Howard Lutnick hat eine tiefe, laute Stimme. Wenige Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl sitzt er an einem hohen Tisch im TV-Studio von Bloomberg. Er trägt einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd, den obersten Knopf offen – sein Standardoutfit. Die USA versteht der 63-Jährige aus Long Island, New York als eine Art Unternehmen und den neu gewählten Präsidenten Donald Trump als ihren Chef.
„Er ist der CEO der Vereinigten Staaten. Nennen wir sie die Vereinigte-Staaten-Gesellschaft“, sagt Lutnick. „Man kann so viel einwenden und diskutieren wie man will, aber wenn der Chef sagt, wie etwas gemacht wird, dann hat man zwei Möglichkeiten: kündigen oder den Plan ausführen.“
Lutnick gehört zu denen, die den Plan ausführen – und der dafür sorgt, dass auch sonst nur Ausführer, „Loyalisten“, in Trumps neuer Regierung arbeiten werden. Als Co-Vorsitzender in Trumps sogenanntem Transition-Team, dem Übergangsteam, sorgt er dafür, dass die neue Regierung bei Amtseinführung des Präsidenten bereit ist. Eine der Hauptaufgaben ist die Rekrutierung von etwa 4000 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Senat, das Kabinett und diverse Behörden. Auch Lutnick selbst soll einen Posten übernehmen, und zwar den des Handelsministers.
Ursprünglich war er als Finanzminister gehandelt worden. Da wären Interessenkonflikte vorprogrammiert gewesen, denn Lutnick ist nicht irgendein Wahlkampfmanager oder Übergangs-Koordinator. Er ist Chef des Finanzdienstleisters Cantor Fitzgerald und einer der am längsten amtierenden CEOs an der Wall Street. Dazu gilt er als „Chefbanker“ der an den Dollar gekoppelten Kryptowährung Tether. Kaum vorstellbar, dass er strengeren Regulierungen oder Sanktionen gegen Kryptowährungen zustimmen würde. Dem Bitcoin-Kurs, der seit Trumps Wahlsieg nicht mehr aufzuhalten ist und jetzt sogar an der 94.000-Dollar-Marke kratzt, dürfte das weiteren Aufwind verschaffen.
Mitarbeiter gesucht für eine „schnelle und wilde“ Amtszeit
Lutnick studierte Ökonomie am Haverford College in Pennsylvania und stieg direkt nach dem Studium bei Cantor Fitzgerald ein. Dort arbeitete er sich bis 1991 zum Präsidenten und CEO hoch. Heute hält er die Mehrheit der Anteile, die er sich nach dem Tod des Gründers im Streit mit der Familie erkämpft haben soll. 2023 feierte er sein 40-jähriges Dienstjubiläum.
Nicht immer war Lutnicks Lebensweg geradlinig. Die Büros von Cantor Fitzgerald befanden sich in der 101. bis 105. Etage des Nordturms des World Trade Centers in New York. Nur wenige Etagen darunter flog am 11. September 2001 ein Flugzeug in den Turm. Alle 658 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an diesem Morgen dort gearbeitet hatten, starben durch den Terrorangriff, darunter auch Lutnicks Bruder. Lutnick selbst brachte an diesem Morgen seinen Sohn zum Kindergarten und war deshalb später dran als sonst. Noch heute wirkt er den Tränen nahe, wenn er davon spricht. Die „Financial Times“ ernannte ihn 2001 zur Person des Jahres. Heute sitzt Lutnick im Vorstand des „9/11 Memorial & Museum“.
Mit diesem Schicksalsschlag beginnt Lutnick auch seine Rede auf Trumps Wahlkampfveranstaltung im Madison Square Garden in New York. Danach habe er die Wahl gehabt aufzuhören oder weiterzumachen, um den Familien der Verstorbenen etwas zurückzuzahlen. So verkauft er heute, dass er die Gehaltszahlungen der verstorbenen Angestellten damals zunächst einstellte, bevor er insgesamt doch noch 180 Mio. Dollar für sie einsammelte. Damals habe er auch fast die gesamte Belegschaft neu einstellen müssen – so wie heute die neue Regierungsmannschaft. „Ich habe das schon einmal gemacht“, sagte Lutnick der „FT“. „Man geht zu Weltklasse-Leuten, die man hoch einschätzt, und bittet sie, einem zu helfen.“
Die Mitarbeiter für die neue Regierung würden sie nach ihren Fähigkeiten für die Position aussuchen, aber auch nach ihrer Loyalität gegenüber der Politik und der Person. Ziel sei es erfahrene Leute aus der Privatindustrie und Experten für Verwaltungsangelegenheiten zusammenzubringen. Lutnick verglich seine Aufgabe, die Kandidaten auszuwählen gegenüber der „FT“ mit der eines „Mosaikmalers“. Die Kandidaten müssten auf eine „schnelle und wilde“ neue Amtszeit Trumps vorbereitet sein.
Pflichten im Trump-Team und eigene Interessen vermischt?
Wenige Wochen vor der Wahl, als Lutnicks Aufgabe als Leiter des Übergangsteams bereits feststand, geriet er in die Kritik, weil er versucht haben soll, frühere Berater Trumps in der neuen Regierung durch Personen zu ersetzen, die seinen Geschäftsinteressen nützen. Es kam der Vorwurf auf, er habe seine Aufgabe im Trump-Team mit Angelegenheiten seiner Investmentfirma vermischt.
Trump kennt der Banker schon seit Jahren. Lutnick trat sogar in Trumps Realityshow „The Apprentice“ auf. Obwohl er früher auch an Demokraten gespendet hat, darunter auch Hillary Clinton und jetzt Kamala Harris, steht er seit einigen Monaten klar auf Trumps Seite. Er warb an der Wall Street für Trump, veranstaltete eine Spendengala in seinem Haus in den Hamptons und trieb insgesamt rund 75 Mio. Dollar an Spenden für den Wahlkampf ein. Lutnick selbst spendete mehr als 10 Mio. Dollar.
Als Leiter des Übergangsteams gehört es auch zu seinen Aufgaben, eine klare politische Agenda zu entwickeln mit Maßnahmen, auf die sich die Regierung in den ersten Tagen nach Amtseinführung konzentrieren will. Für Lutnick dürften dabei Zölle auf Importe aus China klare Priorität besitzen. Auch er vertritt die Meinung, dass die USA sich von der Welt ausnutzen ließen.
Tether-Anhänger in der Regierung dürfte Sanktionen behindern
Während im Madison Square Garden hinter ihm euphorisierte Trump-Fans mit Plakaten wedeln, erklärt er, auf welche Zeit der berühmte Trump-Slogan „Make America Great Again“ eigentlich zurückgeht: auf die Jahrhundertwende um 1900. „Es gab keine Einkommenssteuer. Alles, was wir hatten, waren Zölle. Und wir hatten so viel Geld, dass wir die besten Geschäftsleute des Landes zusammengebracht haben, um es auszugeben.“ Aber dann seien die beiden Weltkriege gekommen, man habe die Zölle gesenkt und die Steuern für Amerikaner angehoben, „um den Rest der Welt zu retten“. Wenn es nach dem Trump-treuen Lutnick geht, werden sich die USA also bald 120 Jahre zurückdrehen.
Bei einer Sache dürfte Lutnick allerdings für die Gegenwart kämpfen: bei Kryptowährungen. Lutnick hat in Interviews oft für Tether geworben, einen digitalen Stablecoin, der 2014 eingeführt wurde und an den US-Dollar gekoppelt ist. Seine Investmentbank verwaltet einen erheblichen Teil der Tether-Reserven, insbesondere US-Staatsanleihen, die die Kryptowährung stützen. US-Ermittler glauben, dass der Tether Beihilfe zu Sanktionsumgehung, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung leistet. Ein Tether-Anhänger in der Regierung dürfte die Ermittlungen nicht unbedingt erleichtern.
Trump gibt sich mittlerweile ohnehin als Krypto-Fan und kündigte an, dass die USA im Falle seiner Wahl eine strategische Bitcoin-Reserve schaffen würden. Sein Vize-Kandidat J.D. Vance ist nach eigenen Angaben selbst groß in Bitcoin investiert.