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Nach Trump Wohin will Web3? Die Kryptowelt geht durch eine Identitätskrise

„History in the making“: Dass Donald Trump kurz vor seiner Amtseinführung einen eigenen Memecoin launchte, stieß vielen in der Kryptobranche sauer auf
„History in the making“: Dass Donald Trump kurz vor seiner Amtseinführung einen eigenen Memecoin launchte, stieß vielen in der Kryptobranche sauer auf
© NurPhoto /Jonathan Raa / IMAGO
Die Kryptowelt setzt große Hoffnungen auf die neue US-Regierung – man erwartet einen neuen Boom. Doch nicht allen schmeckt das Bündnis mit Trump. In der Web3-Szene tun sich Risse auf

Gary Gensler, der kryptokritische Chef der US-Finanzaufsicht SEC, ist abgetreten; die ersten Erleichterungen für die Kryptowelt wurden von der neuen Trump-Regierung auf den Weg gebracht; Elon Musk will Blockchain-Technologie für seine Generalüberholung der amerikanischen Bundesverwaltung einsetzen; überhaupt, es amtiert nun ein US-Präsident, der sein Land zur führenden Kryptonation der Erde machen will. Es scheinen, nach allem Dafürhalten, goldene Zeiten für die sogenannte Web3-Welt von Kryptowährungen und Blockchain-Technologie anzubrechen.

Die Aufbruchstimmung hat allerdings nicht das gesamte Kryptouniversum gleichermaßen erfasst. Im Gegenteil, es gibt eine Reihe von Konflikten, die sich nun auftun – teils sind es neue Rivalitäten, teils alte Sollbruchstellen, die nun aufreißen. Gerungen wird um Macht und Einfluss, in Teilen geht es aber auch um grundlegendere Fragen: Was ist und wohin will Web3 eigentlich? 

Denn die neue Welt, in der Branchenvertreter gut eine Viertelmilliarde Dollar in den US-Wahlkampf pumpten und sich damit Trumps Wandlung zum Kryptofan erkaufen konnten, in der ernsthaft über den Aufbau einer strategischen Kryptoreserve diskutiert wird und in der ein Präsident seinen eigenen Memecoin propagiert – sie gefällt nicht allen. 

Erste kritische Stimmen wurden nach dem Launch des $TRUMP-Coin laut. Ethereum-Gründer Vitalik Buterin nannte den Memecoin ein „perfektes Bestechungsvehikel“. Der Investor und Trump-Unterstützer Nic Carter ärgerte sich, damit werde „das Gegenteil unserer Validierung“ erreicht: „Das lässt uns komplett unseriös aussehen.“ 

Lobbyismus wie bei den Banken

Dass Trump jetzt offenbar zum Kryptolager gehört (und sich die vorhandenen Pump-and-Dump-Möglichkeiten gleich zunutze macht), stößt ohnehin vielen Branchenvertretern auf, die sich politisch anderweitig verorten. Überhaupt: War es nicht schon Verrat an der Ursprungsidee der Staatsferne, dass sich die Branche in den US-Wahlkampf mit ihren Millionen einmischte?

„Wenn wir als Industrie sagen, dass Banken mit ihrem Lobbyismus Innovationen verhindern, dann können wir nicht hingehen und das gleiche tun“, kritisiert Julian Leitloff, Gründer des Berliner Blockchain-Start-ups idOS, gegenüber Capital. Er gehe davon aus, dass „viele im Kryptobereich“ das genauso sähen. „Viele haben es aber auch aufgegeben, sich der Öffentlichkeit zu erklären – weil sie sich mit gewissen anderen Leuten im Kryptobereich nicht identifizieren wollen, aber auch, weil es unheimlich schwer ist, gegen eine Wahrnehmung anzukommen, die von einer preisgesteuerten und rein spekulativen Sicht auf Krypto bestimmt wird.“

Auch im deutschen Bundestagswahlkampf sorgte mit der Wiener Handelsplattform Bitpanda ein wichtiger Kryptoplayer mit hohen Parteispenden für Aufsehen: Mit den insgesamt 1,75 Mio. Euro für CDU, SPD, FDP und CSU wollte Gründer Eric Demuth nach eigenen Angaben eine Stärkung der demokratischen Strukturen und des Meinungsbildungsprozesses erreichen; gleichzeitig hat die Industrie auch hierzulande handfeste Interessen und politische Vorstellungen, die sie gerne umgesetzt sähe – schaden dürften die Spenden dabei nicht. 

„Bleibe in der Branche“

Ebenfalls kontrovers wird die Idee einer staatlichen Reserve an Kryptowährungen diskutiert. Kaum ein ernsthafter Ökonom hat sich bislang hinter den Plan gestellt, was etwa FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner nicht daran hinderte, den Vorschlag auch für Bundesbank und EZB ins Spiel zu bringen. Gleichzeitig stoßen sich manche Szeneköpfe auch an dem offensichtlichen Widerspruch, dass ein private Anti-Establishment-Währung auf einmal von staatlichen Stellen gehalten und gefördert werden sollte. Doch darüber wird offenbar in weiten Teilen der Branche schon wieder hinweggesehen – stattdessen streiten sich in den USA Bitcoin-Jünger und Ripple-Vertreter darüber, ob die Reserve nur Bitcoin oder auch andere Kryptowerte enthalten sollte. 

Einigen Web3-Vertretern ist bei solchen Debatten unwohl. Wer Krypto auf den hyperfinanzialisierten Einsatz von Blockchain-Technologie begrenze, der unterschlage, dass „es etwas ist, dass nicht nur dafür optimiert ist, schnell reich zu werden, sondern das versucht, wirklich einen Beitrag zur Gesellschaft und zum größeren Ökosystem zu leisten“, so Sebastian Bürgel des Ethereum-Projekts Gnosis in einem Podcast.

In Frage steht, mal wieder, ob Krypto nur dazu dient, einige Menschen sehr reich zu machen (zum Nachteil der später Eingestiegenen), oder ob damit mehr erreicht werden kann, ob Web3 das Versprechen, ein neues dezentrales Internet zu schaffen, einlösen kann. Ein Branche zweifelt an sich selbst, zumindest ein bisschen.

Hinter den Erwartungen

Denn dass die Ausbreitung der Blockchain-Technologie mehr als anderthalb Jahrzehnte nach ihrer Einführung mit Bitcoin weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückgeblieben ist, bezweifeln auch Insider nicht. „Es ist schon frustrierend zu sehen, wie lange wir in manchen Bereichen brauchen, um konkrete Use Cases zu bauen und auch zu etablieren“, sagt Julian Leitloff. „Und in vielen Bereichen ist es uns aktuell noch nicht gelungen, Alternativen in die breite Masse zu tragen.“ 

Es sei beispielsweise schade, „dass wir kein Social-Media-Angebot auf Blockchain-Basis machen können, das sich an eine Gruppe richtet, die – zu Recht – keine Lust mehr auf Twitter hat“. In anderen Bereichen habe die Branche aber an Boden gewonnen, so würden Stablecoins in den nächsten Jahren „den Markt umkrempeln“. Er glaube nicht, „dass wir mit Blockchain jetzt kurz vor dem Durchbruch stehen“, so Leitloff. Aber man werde „gerade im Finanzsektor in den nächsten zehn Jahren krasse Veränderungen sehen“.

Grundsätzlich gibt sich der Gründer aber überzeugt, „dass Blockchain gesellschaftlich an Relevanz gewinnt“ – weil es eine Lösung sein könne „für ein paar Probleme, die wir haben – zum Beispiel eine absolut wild gewordene Datenspeicherung und -nutzung“. In einer immer weniger nationalstaatlich verfassten Welt müsse man sich zudem fragen: „Brauchen wir nicht eine Art von digitales Governance-System? Auch dafür sehe ich nur Blockchain als Lösung.“ Die Tatsache, so Leitloff, „dass wir solche Tools unbedingt brauchen werden, lässt mich dann doch daran festhalten, in dieser Branche zu bleiben“. 

Es sei, so äußerte sich jüngst auch der Chefjurist von Coinbase, Paul Grewal, gegenüber Bloomberg, „ganz natürlich und ehrlich gesagt nicht überraschend, dass gerade einige heftige Ansichten geäußert werden, die sich teilweise auch widersprechen“. Denn die Kryptowelt, sie befinde sich nun „in einem kritischen Moment des Übergangs“.

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