Welche Stadt kann sich schon als Heimat von gleich zwei Zentralbanken bezeichnen? Frankfurt natürlich, sitzen hier doch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Deutsche Bundesbank. Was liegt da näher als auch ein akademisches Zentrum rund um das Thema Geldpolitik aufzubauen. Das findet jedenfalls Nils Stieglitz, Präsident der Frankfurt School of Finance und Management, und hat an der privaten Universität das Centre for Central Banking gestartet. Unter dem Schlagwort „German Excellence. Global Relevance“ soll „ein globaler Hub“ für Forschung zur Geldpolitik entstehen.
Bereits seit gut einem Jahr lehrt hier bereits Jens Weidmann, früherer Bundesbank-Präsident und aktuell Commerzbank-Aufsichtsratschef, das Fach Praktische Geldpolitik. Nun ist Stieglitz in seinem Bemühen, das internationale Renommee der früheren Bankakademie zu steigern, ein weiterer Coup gelungen. Am Dienstag verlieh die Frankfurter School die Ehrendoktorwürde an US-Finanzministerin Jannet Yellen. „Wir sind stolz, sie in unserer Gemeinschaft aufzunehmen“, sagte Stieglitz bei der Verleihung.
Die frühere Präsidentin der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ist eine der akademischen Wegbereiterinnen moderner Geldpolitik. Als „nicht-ideologische Pragmatikerin“ würdigte EZB-Präsidentin Christine Lagarde ihre langjährige Kollegin. Yellen habe wesentlichen akademischen Anteil daran, das Zwei-Prozent-Inflationsziel zu entwickeln, das heute alle wichtigen Notenbanken verfolgen. Lagarde erinnerte an ihre erste Begegnung mit Yellens Ehemann, dem Ökonomie-Nobelpreisträger George Akerlof, zu ihrer Zeit beim Internationalen Währungsfonds. Akerlof habe über seine Frau gesagt: „Sie ist die viel wichtigere Person.“
Yellen kündigt weitere Schritte gegen Russland an
Yellen selbst nutzte ihre Dankesrede für politische Botschaften zum russischen Krieg gegen die Ukraine und zum Verhältnis zu China. Ihre Kernbotschaft lautete zwar: „Wir müssen weiter kooperieren. Die transatlantische Allianz ist die Absicherung unserer freien Gesellschaften.“ Doch sie forderte klar eine abgestimmte Antwort des Westens auf die Industriepraktiken Chinas. Wenn die USA und Europa nicht gemeinsam strategisch antworten, könne das Überleben westlicher Unternehmen gefährdet sein. Der Westen wirft China vor, mit staatlichen Subventionen Waren im Überfluss zu produzieren. Billig-Produkte würden dann gezielt Richtung USA oder Europa gelenkt.
Die USA hatten deswegen zuletzt angekündigt, eine Reihe von chinesischen Produkten mit Sonderzöllen zu belegen. Auf E-Autos werden sie zum Beispiel von 25 auf 100 Prozent erhöht. Damit dürfte der Weg für in China produzierte Elektroautos in die USA de facto versperrt sein, was europäische Hersteller stark treffen dürfte.
Zugleich machte sie klar, dass weitere Finanzsanktionen gegen Russland kommen sollen. Dies werde ein Schwerpunkt beim Treffen der Finanzministerinnen und -minister der sieben wichtigsten Industrienationen (G7) in Italien sein. Details nannte sie nicht, sprach aber die eingefrorenen russischen Notenbank-Reserven an.
Deutsche Banken sollen Schlupflöcher schließen
Direkt vor ihrer Rede an der Frankfurt School hatte Yellen die deutschen Banken aufgefordert, Schlupflöcher zur Umgehung der Sanktionen durch Russland zu schließen. Es können sonst selbst Sanktionen gegen die Geldhäuser verhängt werden, sollten Transaktionen unterstützt werden, von denen Russland militärisch profitiere. Russland schaffe es weiter, wichtige Güter zu beschaffen und auch im eigenen Land mehr davon herzustellen. „Wir müssen wachsam sein und ambitionierter.“
Yellen forderte bei ihrer ungewöhnlich deutlichen Warnung die Banken zudem auf, bei ihren Auslandsaktivitäten ebenfalls notwendige Schritte einzuhalten. Zuletzt war die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI) wegen ihres Russland-Geschäfts unter Druck der USA geraten. Anfang Mai hatte die RBI bereits den umstrittenen Plan aufgeben müssen, Gewinne aus Russland herauszuholen. Zugleich wächst der Druck in Russland auf die Ableger westlicher Banken. Nachdem bereits Vermögenswerte der Commerzbank im Wert von 93,7 Mio. Euro beschlagnahmt wurden, setzte ein Gericht in St. Petersburg nun bis zu 238 Mio. Euro im Besitz der Deutschen Bank fest.
Nachdem sie Bankern die Leviten gelesen und in der Frankfurt School die Weltlage erläutert hatte, wollte Yellen sich irgendwo bei Frankfurt mit einem oder mehreren Start-ups treffen. Details wurden nicht bekannt. Von Frankfurt soll es dann zum G7-Treffen in Stresa am Lago Maggiore in Italien weitergehen.
Geheimnisse von 1991 zur DDR
Beim nächsten Deutschland-Trip könnte es für Yellen von Frankfurt aus statt nach Süden dann nach Nordost weitergehen. Das Ziel soll dann Bitterfeld sein, jedenfalls wenn es nach Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geht. Er sprach eine Einladung in die Industriestadt in Sachsen-Anhalt aus. Ob Yellen sie angenommen hat, ist noch offen.
Hintergrund ist, dass Yellen im Jahr 1991 mit einer Gruppe von Ökonomen durch Ostdeutschland gereist und im Auftrag der Bundesregierung ein Konzept für die Transformation der ehemaligen DDR-Volkswirtschaft verfasst habe.
Das Gutachten, so berichtete es Lindner, habe die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) in der Schublade verschwinden lassen. Die Ergebnisse – unter anderem zu hohe Löhne und zu geringe Produktivität – passten einfach nicht zu Kohls Versprechen „blühender Landschaften“. Die Studie bescheinigte nur der Meißener Porzellanmanufaktur als Unternehmen eine Überlebensschance – und sollte damit Recht behalten, betonte Lindner.
Düster sah die Studie hingegen die Lage der mitteldeutschen Chemieindustrie rund um Bitterfeld. Das am Ende der DDR vollkommen desolate Revier hat sich nach hartem Strukturwandel und von vielen Subventionen unterstützt inzwischen berappelt und ist unter anderem ein wichtiges Cluster für die Kunststoff-Industrie. Sollte Lindner also tatsächlich mit seiner US-Kollegin nach Bitterfeld fahren, wird er ein Lehrbeispiel für den Einsatz staatlicher Gelder im Strukturwandel erleben können.