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Commerzbank-Aufsichtsrat Weidmann kann die Coba wieder staatlich unabhängig machen

Jens Weidmann
Jens Weidmann soll bei der Commerzbank neuer Aufsichtsratsvorsitzender werden
© picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Jens Weidmann hat den Einstieg des Bundes bei der Commerzbank 2008 maßgeblich konstruiert. Als ihr künftiger Aufsichtsratschef kann er seine Aufgabe nun zu Ende bringen und die Bank wieder staatlich unabhängig machen

Der Abgrund war nah und unvorstellbar tief in jenen Tagen im September 2008. Die US-Investmentbank Lehman Brothers war zusammengebrochen, in Deutschland strauchelte die Münchener Bank Hypo Real Estate und in internen Chats schickten sich Banker Links zum REM-Song „It’s the end of the world“ herum. Mitten im Sturm stand die Commerzbank.

Sie hatte wenige Wochen vorher die größere Dresdner Bank aus dem Besitz der Allianz gekauft. Doch die Ambitionen von Commerzbank-Chef Martin Blessing scheiterten: Statt einen zweiten nationalen Champion neben der Deutschen Bank zu schaffen, hatten die „Gelben“ nun ein hochtoxisches Kreditportfolio der „Grünen“ am Hals.

Es drohte der Zusammenbruch der für Finanzierung des deutschen Mittelstandes so wichtigen Commerzbank. Der Bund pumpt Milliarden in die Frankfurter Großbank, am 8. Januar 2009 erfolgt die Teilverstaatlichung, der Staat erhielt 25,1 Prozent der Stimmrechte und damit eine Sperrminorität. Nach verschiedenen Kapitalerhöhungen beträgt der Bundes-Anteil derzeit noch immer 15,6 Prozent.

Als einer der Architekten der staatlichen Rettung der Commerzbank gilt Jens Weidmann, in jenen turbulenten Tagen der globalen Finanzkrise als Leiter der Abteilung IV (Wirtschafts- und Finanzpolitik) im Kanzleramt der wirtschaftspolitische Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Das sollte er nicht mehr lange bleiben, denn zwei Jahre später schmiss Bundesbank-Präsident Axel Weber seinen Job hin und begründete dies mit der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Merkel brauchte einen Nachfolger und Weidmann rückte an die Spitze der Bundesbank auf. Vor einem Jahr erklärte er dann seinen Rücktritt aus „persönlichen Gründen“, wobei gemunkelt wurde, er sei unzufrieden mit der laxen Geldpolitik im EZB-Turm.

Die Kritik an der Euro-Notenbank und der vorzeitige Abtritt ist jedoch nicht das einzige, was Weidmann mit seinem Vorgänger Weber verbindet. Beide zog es nach ihrer Zeit als Notenbanker zu einer Karriere bei einer privatwirtschaftlichen Großbank. Weber sanierte von 2012 bis 2022 als Verwaltungsratspräsident die Schweizer Großbank UBS.

240.000 Euro für Weidmann

Und Weidmann wird Aufsichtsratschef der Commerzbank, wie am Wochenende bekannt wurde. Bei der Hauptversammlung des Instituts am 31. Mai 2023 soll er für die Kapitalseite in den Aufsichtsrat einziehen und – wenn er gewählt wird – den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen, wofür es im Jahr 240.000 Euro gibt.

Die Wahl gilt als gesetzt, solange sich keiner der Großaktionäre der Bank dagegenstellt. Dies sind laut Refinitiv-Daten neben dem Bund der Vermögensverwalter Blackrock über verschiedene Tochterunternehmen mit rund zwölf Prozent sowie mit jeweils rund drei Prozent der norwegische Staatsfonds, der Finanzinvestor Cerberus und die Fondsgesellschaft Wellington. Den Anteil der überwiegend in Deutschland ansässigen Privataktionäre bezifferte die Bank selbst mit Stand Juli 2022 auf rund 22 Prozent.

Beteiligung vom Bund zurückkaufen

Während Blackrock zuletzt seinen Anteil an der Commerzbank deutlich erhöht hatte, steht die Bundesbeteiligung schon seit Jahren in der Diskussion. Weidmann hätte als Aufsichtsvorsitzender also die Gelegenheit, den Job zu Ende zu bringen, den er im Herbst des Jahres 2008 begonnen hat.

Die Chancen stehen dafür nicht schlecht, anders als Weber bei der UBS muss er nicht als Sanierer antreten. Die Commerzbank profitiert wie kaum eine andere Bank in Deutschland von den gestiegenen Zinsen und hat sich operativ in den vergangenen Monaten stabilisiert. In den ersten neun Monaten des Jahres hat das Institut netto bereits 963 Millionen Euro verdient und damit ihr Ziel von einer Mrd. Euro im laufenden Jahr fast erreicht. Bislang spricht wenig dagegen, dass dies im Schlussquartal nicht gelingen oder das Ziel sogar übertroffen werden sollte. Selbst die – politisch bedingten – Belastungen im Polen-Geschäft hat die Bank zuletzt recht gut weggesteckt und steht mit einer „harten“ Kapitalquote von 13,8 Prozent robust da.

Die operativen Erfolge goutiert derzeit auch die Börse. Die Commerzbank-Aktie hat im laufenden Jahr 22 Prozent an Wert gewonnen. Hingegen hat der MDax, in dem die Aktie seit ihrem Dax-Abstieg im September 2018 enthalten ist, dieses Jahr bisher mehr als ein Viertel an Wert eingebüßt. Die eigenen Kursgewinne plus die Verluste der Konkurrenz haben das Gewicht der Commerzbank-Aktie im Nebenwerte-Index deutlich wachsen lassen. Es beträgt aktuell rund sechs Prozent, zu Jahresbeginn waren es laut Daten des ETF-Anbieters iShares erst 3,6 Prozent.

Wiederaufstieg in den Dax möglich

In der Rangliste der Deutschen Börse mit Stand 31. Oktober war die Commerzbank größter MDax-Wert vor Delivery Hero. Das Berliner Unternehmen hat derzeit allerdings kaum Chancen auf einen Wiederaufstieg in die erste Liga, weil es dafür ein wichtiges Kriterium nicht erfüllt, nachhaltig rentabel zu sein.

Für Commerzbank-Chef Manfred Knof wäre die Rückkehr in den Dax sicherlich ein riesiger Erfolg und eine Genugtuung angesichts des jahreslangen Abgesangs auf sein Kreditinstitut. Wenn in der Zwischenzeit nichts anbrennt, wird Jens Weidmann also in einer Situation relativer Stärke Chefaufseher der Commerzbank. Läuft das operative Geschäft weiterhin rund, kann er sich auf strategische Fragen konzentrieren. Da steht an erster Stelle die Beteiligung des Bundes, die dieser gern loswerden, damit aber keine hohen Verluste erzielen möchte. Die Kernfrage ist: Wer übernimmt die Aktien des Bundes zu welchem Preis und mit welchem Ziel?

Bei einem Staatsausstieg ist zum einen eine breite Platzierung am Markt und bei zahlreichen Großinvestoren möglich. Ebenso denkbar ist aber der Verkauf als Paket an einen strategischen Investor. Diese sollte dann aber auch eine Vorstellung haben, wie er die Commerzbank weiterentwickeln möchte. Nur wegen der Aussicht, dass die Bank wieder Dividenden zahlt, wird niemand das Paket des Bundes kaufen.

Gute Drähte

Hier geht es vielmehr um die grundsätzliche Orientierung der Bank. Soll sie sich auf ihre Rolle als Finanzierer des deutschen Mittelstandes konzentrieren und damit Abschied von der lange Zeit gehegten Wunschvorstellung nehmen, auf Augenhöhe mit europäischen Großbanken wie Deutsche Bank, BNP Paribas oder UniCredit zu spielen. Die Aktivitäten der Bank und ihrem CEO Knof sprechen eher für eine Form der Bescheidenheit und das Annehmen der neuen Rolle.

Denkbar ist auch, dass die Commerzbank durch Übernahmen wächst, schließlich könnten auf dem Heimatmarkt eines Tages die Hamburg Commercial Bank (ex HSH Nordbank) oder die Oldenburger Landesbank aus dem Besitz von Finanzinvestoren zum Verkauf stehen.

Oder aber die Commerzbank wird Teil eines größeren und europäischen Fusionsrades, sei es als Junior-Partner oder auf Augenhöhe. Solange die Banken- und Kapitalmarkt-Union der EU noch unvollständig ist, steht dies wohl kaum auf der Tagesordnung. Wäre dieses Projekt aber abgeschlossen, würden die Karten im europäischen Bankenmarkt neu gemischt.

Grenzüberschreitende Bankenfusionen werden jedoch ohne politische Unterstützung kaum umsetzbar sein. Und wenn die Commerzbank Teil des Ganzen ist, wird es hilfreich sein, einen Aufsichtsratsvorsitzenden mit guten Drähten nach Berlin, Paris, Brüssel und zur EZB zu haben. Um die Bank in solchen strategischen Fragen zu führen, muss man auch nicht gelernter Bankkaufmann sein. Entsprechende Kritik an Weidmanns Berufung geht somit an seiner Aufgabe vorbei.

Allerdings sollte er sich mahnende Worte seines Vorgängers Axel Weber zu eigen machen. Er habe sich, so Weber kürzlich während eines Pressegesprächs in Frankfurt, mit der UBS bewusst für eine Aufgabe außerhalb Deutschlands und sogar der Eurozone entschieden, weil er als Bundesbank-Präsident auch in die Bankenaufsicht eingebunden gewesen sei.

Weidmann könnte es da einfacher haben, denn anders als zu Webers Zeit obliegt die Aufsicht über die Commerzbank der europäischen Bankenaufsicht. Und die ist bei der EZB angesiedelt. Dennoch wird Weidmann neben der Bewältigung der strategischen Herausforderungen der Commerzbank daran gemessen werden, wie klar er sich von seiner „alten“ Welt der Notenbanken abzugrenzen weiß.

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