Die Goldenen 20er-Jahre dieses Jahrtausends haben nicht gerade so begonnen wie erhofft. Statt Aufbruch und Optimismus: Pandemie und Börsenkrach (wobei der Crash schnell überwunden war). Glaubt man den Analysten großer Investmentgesellschaften, geht es nun wieder aufwärts, zumindest an den Börsen. Sie rechnen damit, dass mehrere Anlageklassen in den kommenden Jahren ansehnliche Renditen abwerfen. Zwar hat das vergangene Jahr gezeigt, dass man Börsenprognosen mit Vorsicht betrachten sollte. Interessant sind die Vorhersagen trotzdem, jedenfalls, wenn sie einen längeren Zeitraum abdecken: Sie zeigen, mit welchen Trends die Profis rechnen, ungeachtet zwischenzeitlicher Crashs.
Bei Franklin Templeton geht man – wenig überraschend – davon aus, dass die 20er-Jahre eine Aktien-Dekade werden. Angesichts der dauertiefen Zinsen, die durch die Corona-Maßnahmen von Zentralbanken und Regierungen zuletzt sogar noch gesunken sind, dürften Anleihen aus Renditesicht auf absehbare Zeit unattraktiv bleiben. Analysten des Fondsanbieters rechnen damit, dass globale Aktien in den kommenden zehn Jahren in US-Dollar gerechnet im Schnitt 5,6 Prozent Rendite pro Jahr abwerfen. Bei Staatsanleihen aus Industrieländern rund um den Globus rechnen sie mit durchschnittlich 0,3 Prozent pro Jahr. Ein Renditevergleich zwischen Aktien und Anleihen hinkt zwar, zeigt aber, wie massiv die Differenz zwischen den beiden großen Anlageklassen mittlerweile ausfällt oder zumindest nach Einschätzung der Analysten künftig ausfallen könnte.
Inflation bleibt gedämpft
Wollen Rentenanleger in den nächsten Jahren auskömmliche Renditen erzielen, müssen sie sich nach Ansicht der Franklin-Templeton-Experten bei Papieren mit mäßiger Bonität oder in den Schwellenländern umschauen. Globalen Investment-Grade-Unternehmensanleihen prophezeien die Analysten gerade einmal 1,8 Prozent Rendite pro Jahr. Bei Junk Bonds rechnen sie dagegen mit einer annualisierten Rendite von durchschnittlich 4,9 Prozent. Bei Schwellenländer-Staatsanleihen erwarten sie 4,4 Prozent Plus pro Jahr bei Papieren in Hartwährungen wie Euro oder US-Dollar, und immerhin 3,8 Prozent jährlich bei Schuldtiteln in lokalen Devisen.
Insgesamt rechnet man bei Franklin Templeton damit, dass die Weltwirtschaft in der laufenden Dekade moderat weiterwächst. Extreme Schwankungen seien unwahrscheinlich, heißt es in dem Bericht. Dieser Befund ist nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres einigermaßen überraschend. Die Analysten begründen ihn aber damit, dass die aktuellen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen die Wirtschaft in den kommenden Jahren stützen. „Die Inflation in den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern bleibt mit 2,8 Prozent voraussichtlich gedämpft“, prognostizieren sie.
Stabiles Wirtschaftswachstum, mäßige Inflation, Aktien deutlich attraktiver als Anleihen: Das sind Annahmen, mit denen Anleger, die ein Langfrist-Portfolio aufbauen wollen, arbeiten können. Konkrete Zahlen-Prognosen, noch dazu für einen relativ langen Zeitraum, sind dagegen eher von akademischem Interesse. „Eine Möglichkeit, dieses Problem zu beheben, ist, die Perspektive zu wechseln und sich losgelöst von kurzfristigen Zyklen auf die strukturellen Trends der Wirtschaft und der Kapitalmärkte zu konzentrieren“, sagt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Er rechnet ebenfalls damit, dass sich das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren fortsetzt und dass die Aktienkurse weiter steigen.
Ganz ohne Zahlen geht es indes auch bei J.P. Morgan AM nicht. Die Experten des Fondsanbieters rechnen bei US-Aktien in den kommenden zehn bis 15 Jahren mit 4,1 Prozent Rendite pro Jahr. In Europa, Asien und den Schwellenländern erwarten sie etwas höhere Erträge. Damit sind sie für die Aktienmärkte insgesamt etwas pessimistischer als ihre Kollegen bei Franklin Templeton. Für US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit rechnet man bei J.P. Morgan AM mit einer jährlichen Rendite von 1,5 Prozent. Für Euro-Staatsanleihen prognostizieren die Experten 0,6 Prozent Plus pro Jahr.
Die Zahlen unterscheiden sich, eines haben die Prognosen der großen Investmentgesellschaften aber gemein: Sie sind zugleich optimistisch und vorsichtig. Sowohl für Aktien als auch für Anleihen rechnen die Profis mit positiven Erträgen – aber mit niedrigeren als in den vergangenen Jahren. Behalten sie Recht, werden die Goldenen Zwanziger wohl für Investoren nicht so glänzend wie gedacht.