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Arbeit So nutzen Unternehmen Künstliche Intelligenz – drei Anwendungsfälle

In manchen Szenarien entfacht künstliche Intelligenz ein Jobwunder – in anderen droht Massenarbeitslosigkeit.
In manchen Szenarien entfacht künstliche Intelligenz ein Jobwunder – in anderen droht Massenarbeitslosigkeit.
© Camilo Huinca
Künstliche Intelligenz verändert unseren Arbeitsalltag schon heute radikal. Ein Werber, die Commerzbank und der Frankfurter Flughafen zeigen, wie sie KI konkret einsetzen

Dass Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändern wird, ist eine Binse. In vielen Firmen ist die Transformation bereits in vollem Gange. Drei Branchengrößen berichten, wie sie Künstliche Intelligenz in ihrer Firma einsetzen.

Werbeagentur Glück

In diesem Frühjahr bekam Bastian Meneses von Arnim eine spannende Anfrage rein. Ein Touristikkonzern suchte eine Kampagne: diverse Reiseziele, Berge, Strand, Hotels, und das alles für etliche Märkte in der jeweiligen Sprache. Früher, sagt Meneses von Arnim, wäre das ein großer Auftrag für seine Werbeagentur Glück in Berlin gewesen. Wochenlange Konzeption und Castings von Orten, Models, Musik und Stimmen, die Drehs und dann noch die Nachbearbeitung der Spots. Jetzt stand im Briefing nur ein Satz: „Alles bitte mit KI.“ Zu einem niedrigen sechsstelligen Betrag, ein Bruchteil früherer Budgets.

Meneses von Arnim hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Werbebranche, er hat bekannte Kampagnen für Lidl, Schweppes und den Videospiele-Entwickler EA Sports verantwortet, auf der halben Welt gedreht und immer wieder neue Formate für neue Kanäle erfunden, für Facebook, Instagram, Linkedin. Die Werbewelt, die er kennt, befindet sich seit 30 Jahren im Umbruch – doch der größte Umbruch hat womöglich gerade erst begonnen: Kampagnen, die komplett am Rechner entstehen, die Filme, die Bilder, die Menschen, die Texte, die Sprache, Stimmen, alles digital generiert und in wenigen Sekunden anpassbar. Selbst die Models müssen nicht mehr fotografiert werden – die KI nutzt vorhandene Bilder und produziert daraus neue Motive und ganze Filmsequenzen.

Mehrere Hundert KI-Tools gibt es dafür inzwischen, Glück nutzt ein gutes Dutzend. Für Grafikerinnen, Texter und Artdirektoren ist das heute Alltag – auch wenn sie bei Glück immer noch klassisch starten: „Für die Konzeption setzen wir uns immer erst zusammen und besprechen das Ziel und den Markenkern“, sagt Meneses von Arnim, „aber danach gehört KI für jeden bei uns zum normalen Werkzeug.“

Commerzbank

Die Bankerin der Zukunft trägt ein blaues Kostüm, weiße Bluse, die braunen Haare sind zu einem Zopf zusammengebunden. Harmlos und unauffällig, so wie viele Bankkunden sich ihre Beraterin in einer Filiale vorstellen. Doch da sitzt sie nicht. Sie ist nur auf dem Smartphone zu sehen, ihre Stimme klingt etwas blechern: „Hallo, ich bin Ava. Haben Sie eine konkrete Frage?“

Ava ist eine KI und soll Commerzbank-Kunden künftig bei ihren Anliegen in der App zur Seite stehen. 90 Prozent der Anfragen und mehr als die Hälfte der Produktkäufe laufen bei der Bank aus Frankfurt bereits digital ab – und es sollen noch mehr werden. Die Commerzbank will endlich aufschließen zu den digitalen Banken und Neobrokern. Durch Automatisierung erwartet die Commerzbank eine Effizienzsteigerung von 15 Prozent. 300 Mio. Euro sollen in den nächsten drei Jahren auch mithilfe von KI eingespart werden.

Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp erhofft sich riesige Effizienzgewinne durch Künstliche Intelligenz.
Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp erhofft sich riesige Effizienzgewinne durch Künstliche Intelligenz.
© Hannelore Foerster / IMAGO

Aber das bedeutet auch Opfer: „Die Effizienzgewinne durch die Digitalisierung, aber auch die verstärkte Nutzung von internationalen Standorten werden mit einem weiteren Stellenabbau einhergehen“, kündigte Vorstandschefin Bettina Orlopp im Februar an. Insgesamt 3 900 Stellen fallen weg, allein 3 300 davon in der Frankfurter Zentrale. Mit einem vorgezogenen Altersteilzeitprogramm will die Bank die Streichungen sozial verträglich gestalten.

Doch die KI baut sich nicht von selbst. Deshalb werden an anderer Stelle Jobs aufgebaut, vor allem an Standorten wie Indien (und in der stark wachsenden polnischen Tochter mBank). Aber auch in Frankfurt kommen Jobs hinzu. Unter der Leitung des neuen Digitalchefs Oliver Dörler sollen künftig rund 200 Menschen an KI-Themen arbeiten. Unterm Strich bleibe die Anzahl der Vollzeitstellen konstant bei 36 700, heißt es.

Frankfurter Flughafen

Täglich starten und landen am Frankfurter Flughafen 1 200 Flugzeuge. Um die kümmert sich ein Heer von 1 100 Mitarbeitern in drei Schichten. Sie beladen und entladen, rollen die Passagiertreppe heran und tauschen das Wasser an Bord aus. Damit immer zur rechten Zeit ein Team am Flieger ist, weisen Disponenten die Arbeit zu. Das geschah bisher mit einer einfachen Magnettafel – auf der ersichtlich war, wer wann verfügbar ist.

Doch dieses System ist bei zunehmendem Flugverkehr nicht mehr tragfähig. „Es muss eine große Masse verwaltet werden, weshalb unsere Disponenten eine Belastungsgrenze erreicht haben“, sagt Johannes Bestgen vom Flughafenbetreiber Fraport. „Es ging nur noch darum, den Kontrollverlust zu vermeiden.“

Bei Fraport haben sie einen KI-Agenten entwickelt, der mit Daten über An- und Abflüge, Verspätungen und Mitarbeiter gefüttert wird und dann die Aufgaben zuweist. Im Grunde heißt das: Die KI trifft dann die Entscheidung über den genauen Arbeitsablauf. Aktuell wird getestet, wie sich das auf den operativen Betrieb auswirkt und ob man die Software schon alleine lassen kann.

Doch das Modell soll noch mehr leisten. Mit seiner Hilfe können Szenarien simuliert werden, um für besondere Fälle gewappnet zu sein: etwa einen Stromausfall, einen Sturm oder auch einfach nur für eine Situation, in der besonders viele Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen können.

Nach Angaben von Fraport geht es nicht darum, mit dem System Arbeitsplätze abzubauen. „Es gibt dazu eine ganz klare Vereinbarung mit unserem Konzernbetriebsrat, die getroffen wurde, als KI bei der Fraport größer wurde“, sagt Bestgen. „Wir wollen Belastung wegnehmen, wir wollen erreichen, dass die Disponenten Zeit für andere Aufgaben bekommen.“

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