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Geldanlage Russische Aktienabstürze treffen auch deutsche Anleger

Moskauer Börse
Moskauer Börse
© dpa
Wirtschaftssanktionen gegen russische Geschäftsleute und Unternehmen haben die Kurse russischer Aktien abstürzen lassen. Privatanlegern in Deutschland kann das nicht egal sein, denn die Titel verstecken sich in vielen Fonds

Als Außenminister Heiko Maas (SPD) Anfang Mai zum Antrittsbesuch nach Russland reiste, wurde er reichlich kühl empfangen. In Interviews hatte Maas zuvor davon gesprochen, dass Moskau eine „zunehmend feindliche“ Politik betreibe. Die wenig diplomatische Äußerung war in Russland nicht unbemerkt geblieben. Der Austausch zwischen dem deutschen Außenminister und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow blieb Beobachtern zufolge höflich, aber unterkühlt.

Mit Russlands Beziehungen zum Westen steht es seit der russischen Annexion der Krim im März 2014 nicht zum Besten. Seitdem ist Einiges oben drauf gekommen: Die mutmaßliche Einmischung Moskaus in die US-Präsidentschaftswahl 2016. Die mögliche Beteiligung des russischen Geheimdienstes am Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal. Und nicht zuletzt Moskaus harte Linie in Syrien. Wladimir Putin, der im März seine vierte Amtszeit als Präsident angetreten hat, stützt gemeinsam mit Iran den syrischen Machthaber Baschar al-Assad.

Der kompromisslose außenpolitische Kurs des Kremls zieht immer wieder Wirtschaftssanktionen nach sich. Im vergangenen Monat verhängte das US-Finanzministerium neue Sanktionen gegen mehrere russische Geschäftsleute und Regierungsvertreter, darunter den Aluminium-Milliardär Oleg Deripaska sowie Putins Ex-Schwiegersohn, den Oligarchen Kirill Shamalov.

Rubel auf Talfahrt

Bereits im Jahr 2014 hatten die USA heimischen Investoren verboten, neu in diverse russische Firmen zu investieren. Nun dürfen sie gar keine Aktien oder Anleihen sanktionierter Unternehmen mehr halten. Die Folge war eine Verkaufswelle an der Moskauer Börse. Der russische Aktienindex RTS gab Anfang April um rund acht Prozent nach. Der Abwärtssog habe auch Aktien von Unternehmen erfasst, die von den Sanktionen gar nicht betroffen seien, berichten Analysten des österreichischen Fondsanbieters Raiffeisen Capital Management. Die Kurse russischer Staatsanleihen sackten ebenfalls ab. Auch der Rubel ging auf Talfahrt.

Bei den Kursstürzen habe sich bemerkbar gemacht, dass Russland in vielen Schwellenländer-Portfolios gegenüber dem Vergleichsindex übergewichtet gewesen sei, sagt Paul McNamara, Anlagestratege beim Fondsanbieter GAM. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten hatten sich nämlich zuletzt verbessert, nicht zuletzt dank des höheren Ölpreises. Nun müssten Anleger eine schwierige Entscheidung treffen, sagt McNamara: Sollten die USA ihre Sanktionen ausweiten, würde Russlands Wirtschaft leiden. Russische Aktien wären dann kein gutes Investment. Sollte es bei den aktuellen Einschränkungen bleiben, wären sie dagegen Schnäppchen mit Kurspotenzial.

Der GAM-Stratege spricht in seiner Analyse einen wichtigen Punkt an. Auf den ersten Blick mag die Entwicklung russischer Aktien für Privatanleger in Deutschland irrelevant sein. Sogar in Aktienindizes, die ausschließlich Papiere der einstigen Shooting-Stars Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC) enthalten, machen russische Aktien heute oft weniger als zehn Prozent aus. In manchen Fonds sind sie allerdings stärker vertreten als viele Anleger glauben, warnt Ali Masarwah von der Fondsratingagentur Morningstar.

Vor allem bei Dividenden-Indexfonds kommen russische Aktien mit Macht ins Spiel
Ali Marsawah

In drei Fondskategorien spielen russische Aktien eine unerwartet große Rolle, zeigt eine Morningstar-Analyse: Erstens bei Fonds, die in europäische Schwellenländer investieren. „Hier handelt es sich faktisch um verkappte Russland-Fonds“, sagt Masarwah. Die Portfolios bestehen im Schnitt zu zwei Dritteln aus russischen Werten. Die zweite Kategorie sind sogenannte EMEA-Fonds. Das Akronym steht für Europe, Middle East, Africa. Dort machen Russland-Aktien im Schnitt rund ein Viertel des Portfolios aus.

Die dritte Kategorie sind Dividendenfonds – also ausgerechnet solche Produkte, die seit Jahren als vergleichsweise sicher beworben werden, mitunter gar als Alternative zu Anleihefonds. „Vor allem bei Dividenden-Indexfonds kommen russische Aktien mit Macht ins Spiel“, warnt Morningstar-Experte Masarwah. Grund: Weil russische Aktien seit Jahren günstig bewertet sind, haben sie in der Regel eine hohe Dividendenrendite.

Die Kennzahl gibt die Höhe der Dividende in Relation zum Aktienkurs an. Bei russischen Aktien zeigt sich, warum Anleger auf der Suche nach regelmäßigen Ausschüttungen nicht allein auf die Dividendenrendite achten sollten: Nicht nur hohe Ausschüttungen, sondern auch gesunkene Aktienkurse können die Kennzahl in die Höhe treiben. Bei aktiv verwalteten Fonds haben die Manager ein Auge auf dieses Phänomen und steuern bei Bedarf gegen. Dividenden-Indizes, die als Basis für börsengehandelte Indexfonds (ETFs) zum Einsatz kommen, werden jedoch in der Regel rein unter Berücksichtigung der Dividendenrendite konstruiert. Aus diesem Grund haben viele Dividenden-ETFs einen hohen Russland-Anteil.

Auch in vielen aktiven Dividendenfonds haben russische Titel ein großes Gewicht, warnt Masarwah. „Die Manager investieren stärker in russische Aktien als man vermuten sollte“, sagt er. Dabei sind die Titel in den gängigen Vergleichsindizes meist nicht oder nur in sehr geringem Umfang vertreten. „Es handelt sich also um Exkursionen außerhalb des eigentlichen Anlageuniversums“, kritisiert Masarwah.

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