Der französische Versicherungskonzern Axa sieht sich dieser Tage dem Zorn einer internationalen Verbraucher- und Investorengruppe ausgesetzt. Die Organisation SumOfUs, gegründet von einer australisch-amerikanischen Aktivistin, will Unternehmen durch öffentlichen Druck zur Aufgabe umstrittener Geschäftspraktiken zwingen. Bei früheren Kampagnen ging es unter anderem um Tier- und Regenwaldschutz. Im Fall von Axa geht es um Israel. Die Forderung von SumOfUs: Der Versicherer soll nicht länger in das israelische Rüstungsunternehmen Elbit Systems sowie in drei israelische Banken investieren. Begründung: Axa trage mit diesen Investments indirekt zum Leid der Palästinenser bei. Eine Online-Petition der Gruppe verzeichnet inzwischen mehr als 100.000 Unterschriften.
Es passiert heute recht oft, dass sich Konzerne oder andere institutionelle Investoren wegen ethischer Bedenken oder aus Gründen des Umweltschutzes aus Investments zurückziehen – auf Englisch gibt es dafür den Begriff „Divestment“. Die Allianz etwa will nicht mehr in Unternehmen investieren, die mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit Kohle oder Kohlestrom machen. Die Axa zieht sich ebenfalls aus der Kohleindustrie zurück und meidet darüber hinaus Unternehmen aus der Tabak-Branche. Konzerne kommen mit solchen Entscheidungen in der Regel Forderungen von Umweltaktivisten nach. Divestment-Aufrufe mit politischem Hintergrund sind seltener. Wie im aktuellen Fall haben politische Divestment-Aktivisten meist Israel im Visier.
Es ist vor allem eine im Jahr 2005 gegründete, transnationale Organisation, die Israel wirtschaftlich isolieren will: Die Gruppe Boycott, Divestment and Sanctions (BDS), die als einzige Organisation SumOfUs bei ihrem aktuellen Divestment-Aufruf unterstützt. Sie verlangt, dass Israel die Besiedelung „allen arabischen Landes“ beendet und palästinensischen Flüchtlingen sowie deren Nachkommen die Rückkehr in ihre frühere Heimat ermöglicht. BDS hat prominente Unterstützer, darunter Pink-Floyd-Mitgründer Roger Waters und Regisseur Ken Loach, sie bekommt nicht zuletzt deshalb immer wieder öffentliche Aufmerksamkeit. Politikwissenschaftler stufen die Organisation indes als antizionistisch und antisemitisch ein. Viele Mitglieder sprechen dem jüdischen Staat das Existenzrecht ab.
Großinvestoren lassen sich nicht einspannen
Am Beispiel Israels kann man sehen, wie viel Macht politisch motivierte Divestment-Aktivisten haben – oder wie wenig. Eine Studie eines US-amerikanischen Think Tanks aus dem Jahr 2015 schätzt, dass die diversen BDS-Kampagnen die israelische Wirtschaft in den vorangegangenen zehn Jahren insgesamt 47 Mrd. US-Dollar gekostet haben. Ein interner Bericht der Regierung in Jerusalem kommt auf einen deutlich niedrigeren Wert. Darin heißt es, dass Boykotte, Divestments und Sanktionen Israel pro Jahr lediglich 1,4 Mrd. Dollar kosteten.
Welchen Schaden allein die Kapitalabzüge ausländischer Investoren in Israels Wirtschaft hinterlassen, ist unklar. Sonderlich groß dürfte er jedenfalls nicht sein: Erstens lassen sich nur wenige Großinvestoren vor den Karren der antisemitischen BDS-Bewegung spannen. Im Jahr 2015 erreichten ausländische Investitionen in Israel mit rund 285 Mrd. Dollar sogar einen neuen Rekord – sie lagen dreimal höher als zum Start von BDS im Jahr 2005. Zweitens haben israelkritische Privatanleger kaum eine Möglichkeit, ihrer Kritik über Kapitalabzüge Ausdruck zu verleihen .
Aktien aus dem Nahen Osten finden sich vor allem in sogenannten MENA-Fonds. Das Akronym steht für „Middle East and North Africa“. Als einziger Industriestaat in Nahost ist Israel in diesen Schwellenländer-Fonds aber in der Regel nicht vertreten. Am ehesten sind israelische Aktien in Fonds mit Fokus auf Technologie- oder Pharma-Werten zu finden. In Israel gibt es in beiden Branchen spannende Unternehmen. Weil der dortige Aktienmarkt sehr klein ist, machen Tech- und Pharma-Werte aus Israel allerdings auch in speziellen Branchenfonds höchstens einen sehr kleinen Teil des Portfolios aus. Inzwischen gibt es zwar auch einige börsengehandelte Indexfonds (ETFs), die israelische Aktienindizes nachbauen. Diese sind aber Nischenprodukte und haben dementsprechend keinen großen Einfluss auf den Markt.