgten Zinserhöhungen in Verbindung“, sagte ING-Volkswirt Rob Carnell der Nachrichtenagentur Reuters.
Diese Einschätzung zeigt sich auch an den Terminmärkten: Während der Markt für Zinsfutures vergangene Woche noch sicher von einer US-Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte auf eine Spanne von dann 5,0 bis 5,25 Prozent ausgegangen war, rechnet er nun nur noch mit einer Zinserhöhung um 25 Basispunkte – und auch das nur mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit. Dass die Fed gar nichts tut, wird inzwischen mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent eingepreist.
„Wenn das SVB-Problem jetzt unter Kontrolle ist und die Inflation in dieser Woche nicht unerwartet zurückgeht, könnte die Fed die Zinsen auf ihrer Sitzung am 21. und 22. März um 50 Basispunkte erhöhen“, sagte Stephen Dover, Leiter des Franklin Templeton Institute. „Bleibt die Situation jedoch unbeständig und unsicher, wird die Fed in einen Zwiespalt geraten und möglicherweise gezwungen sein, die Zinsen auf der kommenden Sitzung weniger stark anzuheben (25 Basispunkte) oder sogar auf eine Anhebung zu verzichten.“
Deutlich gesunken sind auch die Erwartungen für den maximalen Zinssatz im aktuellen Zinserhöhungszyklus (Terminal Rate). Vergangenen Mittwoch lag dieser Wert noch bei 5,7 Prozent. Zu Beginn dieser Woche ist er auf 5,1 Prozent gefallen, was in etwa der 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit von 25 Basispunkten Zinserhöhung entspricht. Diese Anhebung könnte diesen Monat oder auch in den kommenden Monaten passieren.
Zu den Banken, die gar keine Zinserhöhung der Federal Reserve am 22. März erwarten, gehört Goldman Sachs. Sie zog am Wochenende ihre Erwartung einer Anhebung um 25 Basispunkte zurück und rechnet nun mit unveränderten Leitzinsen. Zugleich warnten die Volkswirte der Bank im Hinblick auf weitere Zinserhöhungen vor „erheblicher Unsicherheit über den Weg nach März“.
EZB-Sitzung: Neben Inflation geht's jetzt auch noch um Finanzstabilität
Diese Erwartungen spiegeln sich in einem deutlichen Renditerückgang bei kurzlaufenden US-Staatsanleihen wider. Die Rendite für zweijährige US-Staatsanleihen, typischerweise ein guter Indikator für die Leitzinserwartungen, fiel seit Mittwoch vergangener Woche um rund 80 Basispunkte auf 4,3 Prozent. Auch bei der für die Eurozone richtungsweisenden zweijährigen Bundesanleihe sind die Renditen deutlich gefallen auf 2,7 Prozent, das sind etwa 60 Basispunkte weniger als am Mittwoch.
Die Europäische Zentralbank (EZB) entscheidet bereits diesen Donnerstag über ihre Leitizinsen. Hier galt eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte auf 3,0 Prozent beim Einlagensatz als sicher. Seit dem Wochenende steht hinter dieser Erwartung ein dickes Fragezeichen, denn die EZB muss nicht mehr nur allein die Inflation, sondern auch die Finanzstabilität im Blick haben. Denn steigende Zinsen entziehen dem Finanzsystem Liquidität und machen es daher anfälliger für Krisensituationen.