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Lieferdienst Delivery Heros Wachstumspläne schlagen Anleger in die Flucht

Lieferdienst: Delivery Heros Wachstumspläne schlagen Anleger in die Flucht
Bei Delivery Hero stehen alle Zeichen auf Wachstum. Das soll auch 2022 so bleiben, der Profit lässt aber vorerst auf sich warten. Investoren enttäuscht dieser Ausblick schwer und sorgte für einen Ausverkauf. Bis zu 43 Prozent büßte der Aktienkurs binnen 24 Stunden ein

Kaum hatte Delivery Hero seine Geschäftszahlen veröffentlicht, begann auch schon ein rasanter Ausverkauf der Firmenaktie. Fast ein Drittel büßten die Delivery-Hero-Titel in der Spitze ein. Binnen eines Tages sackte der Kurs von 66 auf zwischenzeitlich 45,90 Euro ab – ein Minus von 31 Prozent in der Spitze.  Am Freitag verlor die Aktie dann weiter an Boden und sank am Vormittag um 12 Prozent. Mit einem Wert von 40,70 Euro halbierte sich der Wert der Titel binnen 24 Stunden fast. Die Talfahrt, in der sich die Aktie seit Mitte November befindet, hat mittlerweile ihren Tiefpunkt erreicht. Dabei hatte Delivery Hero sein Wachstumsziel 2021 sogar übertroffen.

Doch auf dem Weg zur Profitabilität bleibt Delivery Hero trotzdem hinter den Erwartungen zurück. 2021 lag die Gewinnmarge im Verhältnis zum Umsatz der Lieferplattform bei minus 2,2 Prozent, angekündigt waren 2,0 Prozent. Auch 2022 rechnet Delivery Hero mit einem operativen Verlust von mehreren Millionen. Der erwartete Bruttowarenwert von 44 bis 45 Mrd. Euro fällt dagegen konservativ aus.

Unter Investoren sorgt das für Ernüchterung. „Die Prognose des Unternehmens hat die Markterwartungen deutlich verfehlt“, schreibt etwa Manuel Mühl, Analyst der DZ-Bank, in einer Analyse. Er sehe sich gezwungen, sein Anlageurteil und besonders den fairen Wert des Titels zu überdenken. Mit der Zielmarke für den Bruttowarenwert 2022 liege Delivery Hero um sechs Prozent unter der Markterwartung, schreibt auch Jefferies-Analyst Giles Thorne.

Lieferdienst: Delivery Heros Wachstumspläne schlagen Anleger in die Flucht

Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg zeigte sich am Donnerstag jedoch unbeeindruckt vom Kursverfall. „Wir glauben, dass es das Beste für das Unternehmen ist, die Investitionen hochzufahren“, sagte er in einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten. „Wir müssen sicherstellen, dass wir über die nötige Schlagkraft verfügen, wenn wir in einen härteren Wettbewerb geraten.“

Wachstum ohne Rücksicht auf Verluste

Östberg setzt auf Wachstum um jeden Preis. Im margenschwachen Liefergeschäft habe nur der Branchenprimus eine Chance auf echte Profitabilität, so seine Überzeugung. Delivery Hero hat sich deshalb das Ziel gesetzt, in allen Segmenten Marktführer zu werden. Koste es, was es wolle. Dabei orientiert sich Östberg an Amazon: Der Onlinehändler hat ebenfalls jahrelang die kurzfristigen Gewinne für den langfristigem Erfolg geopfert. Allein: Bei Delivery Hero steht der Beweis noch aus, dass die Strategie aufgeht.

Das Ergebnis ist eine aggressive Wachstumsstrategie, die jegliche Einnahmen schluckt. Da sind zum einen die teuren Zukäufe, etwa die Übernahme des südkoreanischen Anbieters Woowa für 5,7 Mrd. Euro, die Mehrheitsbeteiligung am spanischen Konkurrenten Glovo und der Einstieg beim Berliner Liefer-Start-up Gorillas. Zum anderen prescht Delivery Hero in das Geschäft mit ultraschnellen Lebensmittellieferungen vor und investiert stark in den Aufbau eines eigenen Logistiknetzwerkes. Bis Ende 2021 hat das Unternehmen mehr als 1000 eigene Mini-Warenlager, sogenannte Dmarts, eröffnet.

Den Wachstumszahlen zufolge geht Östbergs Strategie auf: Im Geschäftsjahr 2021 übertraf der Bruttowarenwert der Lieferplattform – Partner eingerechnet – die Erwartungen knapp. Statt 33 bis 35 Mrd. Euro fuhr Delivery Hero 35,4 Mrd. Euro ein und verzeichnete damit ein Plus von 62 Prozent. Der firmeneigene Umsatz wuchs noch stärker um 89 Prozent auf 6,6 Mrd. Euro und erreichte damit das obere Ende der Erwartungen.

Doch dieses Wachstum ist teuer erkauft. Was in der Bilanz bleibt, sind hohe Verluste. Allein im vierten Quartal 2021 machte der Konzern einen bereinigten operativen Verlust von knapp 781 Mio. Euro vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Das war fast ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum. Auch der Schuldenberg von Delivery Hero ist beachtlich. Ende 2021 lag die Quote von Schulden zu Eigenkapital bei minus 271 Prozent.

Diesen Schwachpunkt hat Delivery Hero längst erkannt. Um aus der Verlustzone zu kommen, hat sich Delivery Hero bereits aus dem hart umkämpften und kostenintensiven deutschen Markt zurückgezogen. Auch das Japan-Geschäft soll verkauft werden. Anfang des Jahres kündigte Östberg schließlich gegenüber dem Manager Magazin an, man wolle „nicht mehr von Investoren abhängig sein und Kapital aufnehmen müssen“.

An Rendite mittelfristig nicht zu denken

Im zweiten Halbjahr will Delivery Hero beim operativen Gewinn erstmals schwarze Zahlen schreiben, bei einem Umsatz von 9,5 bis 10,5 Mrd. Beobachter nennen die Ziele ehrgeizig, denn das Geschäft der Lieferdienstplattform steht vor einigen Herausforderungen.

Das Auslaufen der Pandemie dürfte die Kunden wieder mehr in die Restaurants treiben – und auch die Konkurrenz im Lieferdienst-Geschäft wird immer mächtiger. Gleichzeitig hat der Streit um Arbeitsbedingungen von Fahrern die europäischen Behörden alarmiert. „Die Food-Delivery-Branche hat es in Europa schwer, weil die Behörden stark regulieren wollen“, erwartet Manuel Mühl. „Mit der Übernahme der spanischen Firma Glovo holt sich Delivery Hero hier ein weiteres Risiko ins Haus.“ Die Aussicht auf steigende Zinsen dürfte sich für Delivery Hero indes in teureren Krediten bemerkbar machen – und damit auch Investitionen verteuern.

Ob die Wachstums-Strategie des Unternehmens Erfolg hat, muss sich also noch zeigen. Investoren und Anleger brauchen schon jetzt einiges an Geduld. Denn an Rendite dürfte bei Delivery Hero mittelfristig nicht zu denken sein.

Vor allem Tech-Aktien erleben Kursverfall

Delivery Hero ist nicht das einzige Unternehmen, das zuletzt einen deutlichen Kursverfall hinnehmen musste. Auch viele weitere Techtitel, darunter selbst große Konzerne wie Netflix und Meta, gingen kürzlich auf Talfahrt. „Techaktien liefen in den vergangen zwei Jahren sehr stark, doch ihre hohen Bewertungen werden zunehmend angreifbar“, sagt Analyst Mühl. „Der Markt ist unglaublich nervös und reagiert empfindlicher auf schlechte Unternehmensnachrichten und verfehlte Erwartungen.“

Die Mischung aus bevorstehender Zinswende, deren Folgen für die Konjunktur und einem drohenden Krieg in der Ukraine, hat die Märkte derzeit stark im Griff. Techfirmen, die häufig in der Gegenwart schon mit ihren erwarteten Gewinne aus der Zukunft arbeiten, trifft die Nervosität umso stärker. „Unternehmen, die weniger lange an der Börse sind und die tendenziell schneller wachsen, traf in der Breite ein Abverkauf“, sagte Fondsmanager Jan Beckers Ende Januar zu Capital.

Während einige Fondsgesellschaften, darunter auch Beckers BIT Capital oder Ark von Star-Investorin Cathie Wood, das Tief der Techtitel als Anreiz zum Einstieg sehen, schalten viele Anleger einen Gang runter und setzen wieder vermehrt auf defensive Werte. „Die Sektorrotation ist in vollem Gange“, so Mühl. „Wachstumswerte werden gegen Zykliker und Value-Aktien eingetauscht.“

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