Capital: Herr Röhl, Trump schüttelt immer wieder die Börsen durch, in der Capital-Liste hat sich die Zahl der US-Aktien auf 21 verringert. Wie hängt das zusammen?
CHRISTIAN W. RÖHL: Wir machen hier eine fundamentale Auswertung, die auf Dividendenkontinuität, stabile Gewinne und günstige Bewertungen schaut. Aber wir sehen nicht, dass US-Aktien durch eine vermeintliche Umschichtung von Kapital aus den USA nach Europa oder in den Rest der Welt bedeutend billiger geworden wären. Das zeigt auch der geringere Anteil.
Wieso „vermeintlich“ – fand die Umschichtung nicht statt?
Zu Jahresbeginn gab es tatsächlich so etwas wie einen europäischen Aufbruch an den Aktienmärkten: Der S&P 500 hat rund fünf Prozent verloren, und der paneuropäische Stoxx 600 Europe legte sechs Prozent zu. Inzwischen wurde die Lücke aber auf der Aktienseite wieder geschlossen – der Performance-Vorsprung europäischer Aktien resultiert allein aus der Dollarschwäche.
Unterm Strich sinkt also der Anteil qualitativ hochwertiger US-Aktien, die zugleich günstig sind?
Ja, es gibt in den USA zahlreiche Qualitätstitel, die wachsen, auf eine saubere Bilanzstruktur achten und seit 25 Jahren die Dividende nicht gekürzt haben. Aber die sind zu hoch bepreist und fallen deshalb aus dem Ranking.
Manche Titel kehren dafür nach einem Kurseinbruch in die Liste zurück. Können Anleger da mit einem guten Gefühl einsteigen?
Ein bemerkenswertes Beispiel ist in diesem Jahr Novo Nordisk, die zuletzt 2020 unter den „50 Aktien fürs Leben“ war. Nachdem die Umsatz- und Ertragsziele in den letzten Monaten mehrfach heruntergesetzt wurden, hat die Aktie massiv korrigiert. Gleichzeitig zeigt das Unternehmen nach wie vor Wachstum und ist damit rein aus der Bewertungsperspektive interessanter geworden – unabhängig davon, dass ein Pharmaunternehmen wie Novo gerade großen regulatorischen Risiken ausgesetzt ist.
Was machen die, die auf Nummer sicher gehen wollen?
Aktien sind niemals sicher. Aber es gibt im Ranking Firmen wie BAE Systems, Air Liquide, KDDI oder Atmos, die einerseits von säkularen Trends wie Rüstung, Energiewende oder Digitalisierung profitieren, andererseits aber noch vergleichsweise moderat bewertet sind. Wer ein ausgewogeneres Portfolio möchte, findet hier Anregungen für ein Gegengewicht zu Techaktien.
Auffallend ist, dass es in diesem Jahr einige Infrastrukturwerte in unsere Liste geschafft haben. Zyklischen Konsum sucht man hingegen vergebens. Was ist da los?
Hier schlägt sich die Zollpolitik der US-Regierung nieder. Überall dort, wo es um physische Güter geht, werden die Zölle zu sinkenden Margen oder steigenden Preisen (und damit potenziell geringeren Absätzen) führen – beides belastet die Gewinnerwartungen. Bei Infrastrukturunternehmen gibt es hingegen, um mit Warren Buffett zu sprechen, einen Burggraben. Wo eine Eisenbahntrasse liegt, baut keiner eine zweite daneben. Es ist ein kapitalintensives Geschäft mit starker Preismacht – die nun geringer bepreist wird als in den Vorjahren.