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Lieferdienste Delivery Hero: Resignation auf dem deutschen Markt

Kaum ein halbes Jahr nach der Ankündigung seiner Rückkehr auf den deutschen Markt, zieht sich Delivery Hero wieder zurück
Kaum ein halbes Jahr nach der Ankündigung seiner Rückkehr auf den deutschen Markt, zieht sich Delivery Hero wieder zurück
© Political-Moments / IMAGO
Eigentlich wollte der Lieferdienst aus dem Dax in Deutschland aktiv werden – auch, um kritische Stimmen über das intransparente Auslandsgeschäft abzufangen. Doch das Projekt ist gescheitert. Was das für Anleger bedeutet

Das Deutschlandgeschäft von Delivery Hero ist eine Achterbahnfahrt: 2018 erst hatte der Dax-Konzern sein Deutschlandgeschäft an die niederländische Konkurrenzplattform und Konzernmutter von Lieferando, Just Eat Takeaway, verkauft. Im Sommer 2021 hat das Unternehmen aus Berlin dann wieder Fahrer losgeschickt.

Nun hat Vorstandschef Niklas Österg den zweiten Anlauf auf dem Heimatmarkt nach etwa einem halben Jahr schon wieder abgeblasen. Nur in Berlin werden weiter Fahrer ausschwärmen. Dort sollen Mitarbeiter neue Logistik- und Technologieideen in der Praxis testen dürfen. Zudem verkauft Delivery Hero das Foodpanda-Geschäft in Japan.

Bis vor wenigen Wochen hat Österg behauptet, dem deutschen Markt zehn bis 15 Jahre zu geben und sich hier nicht am Wettbewerb beteiligen zu wollen. Das hiesige Angebot von Foodpanda diene lediglich der „Präsenz im Heimatmarkt“. Ende 2021 wollte er seine Plattform auf Köln, Düsseldorf und Stuttgart ausweiten. Das ist nun passé. Lange konnte er nicht Wort halten.

Delivery Hero AktieDelivery Hero Aktie Chart
Kursanbieter: L&S RT Österg begründet den Rückzug damit, dass er „eine andere Realität als bei unserem Markteintritt“ sehe. Dafür sind wohl vor allem der US-Lieferdienst Doordash und die Übermacht des Lieferdienstes Lieferando auf dem deutschen Markt verantwortlich. Zudem buhlt hier auch noch Uber Eats um Marktanteile.

Der Wettbewerbsdruck ist enorm. Der hat Ende November Delivery Hero in einer Bieterschlacht um den finnischen Essenslieferdienst Wolt übertroffen. Sieben Mrd. Euro – das konnten die Berliner nicht stemmen. Doordash, das in den USA auf 55 Prozent Marktanteil kommt, ist nun schlagartig auch in Europa und Deutschland ein großer Name.

Dass sich der Lieferdienst von Delivery Hero langfristig durchgesetzt hätte, davon gibt sich Österg zwar noch überzeugt. Aber der Preis dafür ist ihm zu hoch. „Kapital aufnehmen ist teuer. Wir müssen bei der Auswahl unserer Gelegenheiten wählerisch sein“, sagte er gegenüber der FAZ. Er habe eher Asien und Osteuropa im Blick.

Expansion in den Nahen Osten auf Eis gelegt

Dass man bei Delivery Hero aufs Geld schaut, ist neu. Aber angebracht. Die Zinsen für defizitäre Unternehmen, was Delivery Hero außer in den kleinen Märkten im Nahen Osten und Nordafrika ist, dürften bald steigen. Zudem ist der Aktienkurs seit Anfang des Jahres 2021 um knapp ein Viertel zurückgegangen. Große Investoren wie die US-Bank Morgan Stanley haben ihre Positionen verringert. Die Quote von Schulden zu Eigenkapital liegt bei minus 271 Prozent, das heißt, Delivery Hero ist hoch verschuldet und könnte von Zinserhöhungen mit voller Wucht getroffen werden.

Um im hart umkämpften Markt der Lieferdienste auch bei anziehender Regulierung – die EU-Kommission will etwa die Scheinselbstständigkeit der Fahrer verbieten, was zu höheren Kosten führen dürfte – bestehen zu können, muss Delivery Hero jedoch weiterhin zukaufen. Dass das auch wegen der enormen Bewertungen der Start-ups nicht mehr so einfach geht, zeigt das Beispiel von Doordash und Wolt.

Aber auch in Saudi-Arabien hat Delivery Hero jüngst eine Bruchlandung hingelegt: Dort haben die Wettbewerbsbehörden den Deutschen einen Strich durch die Rechnung gemacht, indem sie die Übernahme von „The Chefz“ untersagten. Auch mit dem Wettbewerber „Mrsool“ hatte Delivery Hero kein Glück: Die Gespräche endeten im Streit, womöglich wollten die Saudis auch hier mehr Geld, als Delivery Hero zahlen wollte und konnte. Die Expansion in den Nahen Osten liegt damit auf Eis.

In Anbetracht der Rückschläge und der finanziellen Zurückhaltung bleibt es spannend, wie sich der Aktienkurs weiter entwickeln wird. Das Geschäft wird nicht einfacher für Österg. Die Branche wird weltweit weiter wachsen – aber die Konkurrenz immer mächtiger. An Profitabilität oder sogar so etwas wie Dividende ist in diesem Umfeld nicht zu denken. Selbst wenn der Aktienkurs wieder die magische 100-Euro-Grenze, die sie im November unterschritten hat, knackt – bis das Rekordhoch von 137 Euro eingeholt wird, brauchen Anleger einiges an Geduld.

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