Capital: Herr Duong, der Bitcoin-Kurs rennt von Rekord zu Rekord. Was sind die Gründe hierfür?
HA DOUNG: Neben dem US-Wahlsieg von Donald Trump profitiert der Bitcoin-Kurs aktuell von weiteren positiven Faktoren. Ein wesentlicher Treiber ist das anhaltende Interesse institutioneller Investoren, insbesondere durch die Bitcoin-ETFs, die signifikante Kapitalströme in den Markt lenken. Wir hatten allein am 7. November, also zwei Tage nach der US-Wahl, Nettozuflüsse in Bitcoin-Spot-ETFs von insgesamt 1376 Mrd. US-Dollar.
In anderen Worten: Donald Trump hat die Kryptomärkte euphorisiert.
Schon, aber zusätzlich hat die US-Notenbank die Zinsen gesenkt, die Europäische Zentralbank fährt eine lockere Geldpolitik und es gibt neue Stimuli aus China. Das schafft ein attraktives Umfeld für liquide Anlagen wie Bitcoin. Historisch gesehen neigen Krypto-Assets im vierten Quartal zu verstärkten Preissteigerungen, eine Tendenz, die häufig von einer selbsterfüllenden Prophezeiung unter Investoren unterstützt wird und aktuell zusätzliches Momentum verleiht.
Ein Großteil der Phantasie entstammt trotzdem aus der Wahl von Donald Trump. Wie viel ist da noch fundamental gerechtfertigt?
Das sehr klare Wahlergebnis und Trumps positive Haltung gegenüber Bitcoin hat dem Markt sicherlich einen zusätzlichen Impuls gegeben. Auch seine Ankündigung, eine strategische Bitcoin-Reserve etablieren zu wollen. Seine Aussagen stützen die Wahrnehmung von Bitcoin als „digitales Gold“. Gleichzeitig glaube ich aber, dass der Großteil des Kursanstiegs durch fundamentale Faktoren gerechtfertigt ist. Die Entwicklung hin zu einer alternativen Anlageklasse, die gegen inflationäre Tendenzen und politische Risiken immun sein könnte, bleibt der primäre Kurstreiber. Institutionelle Zuflüsse in Bitcoin-ETFs und die Knappheit von Bitcoin, von denen es maximal 21 Millionen Einheiten geben wird, unterstreichen dessen langfristigen Wertspeichercharakter.
Ist Trump denn nicht auch zeitgleich ein Risiko?
Ich denke eher nicht. Mit einer Trump-Regierung stehen weniger regulatorische Hürden im Weg, womit das unserer Meinung nach größte Risiko vorerst gebannt ist. Wir erwarten, dass wir in den kommenden Wochen statt negativer Schlagzeilen eine gute Nachricht nach der anderen hören werden. Dies dürfte nicht nur die Stimmung verbessern, sondern auch den weiteren Zustrom von neuen Talenten und Kapital beschleunigen. Wir denken, dass das bei Weitem sich nicht nur auf Bitcoin beschränkt, sondern weitreichende, positive Folgen für das gesamte Crypto-Ökosystem haben wird.
Welche Rolle spielt der Krypto-Zyklus?
Wir haben die schmerzhaften Abverkäufe bereits seit Ende 2022 weit hinter uns gelassen. Danach blieben fast ausschließlich langfristig orientierte Investoren übrig. Alle anderen hatten den Markt in der Zwischenzeit verlassen. Es gab also eine Bereinigung. Und dieser bereinigte Markt hat ein deutlich konstruktiveres Umfeld hinterlassen, was den zyklischen Aufschwung erst ermöglichte. Dazu hat der regulatorische Druck nachgelassen und wir haben insgesamt einen Vertrauensgewinn in das Ökosystem gesehen. Dazu kam die Zulassung der Bitcoin-Spot-ETFs, was stark zur positiven Marktdynamik beigetragen hat. Der aktuelle Zyklus befindet in einer konstruktiven Aufwärtsphase. Wir sehen klarer bei der Regulierung, institutionelle Investoren zeigen Akzeptanz und wir spüren eine steigende Nachfrage nach sicheren Wertspeichern.
Die amerikanische Börsenaufsicht SEC erlaubt Anbietern seit Januar 2024, ETFs auf den Bitcoin aufzulegen. Warum war das so wichtig?
In weniger als zehn Monaten sind diesen ETFs kumuliert mehr als 25,5 Milliarden US-Dollar zugeflossen. Zum Vergleich: Gold-ETFs brauchten mehrere Jahre, um diese Marke zu erreichen. Die Zulassung der Spot-ETFs war eine Art Ritterschlag, da er digitale Assets auch in traditionellen Finanzsystemen etabliert und verankert. Wir sind damit in eine Phase vorgedrungen, in der institutionelle Anleger ein niedrigeres Reputationsrisiko bei Krypto sehen. Mehr und mehr Menschen haben dadurch einen höheren künftigen Erfolg eingepreist – wodurch die Kurse gestiegen sind. Das wurde dann dadurch bestärkt, dass nicht nur Blackrock an den Start gegangen ist, sondern etwa auch Fidelity und weitere ETF-Emittenten. Und jetzt sind wir in einer Situation, wo wir nachhaltig verlässliche und sogar Rekord-Zuflüsse an nur einem Tag sehen.
Gehören klassische Kryptobörsen wie Bison, Coinbase und Binance zu den Verlierern der Entwicklung? Weil institutionelle Anleger in ETFs investieren und Privatanleger noch länger zurückhaltend sein werden – und dann auch ETFs kaufen?
Nein, ich sehe ETFs und Kryptobörsen in friedlicher Koexistenz. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Blackrock eines Tages ETFs für 20.000 verschiedene Kryptos auflegt. Wir werden in den nächsten zwei Jahren wahrscheinlich ETFs auf die wichtigsten Kryptoassets sehen. Die allermeisten werden dann allerdings unter die notwendige Größe fallen – während sie zeitgleich noch immer einen großen Teil des Volumens auf Börsen ausmachen. Und hierfür ist es allein aus einer technischen Sicht notwendig, dass Coinbase & Co. dann das Thema Custody – also die Sicherung – übernehmen.
Ein nicht unwesentlicher Anteil der Anleger bleibt aber beim Bitcoin. Welches Argument gibt es noch, diesen über klassische Börsen zu handeln?
Das würde ich infrage stellen. Bitcoin macht mittlerweile weniger als 50 Prozent vom Tradingvolumen aus. Dort hat man je nach Order-Volumen eine einmalige Gebühr von etwa ein bis zwei Prozent. Wer einen Blackrock-ETF kauft, hat jährliche Gebühren und einen Spread bei Transaktionen, der gern vergessen wird. Ganz grundsätzlich steht dahinter aber auch eine Überzeugungsfrage: Wer Bitcoin als Absicherung gegen ein mögliches Scheitern des Finanzsystems halten will, der sollte natürlich keine ETFs kaufen.
Wir haben jetzt viel über Bitcoin gesprochen. Doch nicht nur sein Kurs ist steil gestiegen, sondern auch der anderer Kryptowährungen wie Ethereum und Solana. Hat das auch etwas mit Donald Trump zu tun?
Die politische Unterstützung für digitale Assets in den USA, insbesondere durch Trump, hat das Marktumfeld generell positiv beeinflusst. Neben Bitcoin erleben auch andere Projekte wie Ethereum und Solana einen Aufschwung. Ethereum-ETFs und technologische Fortschritte schaffen zunehmend attraktive Alternativen und stützen so auch das Wachstum dieser Projekte. Die gesamte Krypto-Branche profitiert vom positiven regulatorischen und politischen Klima, was sich in den Kursgewinnen auch bei Altcoins widerspiegelt.
Die Krypto-Euphorie könnte aber auch wieder abebben, wenn neue Skandale zu Tage treten. Wie sauber ist der Markt schon aus Ihrer Sicht?
Dass Menschen betrügen wollen, um an Geld zu kommen, ist nichts Neues. Das wird es immer geben. Krypto ist aber eine offene Technologie, die jeder nutzen kann. Das macht es zunächst einmal einfacher für Betrüger. Ich glaube, dass durch die Aufmerksamkeit in den letzten Jahren – auch von regulatorischer Seite – viel potenzieller Schaden eingedämmt wurde. Auch die User sind schlauer geworden. Laut einem Report von ChainAnalysis sind nur 0,34 Prozent des Transaktionsvolumens bei Krypto auf illegale Aktivitäten zurückzuführen. Bei Cash stehen wir hier zwischen drei und vier Prozent. Ich finde also, dass Krypto in dieser Diskussion zu Unrecht am Pranger steht.
Wie geht es weiter? Worauf schaut die Krypto-Welt noch, außer auf Donald Trump?
Da war zum einen das Halving im April dieses Jahres. Halvings haben in der Vergangenheit oft etwa sechs Monate später zu einem positiven Marktumfeld geführt, und das vierte Quartal könnte daher eine entscheidende Phase für Investoren darstellen. Darüber hinaus wächst der Markt für Stablecoins und DeFi-Anwendungen rasant weiter und wird von der zunehmenden institutionellen Akzeptanz befeuert. Besonders Stablecoins und Anwendungsfälle rund um internationalen Zahlungsverkehr genießen derzeit hohe Aufmerksamkeit. Unternehmen wie Stripe, Visa und Paypal sehen darin eine effizientere Finanzinfrastruktur und treiben die Adaption voran. Zusammenfassend erwarte ich daher ein positives Marktumfeld, das durch die gestiegene Liquidität und das Interesse institutioneller Akteure weiter gestärkt wird.