Die US-Notenbank hatte bisher nicht viel Erfolg bei der Eindämmung der enormen Inflation. Ihre geldpolitische Straffungskampagne hat jedoch geholfen, die Luft aus den Vermögensblasen zu lassen, die während der Pandemie aufgebläht wurden.
- Der Markt für Kryptowährungen - einst mit 3 Billionen Dollar bewertet – ist um mehr als zwei Drittel geschrumpft.
- Die Kurse der bei Anlegern beliebten Technologieaktien sind um mehr als 50 Prozent gefallen.
- Die in immer neue Höhen gekletterten Immobilienpreise sind zum ersten Mal seit zehn Jahren rückläufig.
Vor allem aber - und das ist überraschend - geschieht dies alles ohne eine Schieflage des Finanzsystems.
„Es ist erstaunlich“, sagt Jeremy Stein, Professor an der Harvard University. „Wenn Sie vor einem Jahr jemandem von uns gesagt hätten: ‚Wir werden eine Reihe von Zinserhöhungen um 75 Basispunkte vornehmen‘, hätten Sie gesagt: ‚Sind Sie verrückt? Ihr wollt wohl das Finanzsystem crashen.‘“ Stein kennt sich aus: Als Fed-Gouverneur legte er von 2012 bis 2014 ein besonderes Augenmerk auf Fragen der Finanzstabilität.

Die Fed-Notenbanker schreckten lange davor zurück, die Geldpolitik zur Bekämpfung von Vermögensblasen einzusetzen – mit dem Argument, Zinserhöhungen seien ein zu stumpfes Instrument für eine solche Aufgabe. Die derzeitige Deflation der Vermögenspreise könnte jedoch dazu beitragen, die von US-Notenbankchef Jerome Powell und seinen Kollegen angestrebte sanfte Landung der Konjunktur zu erreichen.
Eine breitere Finanzkrise ist freilich noch nicht auszuschließen. Die aktuelle Episode steht jedoch in scharfem Kontrast zum Platzen der US-Immobilienblase, die von 2007 bis 2009 einen tiefen Abschwung auslöste, und zum Zusammenbruch der Tech-Aktienmärkte, der 2001 in eine leichte Rezession mündete.
Teilweise in Anerkennung der Risiken — und der Tatsache, dass sie die Zinsen bereits stark angehoben haben — sind Powell & Co. darauf vorbereitet, die Zinserhöhungen in dieser Woche auf 50 Basispunkte zu drosseln, nach vier aufeinanderfolgenden Schritten von 75 Basispunkten.
Im Folgenden ein Blick darauf, wie sich die Fed-Maßnahmen auf verschiedene Segmente des Finanzmarkts ausgewirkt haben:
Immobilienmarkt-Abkühlung – kein Zusammenbruch
Die extrem niedrigen Zinsen und die während der Pandemie stark gestiegene Nachfrage nach Immobilien außerhalb der urbanen Zentren ließen die Immobilienpreise in die Höhe schnellen. Nun sinken sie unter der Last der in diesem Jahr mehr als verdoppelten Hypothekenzinsen.

Die nach der Finanzkrise eingeleiteten Finanzreformen trugen dazu bei, dass der jüngste Immobilienzyklus nicht von einer derartigen Lockerung der Kreditstandards getrieben war wie in den frühen 2000er-Jahren. Die so genannte Dodd-Frank-Gesetzgebung führte dazu, dass die Banken heute wesentlich besser kapitalisiert und weniger gehebelt sind als damals.
Die Ersparnisse, die die Amerikaner während der Pandemie anhäuften, haben die Banken mit Einlagen überschwemmt, wie Lou Crandall, Chefökonom von Wrightson ICAP, anmerkt.
„Dieser Abschwung auf dem Immobilienmarkt unterscheidet sich vom Crash des Jahres 2008“, heißt es in einer Analyse von Bloombergs US-Chefökonomin Anna Wang und ihrer Kollegin Eliza Winger. Die Qualität der Hypotheken sei höher als damals.
Firmen außerhalb des Bankensektors – sogenannte Schattenbanken – sind am US-Immobilienmarkt in den letzten Jahren zwar zu einer massiven neuen Kreditquelle geworden. Mit den verstaatlichten Finanziers Fannie Mae und Freddie Mac verfügt der Hypothekenmarkt aber immer noch über einen wirksamen Rückhalt.
„Vielleicht sollten wir uns nicht darüber wundern, dass das Wohnimmobiliensegment das Finanzsystem nicht stärker stört – schließlich haben wir ihn ja verstaatlicht“, sagt der frühere Fed-Notenbanker Vincent Reinhart, der inzwischen Chefökonom von Dreyfus und Mellon ist.
Kryptokollaps eingedämmt
Ein Großteil der spekulativen Exzesse, die während der Pandemie zu beobachten waren, konzentrierte sich auf Kryptowährungen. Zum Glück für die Fed und andere Aufsichtsbehörden erwies sich dies als ein weitgehend in sich geschlossenes Ökosystem, in dem die Unternehmen häufig untereinander verschuldet sind. Eine breitere Verflechtung mit dem Finanzsystem hätte den Abschwung möglicherweise viel destabilisierender gemacht.

„Er erbrachte keine Leistungen für das traditionelle Finanzsystem oder die Realwirtschaft“, sagt der ehemalige Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und Professor an der Brandeis University Stephen Cecchetti, der den Kryptomarkt mit einem Multiplayer-Online-Videospiel vergleicht.
Viele Marktteilnehmer werden durch den Krypto-Zusammenbruch geschädigt. Die Auswirkungen auf andere Bereiche sind jedoch minimal.
Techwerte-Rutsch, aber keine Dotcom-Pleite
Aktien von Technologieunternehmen, die in der Zeit der Pandemieabwehr florierten, sind ebenfalls eingebrochen und haben Billionen von Dollar an Marktkapitalisierung vernichtet. Der Rückgang erfolgte jedoch allmählich und verteilte sich über den Zeitraum, in dem die Leitzinsen stiegen.
Die Verluste sind zwar groß, aber erheblich geringer als der Einbruch, der beim Platzen der Technologieblase zu Beginn des Jahrhunderts zu beobachten war. Der Nasdaq Composite Index ist seit seinem Höchststand im letzten Jahr um etwas mehr als 30 Prozent gesunken. Vor zwei Jahrzehnten kam es zu einem Absturz von fast 80 Prozent.

Der breitere Aktienmarkt hat sich sogar noch besser gehalten: Das US-Börsenbarometer S&P 500 liegt etwa 18 Prozent unter seinem Rekordhoch vom Januar.
Im Großen und Ganzen seien Aktien-Investments nicht gehebelt, erklärte Cecchetti. „Und die Leute, die sie besitzen, sind in der Regel ziemlich gut dran.“
Keine Entwarnung
In vollem Umfang sind die finanziellen Auswirkungen der Fed-Kampagne zur Inflationseindämmung womöglich noch nicht zu erkennen. Es sind nicht nur weitere Zinserhöhungen geplant, sondern die Zentralbank fährt auch fort, ihre Bilanz zu verkleinern. Das einzige andere Mal, als die Fed bisher eine quantitative Straffung durchführte, musste sie den Prozess aufgrund von Marktschwankungen früher als erwartet beenden.
Die jüngsten Verwerfungen am britischen Anleihemarktes zeigen, wie plötzlich Schocks auftreten können – und mahnen zur Vorsicht. Zudem verfügen die Notenbanker über nicht so viele Informationen, wie sie gerne hätten, über das, was in der weniger regulierten Schattenbankwelt vor sich geht.
„Das ist ein Problem“, sagt der ehemalige Fed-Chef Ben Bernanke am Donnerstag in einem Vortrag in Stockholm anlässlich der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises. Zwar wurde die Regulierung der Schattenbanken in gewissem Umfang verschärft, aber das ist „nicht annähernd ausreichend“.
Ein ständiger Grund zur Sorge ist der 23,7 Billionen Dollar schwere Markt für US-Staatsanleihen, der lange Zeit als der liquideste und stabilste der Welt galt. Paradoxerweise haben die von Dodd-Frank inspirierten Regeln den Markt brüchiger gemacht, indem sie große Banken davon abhalten, als Vermittler beim Kauf und Verkauf von Treasuries aufzutreten.
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