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Kolumne Warum die Dividendenrendite eine trügerische Kennziffer ist

Christian Kirchner, Capital-Chefkorrespondent in Frankfurt
Christian Kirchner, Capital-Chefkorrespondent in Frankfurt
© Gene Glover
Die Dividendenrendite ist eine trügerische Momentaufnahme – nicht nur, weil sie Anleger in kriselnde Konzerne lockt. Sie lässt erstklassige Unternehmen auch schlechter aussehen, als sie langfristig sind

Viele Privatanleger lieben eine simple Kennziffer: die Dividendenrendite. Denn sie ist intuitiv verständlich – je höher, desto besser. Gerade zur laufenden Saison der Hauptversammlungen sind die Dividenden-Hitlisten omnipräsent. Im Schnitt sind mit Dax-Aktien gerade rund drei Prozent Dividendenrendite drin.

Ich stehe der Dividendenrendite allerdings eher kritisch gegenüber. Nicht, weil hohe Dividendenrenditen oft Vorboten nahender unternehmerischer Krisen sind. Die Telekom-Aktie in den früher Nullerjahren und die Finanzwerte kurz vor der Krise 2007 lieferten dafür allerdings wirklich beeindruckende Beispiele.

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Das Problem ist aus meiner Sicht vielmehr, dass die Dividendenrendite die Aktien erstklassiger Unternehmen oft schwächer aussehen lässt, als sie für ihre Käufer eigentlich sind. Es sind Momentaufnahmen. Aber gute Unternehmen steigern über die Jahre ihre Dividende. Das wiederum schlägt sich in steigenden Kursen nieder. Die optisch über die Jahre unveränderte Dividendenrendite unterschlägt dann aber die sehr hohen Kapitalrückflüsse, die Aktionäre bezogen auf ihre Investition erhalten.

Nehmen wir als Beispiel die BASF-Aktie: Die weist eine Dividendenrendite von 3,8 Prozent auf. Das entspricht recht genau dem Schnitt der letzten zehn Jahre. Allerdings hat der Chemiekonzern seine Dividende in den letzten zehn Jahren um rund 60 Prozent gesteigert, in den vergangenen 25 Jahre sogar verzehnfacht. Jetzt beträgt sie 3,10 Euro.

Dividendenrendite ist nur eine Momentaufnahme

Wenn Sie also vor zehn Jahren BASF-Aktien gekauft haben, liegt die Rendite bezogen auf Ihre damaligen Kosten (und nicht etwa auf den aktuellen Kurs) bei rund sieben Prozent. Sind Sie vor 25 Jahren eingestiegen, beträgt der Kapitalrückfluss rund 55 Prozent bezogen auf Ihre Investition. Für 1000 investierte Euro fließen Ihnen jetzt 550 Euro vor Steuern zu, und das Jahr für Jahr.

BASF ist kein Einzelfall: Auch BMW hat die Dividende in zehn Jahren vervierfacht und innerhalb von 25 Jahren verzwanzigfacht. Der aktuellen Dividendenrendite von fünf Prozent sieht man das nicht an. Wenn Sie vor zehn Jahren BMW-Aktien gekauft haben, beträgt Ihr jährlicher Ertrag auf die damaligen Kosten bereits gut zwölf Prozent, wenn Sie vor 25 Jahren gekauft haben, 60 Prozent. Jahr für Jahr.

Klar: Garantiert ist nichts. Bei Standardwerten aber ist der Kollaps der Dividende, wie er bei Versorgern und Banken zu beobachten war, historisch die Ausnahme. Die Regel sind Steigerungen. Im Schnitt vervierzehnfachten die heutigen Dax-Mitglieder mit 25 Jahren Dividendenhistorie ihre Ausschüttungshöhe in diesem Zeitraum. Selbst biedere Industrie- und Konsumgüterkonzerne wie Siemens oder Henkel kommen auf eine Verzehnfachung; Volkswagen, Fresenius und die Münchener Rück auf eine Vervierzigfachung. Diese Kraft der Dividenden ist es, die Aktien zu einer starken Langfristanlage macht – unabhängig vom zyklischen Auf und Ab der Kurse und den Momentaufnahmen der Dividendenrendite.

Christian Kirchner ist Capital-Korrespondent in Frankfurt. In seiner Kolumne schreibt er über Trends in der Geldanlage und an den Finanzmärkten.

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