Wer sich fragt, was nach dem derzeitigen Boom Künstlicher Intelligenz (KI) die nächste große Sache an den Kapitalmärkten werden könnte, landet schnell beim Energiesektor. Er ist ein großer Profiteur des aktuellen KI-Booms. Aus einem naheliegenden Grund: Denn die Tech- und KI-Unternehmen, die aktuell besonders erfolgreich sind und das Wachstum an den Finanzmärkten pushen, erwirtschaften ihre Umsätze und Gewinne nicht zuletzt dank energieintensiver Technologien und Dienstleistungen. „Werkzeuge der KI verbrauchen viel Strom und die Tendenz ist steigend", sagte Ralf Herbrich, Geschäftsführer des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam der Nachrichtenagentur dpa bereits im November 2023.
Das lässt weltweit die Rechenzentren heiß laufen: „Rechenzentren verbrauchen heute vier bis fünf Prozent des weltweiten Energieverbrauchs", sagte Herbrich der dpa. Es gebe Schätzungen, dass der Verbrauch in den nächsten Jahren auf 30 Prozent ansteigen werde. Hier stimmen Wirtschaft und Wissenschaft überein: „KI-Rechenzentren werden mehr Energie benötigen, als wir uns je hätten vorstellen können“, sagte Blackrock-Chef Larry Fink Mitte Mai per Videoschalte auf einem Treffen der Wirtschafts- und Industrieverbände der G7-Staaten in Rom, der sogenannten B7-Wirtschaftgruppe.
Mit Blick auf Klimaziele von Staaten und Unternehmen ist klar: In den kommenden Jahren müssen enorme Summen in den Ausbau der erneuerbaren Energien und deren Infrastruktur fließen. Denn nur dann können Energieunternehmen den Energiebedarf klimafreundlich decken.
Durchwachsene Performance, gute Aussichten
Aktuell performen einige Aktien allerdings noch durchwachsen. Bei Vestas, dem dänischen Hersteller von Windkraftanlagen, ging es in den vergangenen zwölf Monaten mit Schwankungen leicht abwärts: Vestas fuhr einen Jahresverlust von drei Prozent ein. Nachdem der Konzern mit den Ergebnissen des ersten Quartals die Erwartungen enttäuschte, senkten die Analysten von JP Morgan ihre Empfehlungen auf „neutral“ und Barclays auf „untergewichten“. Zuversichtlicher gab sich John Kim von Deutsche Bank Research. Er stufte Vestas nach den Zahlen von „Hold“ auf „Buy“ hoch. Der Windkraftanlagenbauer habe zwar die Umsatz- und Gewinnschätzungen für das erste Quartal verfehlt, doch ein Vierteljahr mache noch kein ganzes Jahr aus.
Für Kursfantasie könnte dabei auch das neue Bio-Flugbenzin sorgen, das Vestas derzeit in einem Offshore-Windpark testet. Der Kurs der Aktie liegt aktuell bei 27,14 Euro. Das mittlere Kursziel sieht das Gros der auf Marketscreener vertretenen Analysten gut zehn Prozent darüber und bewertet die Aktie als Kaufkandidat. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 47 für 2024 ist Vestas als einer der bekanntesten Branchen-Player allerdings recht hoch bewertet.
Besser steht das US-Unternehmen First Solar da, einer der größten Hersteller von Solarmodulen. Auf Ein-Jahres-Sicht liegt die Aktie rund 40 Prozent im Plus und notiert aktuell bei rund 280 US-Dollar. Etliche Analysten sehen auch weiterhin viel Luft nach oben: So nennt die Investmentbank RBC Capital ein Kursziel von 315 US-Dollar, und die Analysten der Schweizer Bankengruppe UBS sehen dies sogar bei 350 US-Dollar. Das Gros der auf Marketscreener erfassten Analysten rät zum Kauf der Aktie. Mit einem KGV von 20 für 2024 ist der Titel im Branchenvergleich moderat bewertet.
Infrastrukturprobleme bremsen Entwicklung
Potenzial sehen die Analysten des Asset-Managers Bantleon bei der deutschen Energiekontor AG, einem Energieparkbetreiber, Projektentwickler und Stromerzeuger in den Segmenten Wind und Solar. Auch Warburg Research hat die Einstufung für das Bremer Unternehmen nach der Veröffentlichung der letzten Zahlen auf „Buy“ belassen und ein Kursziel von 140 Euro gesetzt: Energiekontor habe Rekordergebnisse für 2023 vorgelegt. Allerdings enttäusche der Ausblick auf den ersten Blick, schrieb Warburg-Analyst Jan Bauer in einer Studie Anfang April.
Der Grund: Das im SDax notierte Bremer Unternehmen erwartet 2024 sinkende Ergebnisse nach einem Rekordjahr. Als Erklärung nennt Energiekontor Verzögerungen des überregionalen Netzausbaus, die die Entwicklung eigener Projekte aufhalten. In den Jahren 2025 und 2026 dürfte der Trend laut Unternehmen aber wieder deutlich aufwärts zeigen. Insgesamt rechnet Energiekontor dann mit einem jährlichen Ergebniswachstum vor Steuern von durchschnittlich 15 Prozent pro Jahr. Das Ergebnis vor Steuern soll so bis zum Geschäftsjahr 2028 auf 120 Mio. Euro wachsen. Aktuell notiert die Aktie von Energiekontor bei gut 71 Euro. Das KGV für 2024 liegt bei moderaten 26.