Die italienische Großbank Unicredit will ihren Einfluss auf die Commerzbank noch weiter ausbauen. Bis Ende September sollen die Anteile an der deutschen Mittelstandsbank von derzeit gut 19 Prozent auf 29 Prozent steigen. Das hat Unicredit-Chef Andrea Orcel bei der Pressekonferenz anlässlich der Halbjahreszahlen klargemacht.
Dazu wird die Unicredit Derivate, die sie seit Dezember vergangenen Jahres hält, in Aktien umwandeln. Sollten sich die Italiener diese Aktienoptionen zu einem günstigeren Preis als den aktuellen 29 Euro pro Commerzbank-Aktie gesichert haben, ist alleine das schon ein gutes Geschäft. Im kommenden Jahr dann sollen Gewinne und Eigenkapital anteilig in der Unicredit-Bilanz verbucht werden. Eine 20-prozentige Rendite auf den Einstiegspreis verspricht Orcel den Unicredit-Eignern, dieser Kniff soll die Bilanz der Unicredit um 600 Mio. Euro verbessern.
„Damit wandeln wir die Commerzbank-Anteile in etwas um, das wir langfristig halten werden“, sagte Orcel. „Wir bleiben Investoren, etwas anderes war und ist nicht auf dem Tisch.“ Zu einer strategischen Übernahme der Commerzbank bekannte er sich damit zwar nicht. Aber sie gibt ihm und der Unicredit deutlich mehr Mitbestimmungsmacht.

Was sagt das Foto über die Männerdominanz in der Wirtschaft, Frau Orlopp?
Unicredit hat Sperrminorität bei Commerzbank
Ab einem Aktienpaket von mehr als 25 Prozent verfügt ein Eigentümer über eine Sperrminorität. Das träfe ab Herbst auf die Unicredit zu, wenn sie dann 29 Prozent der Anteile an der Commerzbank hält. Damit können die Italiener Hauptversammlungsbeschlüsse, etwa zu Kapitalerhöhungen oder Vorstandspersonalien, blockieren. Die Unicredit dürfte künftig im Aufsichtsrat vertreten sein und somit auch die Strategie maßgeblich und in ihrem Sinne beeinflussen. Vor allem aber kann die Unicredit verhindern, dass sich ein Konkurrent aus dem europäischen Ausland die Commerzbank unter den Nagel reißt. Wer die Commerzbank jetzt kaufen will, kommt an Andrea Orcel nicht mehr vorbei.
Die Bundesregierung, die noch rund zwölf Prozent der Anteile hält, verliert damit weiter Einfluss. Dass sie das verbliebene Aktienpaket verkaufen will, ist kein Geheimnis. Doch ein anderer Käufer, etwa der früher ebenfalls an einer Coba-Übernahme interessierte französische Wettbewerber BNP Paribas, wäre der Bundesregierung lieber. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (FDP) hatten das bereits deutlich gemacht: „Wir lehnen das unabgestimmte und unfreundliche Vorgehen der Unicredit ab“, so Klingbeil Anfang Juli. „Wir erwarten, dass Unicredit den Übernahmeversuch aufgibt.“
Commerzbank-Aktie gilt als teuer
Der Widerstand zieht sich durch: Gewerkschaften, Mittelstandsverbände, das Vorstandsteam um Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp und die Mitarbeiter der Bank protestieren gegen die Übernahme. „Aufgrund des heftigen Widerstandes gehen wir nicht davon aus, dass Unicredit kurzfristig ein Übernahmeangebot machen wird“, schreibt Philipp Häßler, auf Banken spezialisierter Analyst der DZ-Bank in seiner jüngsten Studie.
Feindliche Übernahmen in dieser Größenordnung sind schwer – und können sich bei mangelnder Kooperation von Management und Mitarbeitern zu einem Desaster für den Käufer entwickeln. Ein Risiko, dass der auf Effizienz und Profit ausgerichtete Orcel, der bei der heutigen Pressekonferenz trotz des schwierigen Umfelds erneut Rekordergebnisse präsentierte, wohl eher nicht eingehen dürfte. Hinzu kommt, dass eine Übernahme beim aktuellen Verhältnis von Preis zu Buchwert von derzeit 0,97 nicht mehr sonderlich attraktiv erscheint. Ab einem Wert von 1 gilt eine Aktie als teuer.
Orcel könnte auf Annäherung setzen
Doch Orcel prescht ohnehin nicht vor, auch wenn die Commerzbank-Übernahme nach dem Rückzieher des 14,6 Mrd. schweren Übernahmeangebots für die heimische Banco BPM in den Fokus gerückt war. Er scheint auf eine völlig neue Strategie zu setzen: Annäherung.
„Ihr Erfolg ist unserer geworden.“ So freundlich wie bei der heutigen Pressekonferenz hat sich Orcel wohl noch nie über die Commerzbank geäußert. Bisher lautete seine Devise eher: Zweifel am jüngsten Geschäftserfolg der Coba säen, sicherlich auch, um das Feuerwerk der Commerzbank-Aktie an der Börse zu dämpfen, seit Jahresanfang hat der Kurs um knapp 86 Prozent zugelegt. Doch die Strategie hat bislang nicht gezogen. Das Lob ist eher ein Hinweis darauf, dass der Italiener künftig auf Kooperation setzen könnte.