Mit weiteren Wunschkandidaten für sein Kabinett löst der künftige US-Präsident Joe Biden sein Versprechen ein, die nächste Regierung so vielfältig zu machen wie die Amerikaner selbst. Sein Team nimmt aber auch weitaus weiblichere Züge ein, als alle Kabinette davor. Wenn seine bisherigen Nominierungen vom US-Senat bestätigt werden, ist Biden auf Kurs, den Rekord für die meisten Frauen mit Kabinettsrang zu brechen. Es könnte auch die erste Regierungsmannschaft in der Geschichte Amerikas werden, der gleich viele Frauen und Männer angehören.
Wie zuvor von US-Medien berichtet, soll die China-Expertin Katherine Tai Handelsbeauftragte werden. Im Gegensatz zu vielen Nominierten, die bereits in der früheren Regierung von Barack Obamba gedient haben, hat Tai noch keine Regierungserfahrung. Dafür hat die in Yale und Harvard ausgebildete Juristin gleich mehrere Klagen der USA gegen China vor der Welthandelsorganisation WTO ausgefochten. Sie wäre die erste Frau in dem Amt und auch die erste asiatischstämmige Vertreterin in Bidens Team.
Eine weitere Premiere legt Biden derweil mit Steve Buttigieg hin. Den früheren Rivalen aus dem Vorwahlkampf holt er in das Amt des Verkehrsministers. Der 38-jährige frühere Bürgermeister wäre der erste offen schwule Minister der Vereinigten Staaten. Als „Patriot und Problemlöser“, so Biden, bringt er aber offenbar die Voraussetzungen mit, um auf dem Schlüsselposten die versprochenen klimafreundlichen Einschnitte für die Autoindustrie und den Verkehrssektor durchzuboxen. Auch die frühere Gouverneurin von Michigan, Jennifer Granholm, die Energieministerin werden soll, gilt als Verfechterin einer Energiewende.
Eine Hürde, die Biden bei den Schlüsselposten dagegen nicht nimmt, ist die im Verteidigungsministerium, das – wie das Finanzressort – noch nie von einer Frau geführt wurde. Er entschied sich gegen eine weibliche Kandidatin und für einen ehemaligen General – allerdings auch mit einem Superlativ: Lloyd Austin wird der erste Farbige in dieser Position sein, wenn der Kongress ihn abnickt. Die Übergabe der Regierungsgeschäfte an den nächsten Präsidenten nimmt damit weiter Gestalt an. Alle Posten der neuen Regierung sollen der Öffentlichkeit präsentiert worden sein, bevor Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris am 20. Januar 2021 vereidigt werden.
Dies sind einige der wichtigsten Personalien in Bidens künftigem Kabinett:
Verkehrsressort
Der Verkehr ist mit Bau und Energie einer der Sektoren, die sich grundlegend ändern sollen, um Bidens Klimaschutzziele zu erreichen. Wird Pete Buttigieg als Minister bestätigt, spielt er eine gewichtige Rolle in Bidens Plänen, die marode amerikanische Infrastruktur mit Milliardensummen zu verbessern. Wie Biden erklärte, sieht er das große politische Talent der Demokraten aus Indiana vor allem als ideale Besetzung an der Schnittstelle vieler Zukunftsprobleme: „Jobs, Infrastruktur, Gleichheit und Klima kommen in diesem Ressort zusammen“, sagte er. Einem Ort, wo sich entscheiden wird, ob er seine ehrgeizigen Ziele umsetzen kann.
Handelsbeauftragte
Die 45-jährige Katherine Tai kommt zwar aus einem Beraterposten im Kongress. Sie war jedoch jahrelang im Büro früherer Handelsbeauftragter beschäftigt und bringt viel Erfahrung in der Handelspolitik mit. Mit Tai schickt Biden eine geschickte Diplomatin und Problemlöserin auf den Weg, um Alternativen zu dem von Trump angeheizten Handelsstreit mit China zu entwerfen. Ihre Benennung ist in zweierlei Hinsicht ein klares Signal an Peking: Die an Eliteuniversitäten ausgebildete Juristin spricht fließend Mandarin. Und sie gilt als Vertreterin eines harten Kurses gegenüber China. Eine weitere Aufgabe ist die Reform der Welthandelsorganisation WTO und die Handelspolitik mit der EU.
Energieministerium
Die frührere Gouverneurin aus Michigan, Jennifer Granholm, hat bereits im November in einem Meinungsbeitrag der Autoindustrie in ihrem Bundesstaat signalisiert: Die Zeit für einen klimafreundlichen Aufschwung ist jetzt. Sie gilt in Energiefragen als ihrer Zeit weit voraus und beinharte Verfechterin einer Energiewende auf Bundesebene. Die 61-Jährige diente von 2003 bis 2010 zwei Amtszeiten lang als Michigans erste Gouverneurin und unterstützte Biden im Wahlkampf.
Pentagon-Chef
Der Vier-Sterne-General Lloyd Austin hat seine Uniform erst vor wenigen Jahren an den Nagel gehängt, weshalb er vom Kongress zusätzlich zur Bestätigung im Senat eine Sondererlaubnis für den hohen politischen Posten benötigt. Der 67-Jährige ist wegen seiner Nähe zur amerikanischen Rüstungsindustrie nicht unumstritten. Er saß zuletzt im Aufsichtsrat des Raytheon-Konzerns. Biden attestiert ihm jedoch beispielhafte Führungsqualitäten und Charakterstärke. Vor seinem Ruhestand 2016 war Austin erster Afroamerikaner im Oberkommando der US-Streitkräfte in Nahost (Centcom) unter Barack Obama und führte den Einsatz gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Nun soll Austin auch die ramponierten Beziehungen zu den Verbündeten der USA wieder besser pflegen.
Finanzministerium
Janet Yellens erste Bewährungsprobe als Finanzministerin dürfte sein, mit dem Kongress ein Konjunkturprogramm zur Erholung der krisengeschüttelten Wirtschaft auszuhandeln. Was ihren künftigen Kurs angeht, gilt sie als Verfechterin einer aktiven Fiskalpolitik und einer weichen Geldpolitik. In Steuerfragen dürfte sie auch für europäische Anliegen ein offenes Ohr haben, etwa in der Klimapolitik oder gegenüber den beherrschenden US-Tech-Konzernen. Von republikanischer Seite wurde sie für ihren Intellekt, ihre Voraussicht und ihre Unabhängigkeit in der Finanzkrise 2009 gewürdigt. In ihrem ersten Tweet schrieb sie: „Für die Erholung müssen wir den amerikanischen Traum wiederbeleben – eine Gesellschaft, wo jeder sein Potenzial verwirklichen und noch verwegenere Träume für die Kinder haben kann.“
Haushalts- und Verwaltungsbehörde (OMB)
Neera Tanden nahm in der Vergangenheit in ihrer Kritik der amerikanischen Rechten kein Blatt vor den Mund. Zuletzt zielte sie mit scharfen Worten gegen „opportunistische“ Republikaner, die sich für die eilige Bestätigung der ultrakonservativen Richterin Amy Coney Barrett in das Oberste US-Gericht kurz vor der Präsidentenwahl stark machten. Bidens Kurs, auf moderate Republikaner zuzugehen, trägt sie aber mit. Tanden wird sie brauchen, um Wahlversprechen umzusetzen, wie etwa 2 Billionen Dollar für einen klimaneutralen Umbau der Gesellschaft und eine umfassende Reform der Kinderbetreuung. Auf Twitter wurde der 50-jährigen Politikerin mit indischen Wurzeln harter Gegenwind im Senat prophezeit.
Natonaler Wirtschaftsrat
Die Benennung von Brian Deese (im Bild rechts) an die Spitze des Nationalen Wirtschaftsrats ist sozusagen Bidens Bekenntnis zu einer Art „Green Deal“ in den USA. Bei Blackrock leitet Deese die Abteilung Nachhaltigkeit und hielt Vorträge und Vorlesungen darüber, wie der Finanzmarkt dazu beitragen kann, den Klimawandel aufzuhalten. Sein Sustainable Investing Team hat schon seit Jahren Anlageprodukte im Portfolio, die auf ökologische, soziale und Governance-Kriterien (ESG) ausgerichtet sind. Deese war als Berater von Obama ebenso an den Verhandlungen des Pariser Klimaabkommens beteiligt wie an den Gesprächen zur Wiederbelebung der US-Automobilindustrie nach der Finanzkrise.
Council of Economic Advisers
Den Rat der Wirtschaftsweisen im Weißen Haus wird Cecilia Rouse leiten. „Nun beginnt die Planung einer gerechteren Wirtschaft, auf der Grundlage von Fakten und Evidenz“, schrieb sie in einer ersten Reaktion. Rouse ist Arbeitsökonomin und leitete zuletzt als Dekanin die Princeton School of Public and International Affairs (SPIA). Sie wäre die erste Afroamerikanerin und die vierte Frau an der Spitze des 74 Jahre alten Gremiums, dem sie als Beraterin schon unter Obama angehörte. In der Corona-Krise hat sie sich für direkte Überbrückungshilfen für Notleidende ausgesprochen. Dem Rat werden auch Jared Bernstein, der Chefökonom von Vizepräsident Biden, und Heather Boushey angehören. Bernstein befürwortet eine Stärkung der Gewerkschaften und eine Stützung der Wirtschaft durch höhere Staatsausgaben. Boushey ist weiter links verortet, leitet eine Denkfabrik, die sich mit Ungleichheit beschäftigt, und befürwortet Reformen wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und kostenlose Kinderbetreuung.
Außenministerium
Bidens Philosophie, die Stärke Amerikas liege in seinen Allianzen, verkörpert vor allem der künftige Außenminister Antony Blinken. Keiner sei besser auf diesen Posten vorbereitet als er, sagte Biden. Der 58-Jährige wuchs in Paris auf, stammt aus einer Einwandererfamilie, und hat bereits unter Obama als Nationaler Sicherheitsberater internationale Krisenherde besucht und den Vizepräsidenten Biden beraten. Er gilt als einer der engsten Vertrauten. Amerika brauche jetzt Kooperation und Zuversicht, sagte Blinken. Kraft seiner Möglichkeiten sei es immer noch am besten geeignet, Staaten zusammenzubringen und Probleme dieser Zeit zu lösen. Für Blinken ist die internationale Zusammenarbeit auch der Schlüssel, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu bewältigen.
Botschafterin bei den Vereinten Nationen
Auch bei den Vereinten Nationen dürfen die Verbündeten einer engagierten Rückkehr Washingtons im Geiste des Multilateralismus entgegen sehen. Linda Thomas-Greenfield vertritt die USA künftig bei der Uno. In 35 Jahren im diplomatischen Dienst hat die Afroamerikanerin in verschiedenen Überseeposten darunter in Afrika gedient und die US-Hilfen für Westafrika im Kampf gegen die Ebola-Seuche mit koordiniert. Sie erinnerte daran, dass ein Aufstieg wie ihrer nur in den USA möglich gewesen sei – „wo das Leben hart und grausam sein kann, wo es aber Hoffnung im Kampf gibt und Verheißung in unseren Träumen“.
Klimabeauftragter
John Kerry ist nach dem Ende seiner Amtszeit als Außenminister ein gefragter Gesprächspartner geblieben, wie an der Seite von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz. Er besetzt den neu geschaffenen Posten des Sonderbeauftragten für den Klimaschutz, ein Kernthema Bidens, der den Posten als Signal seiner Entschlossenheit einrichtet. Jenseits des Pariser Klimaabkommens sieht Kerry es auch als seine Aufgabe an, im Dienste des Klimaschutzes Millionen von Jobs für die Mittelschicht zu schaffen sowie einen Beitrag für sauberere Ozeane und ein gesünderes Leben für Menschen in aller Welt zu leisten. Kerry hat Ministerrang und sitzt im Nationalen Sicherheitsrat.
Ministerium für Heimatschutz
Alejandro Mayorkas fällt laut Biden die schwere und kritische Aufgabe zu, das kaputte Einwanderungssystem der USA zu reparieren. Der 60 Jahre alte gebürtige Kubaner ist der erste Latino, der den Posten des Heimatschutzministers übernehmen wird und ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Von 2013 bis 2016 war er Stellvertreter des damaligen Amtsinhabers Jeh Johnson und im Ministerium zuständig für das DACA-Programm (Deferred Action for Childhood Arrivals) zuständig, das Kindern undokumentierter Einwanderer einen legalen Aufenthaltsstatus gewährte. Das so genannte Dreamers-Programm, das Trump nicht verlängerte. Davor war er Chef der Behörde für Staatsbürgerschaft und Einwanderung (USCIS).
Nationaler Sicherheitsberater
Der künftige Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan hat für die US-Regierung den Atom-Deal mit dem Iran mitverhandelt und die Tücken der Nahost-Politik erlebt. Er ist mit 43 Jahren einer der jüngsten im Team und auf diesem Posten, bekommt aber, so Biden, einen der härtesten Jobs der Welt. Sullivan hat Biden im Wahlkampf in innen- und außenpolitischen Dingen beraten, unter anderem bei der Entwicklung einer Strategie gegen die Corona-Pandemie. Er verstehe die Vision, dass wirtschaftliche Sicherheit auch nationale Sicherheit sei, sagte Biden bei der Vorstellung. Kritiker vermissen in Sullivans bisherigen Aussagen Ecken und Kanten.
Koodinatorin der US-Geheimdienste
Avril Haines wird als erste Frau der US-Geschichte die Arbeit der US-Geheimdienste koordinieren. Biden lobte die langjährige Vertraute als vehemente Verfechterin der Wahrheit. Sie war bereits Vizechefin des Auslandsgeheimdienstes CIA, nun wird die 51-Jährige Nationale Geheimdienstdirektorin. Beide arbeiteten über zehn Jahre zusammen, unter anderem als Biden den Auswärtigen Ausschuss im Senat leitete und Haines ihn juristisch beriet. Später tat sie das im Nationalen Sicherheitsrat der Obama-Regierung und war stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin. Dabei ging es auch um den Rechtsrahmen für den umstrittenen Einsatz unbemannter Drohnen im Jemen, in Somalia und in Pakistan.
Stabschef im Weißen Haus
Bidens langjähriger Vertrauter Ron Klain wurde schon Mitte November zum Stabschef im Weißen Haus ernannt. Er ist nicht nur ein hart gesottener Washington-Insider, sondern kennt sich auch bestens im Weißen Haus aus: erst als Stabschef von Vize Biden, später bei einem Gastspiel für Obama, als er mithalf, den Kampf gegen die Ebola-Seuche in Afrika zu koordinieren (s. Bild). Danach engagierte er sich im Wahlkampfteam von Hillary Clinton, kehrte dann als Lobbyist in die Wirtschaft zurück, bevor er sich Biden in der Wahlkampfzentrale anschloss.