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CEO Jonathan Thomas „Ein guter Zeitpunkt, um zu investieren“

Bulle und Bär vor der Frankfurter Wertpapierbörse
Bulle und Bär vor der Frankfurter Wertpapierbörse
© picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres
Die Fondsgesellschaft American Century Investments investiert in die medizinische Forschung. CEO Jonathan Thomas erklärt, warum trotz drohender Rezession jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um Geld in Aktien zu investieren

Die Fondsgesellschaft American Century Investments verwaltet 200 Mrd. Dollar und steckt einen Gutteil ihrer Gewinne in die medizinische Grundlagenforschung. Ihr CEO Jonathan Thomas erläutert im Interview mit Capital, warum in seinem Unternehmen Menschen arbeiten, „die die Welt verbessern wollen“, warum er eine Impflicht für das Büro durchsetzte – und wie es angesichts von hoher Inflation und drohender Rezession mit der Geldanlage weitergeht.

Capital: Sie haben als Unternehmen alle Mitarbeiter, die im Büro arbeiten, zu einer Impfung gegen Covid-19 verpflichtet. Wie kam es dazu, und wie sind Ihre Erfahrungen?
JONATHAN THOMAS: Von unseren Mitarbeitern waren rund 96 Prozent geimpft. Wir haben eine Technologie entwickelt, mit der sie einfach ihren Impfausweis hochladen können. Wir haben als eines der ersten Unternehmen so gehandelt. Ich glaube, das war eine gute Entscheidung, die Mitarbeiter haben sich dadurch sehr gut aufgehoben gefühlt. Weil das Corona-Virus mit jeder Variante weniger schwerwiegend wurde, haben wir im Mai die Impfpflicht wieder gelockert. Natürlich können die Menschen, wenn sie sollen, weiterhin Masken im Büro tragen.

Jonathan Thomas, CEO von American Century Investments
Jonathan Thomas, CEO von American Century Investments
© American Century Investments

Was ist Ihre Bilanz aus der Zeit des mobilen Arbeitens?
Jeder hat seine individuellen Gründe nicht ins Büro zu kommen. Ein Teil unserer Mitarbeiter ist noch immer vorsichtig, etwa weil sie immungeschwächte Familienmitglieder haben und Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Im Allgemeinen sehen wir: Es kommen die Leute ins Büro, die sich für Kreativität, Zusammenarbeit und eine gemeinsame Firmenkultur interessieren. Außerdem diejenigen, die sich auf ihre Karriere konzentrieren und deshalb stärker sichtbar sein wollen. Dann gibt es andere, die zwar keine gesundheitlichen Gründe haben, aber sich einfach darauf konzentrieren ihre Arbeit gut zu machen. Sie bleiben dann eben teilweise zu Hause, wir sind da flexibel.

Wie stellen Sie sicher, dass sich die Menschen auch wirklich im Büro treffen?
Im Moment bitten wir die Mitarbeiter darum, drei Tage pro Woche im Büro zu sein, wobei Dienstag und Mittwoch verpflichtende Tage sind. An den beiden Tagen soll das Büro brummen und alle können sich sehen. Es wäre ein bisschen albern, wenn ich im Büro sitze und dann doch nur Zoom-Calls führen würde.

Und der dritte Büro-Tag?
Den können die Mitarbeiter flexibel am Montag, Donnerstag oder Freitag nehmen.

Ihr Unternehmen verfolgt eine Kultur des Zurückgebens. Was bedeutet das für eine Fondsgesellschaft?
Wir meinen damit Wohlstand, der einem Zweck dient. Wir leiten jedes Jahr 40 Prozent unseres Gewinns an unseren Haupteigentümer weiter, das Stowers Institute for Medical Research. Seit dem Jahr 2000 sind auf diesem Weg 1,9 Mrd. Dollar in die medizinische Forschung geflossen. Das Institut beschäftigt 500 Mitarbeiter und forscht unter anderem zu Krebs, genetisch bedingten Krankheiten, Osteoporose, Diabetes, Regeneration und Alzheimer. Das einzigartige Eigentumsmodell hat eine starke Anziehungskraft. Es hat mich zu einem großen Teil dazu bewogen, zu American Century zu kommen. Menschen, die die Welt verbessern wollen, neigen dazu, zu American Century zu kommen. Das Institut hat kürzlich ein bahnbrechendes Forschungspapier zum Funktionieren des Gedächtnisses veröffentlicht. Unsere Mitarbeiter wie auch Kunden wissen, dass sie mit ihrer Arbeit einen Beitrag dazu geleistet haben.

Was machen Sie anders als eine klassische Wall-Street-Firma?
Wissen Sie, manchmal kann die Arbeit an der Wall Street oder im Finanzwesen etwas eintönig sein. Sie helfen eben Menschen oder Institutionen, die bereits Geld besitzen, ihre finanziellen Ziele zu erreichen. Bei uns besteht die zusätzliche Aufgabe darin, die Welt für Ihre Kinder und Enkelkinder besser zu machen. Das schafft spürbar eine Kultur, wie ich sie in meinem Leben noch nirgendwo anders erlebt habe.

Welche Durchbrüche können wir in der medizinischen Forschung erwarten?
Wir wissen, dass die Heilung von Krankheiten viele Jahre dauern wird. Deshalb ist medizinische Forschung, die wir finanzieren, ebenfalls sehr langfristig angelegt. Wir sind als Organisation so konzipiert, dass wir einen dauerhaften Finanzierungsmechanismus für die Forschung ermöglichen und gleichzeitig die langfristige Ausrichtung für unsere Kunden haben und nicht auf die Quartalszahlen schauen müssen. Außerdem betreiben wir medizinische Grundlagenforschung. Das heißt auch, dass wir heute noch gar nicht wissen müssen, welche bahnbrechenden Durchbrüche in der Medizin mithilfe unserer Forschung einmal erreicht werden können.

Was ist der Unterschied zu börsennotierten Fondsgesellschaften?
Wir fahren mit einem Fuß auf dem Gas und einem Fuß auf der Bremse und nehmen, wo nötig, Anpassungen vor. Viele börsennotierte Unternehmen unserer Branche müssen in guten Zeiten das Pedal bis zum Anschlag durchtreten und, wenn sich die Märkte abschwächen, auf die Bremse treten. Wir neigen dazu, weder das eine noch das andere zu tun, sondern versuchen langfristig zu investieren.

In Europa ist Ihre Marke bisher eher unbekannt, obwohl sie 200 Mrd. Dollar verwalten. Woran liegt das?
Wir wurden 1958 gegründet waren etwa bis zur Jahrtausendwende rein auf US-Privatkunden ausgerichtet. Wir haben dann beschlossen, uns auf zwei Dinge zu konzentrieren: institutionelle und internationale Anlagen. Außerhalb der Vereinigten Staaten sind wir fast ausschließlich als institutioneller Vermögensverwalter bekannt. In Deutschland werden unsere Fonds von Nomura vertrieben, die mit 40 Prozent als strategischer Investor an uns beteiligt sind.

Wo liegen Ihre Investmentschwerpunkte?
Die Kundengelder sind zu etwa 75 Prozent in Aktien und etwa 25 Prozent in festverzinslichen Wertpapieren angelegt. Im Aktienbereich decken wir Value- und Growth-Strategien ab, national wie global. Wenn ich eines herausheben sollte, dann unseren globalen Wachstumsaktien-Fonds, der sich viel besser als zahlreiche Konkurrenzangebote entwickelt hat.

Wird aktuell nicht alles von der Inflation überlagert?
Eine anhaltende Inflation ist eines der schlimmsten Dinge, die einem Volk widerfahren kann. Es ist schrecklich.

Was ist schief gelaufen?
Die Federal Reserve hat wie viele anderen Zentralbanken in aller Welt zu Beginn der Covid-Pandemie das Richtige getan, um eine globale Rezession zu vermeiden. Dann hat sie aber den Fuß zu lange auf dem Gaspedal gelassen und damit ein inflationäres Umfeld geschaffen. Jetzt straffen sie die Geldpolitik und sagen, dass sie bereit sind, der Wirtschaft einige Schmerzen zuzufügen. Die Geldmenge M2 beginnt bereits zu sinken.

Was bedeutet M2?
M2 ist definiert als Geld, das Ihnen und mir zur Verfügung steht und sofort ausgegeben werden kann. Normalerweise liegt M2 für Durchschnittsbürger bei 50 bis 60 Prozent des Jahreseinkommens. Während der Pandemie erreichte M2 Spitzenwerte von 90 Prozent, auch wegen der verschiedenen Konjunkturprogramme der Trump- und der Biden-Regierung. Zugleich stand die Welt still. Als die Pandemie abebbte, hatten die Menschen ein aufgestautes Bedürfnis, etwas zu unternehmen und zu leben. Das ist ein unterschätzter Katalysator der Inflation.

Droht wegen der starken Straffung der Geldpolitik nun eine Rezession?
Die Fed wird unter ihren beiden Zielen die Inflationsbekämpfung der hohen Beschäftigung vorziehen. Die Räder der Rezession sind bereits in Bewegung. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation sinkt und es keine Rezession gibt, liegt bei nur zehn Prozent. Wir sprechen also darüber, ob es eher eine tiefe oder eine milde Rezession geben wird. Es gibt jetzt bereits weniger Menschen, die arbeiten wollen. Aber wenn die Beschäftigung nachlässt, haben wir einen Faktor für eine Rezession. Die technische Definition einer Rezession, zwei Quartale mit nachlassendem Wachstum, haben wir bereits.

Es gab die Diskussion über die Great Resignation, all die Menschen, die sich vom US-Arbeitsmarkt zurückgezogen hatten. Kommen jetzt die Entlassungen?
Man sieht zwei Dinge aktuell. Die Arbeitgeber lassen es langsamer angehen und treten bei Neueinstellungen auf die Bremse, einige haben bereits Entlassungen vorgenommen. Einige große Investmentbanken haben kürzlich eine Runde von Entlassungen gestartet. Gleiches gilt für die großen Technologieunternehmen wie Alphabet oder die Facebook-Mutter Meta. Es gibt also eine Verlangsamung auf der Arbeitgeberseite. Und auf der Arbeitnehmerseite würde ich sagen, dass sich die Kündigungen und die Fluktuation ebenfalls verlangsamen.

Was ist die Konsequenz am Kapitalmarkt?
Zum ersten Mal seit den 1970er Jahren gibt es historisch gesehen nicht viele sichere Häfen. Wenn Aktien schlecht liefen, sind die Anleger in diesem Jahr in festverzinsliche Wertpapiere geflüchtet. Doch in diesem Jahr sich Anleihen aufgrund der steigenden Zinsen ebenfalls nicht gut entwickelt. Aber es gibt einige Dinge, in die die Leute traditionell bei hoher Inflation investieren, unter anderem Rohstoffe, Sachwerte und Inflationsindexierte Anleihen.

Gibt es Branchen, die sich am Aktienmarkt in diesem Umfeld besser halten?
Wir haben über mehrere Jahrzehnte hinweg untersucht, welche Branchen in Inflationsperioden gut abgeschnitten haben. Es geht also um Unternehmen, bei denen die Kosten wegen der Inflation weniger stark steigen als der Umsatz. Wir haben drei Sektoren identifiziert. Der Finanzsektor schneidet in der Regel gut ab, weil er von steigenden Zinsen profitiert. Außerdem erweisen sich das Gesundheitswesen und Basiskonsumgüter als widerstandsfähig.

Soll ich mich als Anleger also erstmal lieber vom Kapitalmarkt fernhalten?
Wir als Vermögensverwalter sind auf Langfristigkeit ausgerichtet. Es gibt also zwei Dinge: Das Investieren und das Traden. Wenn Leute die Frage stellen ,Was soll ich heute tun?‘ geht es ihnen ums Traden. Die Wahrheit ist aber: Wenn man einen langfristigen Horizont hat, ist alles im Moment billig. Ein gut diversifiziertes Portfolio ist im Moment sehr sinnvoll. Ich persönlich denke, dass dies ein guter Zeitpunkt für Ihre Leser ist, um in die Märkte zu investieren. Wissen Sie, in sechs Monaten werden Sie sich vielleicht fragen, ob es klug war. Ich denke, in sechs Jahren werden Sie sehr glücklich sein.

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