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Zinsen „Die Fed legt die Saat für ein politisches Desaster“

Fed-Präsident Powell bei einer Ausschusssitzung im US-Senat
Fed-Präsident Powell: Hat er einen verhängnisvollen Fehler gemacht?
© USA TODAY Network / IMAGO
An den Kapitalmärkten gilt Albert Edwards als ewiger Mahner. Nun warnt der Analyst der Société Générale vor einem Politik-Fehler der Federal Reserve, der die Wirtschaft in die Deflation stürzen könnte

Für die weniger Freundlichen ist Albert Edwards schlicht der größte Miesepeter an den Kapitalmärkten. Die Freundlichen und Respektvollen nennen den Analysten der Société Générale schlicht „Perma-Bär“, nach den „Bären“ an der Börse, die für fallende Kurse und Skepsis stehen. Auf jeden Fall ist Edwards ein notorischer Mahner, der stets die Konsens-Meinung an den Kapitalmärkten herausfordert. Nun warnt er vor einem massiven Politik-Fehler der US-Notenbank Federal Reserve. „Ich glaube, dass die Fed die Saat für ein weiteres politisches Desaster gelegt hat“, schreibt Edwards in seinem wöchentlichen Strategie-Ausblick. Der Name des möglichen Desasters: Deflation

Der Konsens der Kapitalmärkte ist derzeit im Hinblick auf die US-Zinsen „Higher for longer“, also längere Zeit hohe US-Leitzinsen. Damit ist der Marktkonsens wieder dort angelangt, wo er im Spätsommer vergangenen Jahres war. Zwischenzeitlich hatten die Märkte auf aggressive Zinssenkungen gewettet, während nun einzelne Stimmen angesichts zäher Inflation sogar über weiter steigende Zinsen diskutieren. (Welche Auswirkungen eine längerfristig höhere Inflation und damit ein hohes Zinsniveau hätten, beleuchtet die neue Ausgabe von Capital.)

„Glaubwürdigkeit verspielt“

Diese Sichtweise zieht Edwards nun in Zweifel. Er argumentiert, die Fed versuche unter allen Umständen ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen, nachdem sie den Inflationsschub der vergangenen Jahre als „transitorisch“ dargestellt und zu spät auf die steigenden Preise reagiert habe. Sie wolle als hartnäckig wahrgenommen werden und die Kern CPI-Inflation auf zwei Prozent drücken, obwohl ihr offizielles Ziel die PCE-Inflation und nicht Core-CPI sei. PCE steht für Personal Consumption Expenditure, also die persönlichen Konsumausgaben, vergleichbar dem harmonisierten Verbraucherpreiseindex der EZB. Core-hingegen steht für den Kern der Inflation, aus dem typischerweise die schwankungsanfälligen Kosten für Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden.

Edwards zufolge ist die PCE-Inflation Ende vergangenen Jahres unter zwei Prozent gefallen, allerdings nur wenn man die Mietkosten nicht mitrechnet. (Die EZB berücksichtigt die Entwicklung von Wohnkosten bislang nicht.) „Sowohl die Kerninflation bei Waren als auch die Kerninflation bei Dienstleistungen verlangsamte sich zügig. Die Siegesparade der Fed wurde dann jedoch durchkreuzt, als die Kerninflation bei den Dienstleistungen wieder zu steigen begann“, erklärt er. Zugleich habe die straffe Geldpolitik aber die Inflation der Güterpreise beendet.

„Nach eigenem Eingeständnis hat der Anstieg der Kerninflation die Fed gezwungen, die Zinssätze länger hoch zu halten“, so Edwards. „Doch ihre Politik des knappen Geldes hat die Kerninflation bei Gütern gerade in den tiefsten Deflationsbereich seit über 20 Jahren getrieben.“ Zugleich sei die Kerninflation bei Dienstleistungen durch Faktoren in die Höhe getrieben worden, die nahezu vollständig unabhängig von den Zinsen sei. Dies gelte beispielsweise für die Kosten der Kfz-Versicherung, die weitaus stärker als die Kosten für Autoreparaturen gestiegen seien. Hier deutet der Analyst also an, dass die Marktmacht der Versicherer als Inflationstreiber wirken könnte.

„Higher for longer ist verrückt“

„Meiner Meinung nach ist Higher for Longer schon allein deshalb verrückt, weil sie die Wareninflation jetzt in eine tiefe Deflation treibt, um die höhere Dienstleistungsinflation auszugleichen“, schreibt Edwards. „Dies entspricht dem katastrophalen politischen Fehler der Zentralbanken, die ihre Geldpolitik 25 Jahre lang vor der Pandemie in dem vergeblichen Versuch, die Inflation wieder auf das Zwei Prozent-Ziel zu treiben, sehr locker gehalten haben.“

Deflation wird von einzelnen Wirtschaftssubjekten oft begrüßt, weil die Kaufkraft ihres Einkommens oder Vermögens steigt. Allerdings bringt ein fallendes Preisniveau eine Gesamtwirtschaft schnell zum Stillstand, weil viele Menschen eine abwartende Haltung einnehmen und auf noch tiefere Preise hoffen. Außerdem steigen Schulden real an, wodurch Investitionen gebremst werdeb. Hinzu kommt, dass das sinkende Preisniveau sich nicht von allein einstellt, sondern in der Regel über steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne erkauft wird. 

Ein wenig Entwarnung gibt Edwards zwar am Ende, weil die preistreibenden Komponenten in der Dienstleistungs-Inflation wie Transport und Wohnen im gesamten PCE-Index eine geringe Rolle spiel. Er schiebt aber ein Aber nach: „Die schlechte Nachricht ist, dass die Fed immer noch zu glauben scheint, dass sie Dinge kontrollieren kann, die sie nicht kontrollieren kann, und bei dem Versuch, diese imaginäre Kontrolle auszuüben, treibt sie die Warenpreise in ein noch nie dagewesenes deflationäres Gebiet. Verrückt.“

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