Wer die Entwicklung der Solarbranche in Deutschland intensiver verfolgt, dem ist sicherlich eins aufgefallen: Es bahnt sich ein Déjà-vu der Jahre 2011 bis 2013 an. Von der Auftragsflut im vergangenen Jahr, ausgelöst durch den besonders hohen Strompreisanstieg zu Jahresbeginn und dem Ukrainekrieg, ist es in der Solarbranche jetzt ruhig geworden. Das liegt vor allem daran, dass trotz aller Panikmache die Strompreise wieder gefallen sind und der Bedarf nach einem Photovoltaiksystem wieder gesunken ist. Auch spielen die massive Zinssteigerung von unter einem auf mehr als vier Prozent und die Verunsicherung der Bevölkerung durch undurchdachte Gesetze und Förderungen eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Alle Prognosen standen zu Jahresbeginn auf Wachstum und hohe Nachfrage. Die Realität schaut anders aus, und es hat ein Kampf um die wenigen Kunden begonnen. Dem gegenüber steht eine Überproduktion von Photovoltaikmodulen aus China. Das Resultat: Die Preise für chinesische Module sind seit 2022 um 40 Prozent gefallen und liegen aktuell auf einem historischen Tief. Deutsche Hersteller können bei dieser Preisschlacht nicht mithalten und kämpfen derzeit nicht nur darum, sich auf dem Markt zu behaupten, sondern um ihre weitere Existenz. Chinesische Hersteller nutzen die Gunst der Stunde.
Todesstoß ab 2011
Im April 2000 trat das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft und löste damit Deutschlands ersten Solarboom aus. Ein Großteil der Photovoltaikmodule- und Wechselrichterhersteller kamen mit einer tiefen Wertschöpfung aus Europa. Nachdem China Wind vom deutschen Solarboom bekam, investierten chinesische Unternehmen, unterstützt von der Regierung, in die Modulproduktion und fluteten den europäischen Markt. Die Folge war ein ruinöser Preiskampf zu Lasten hiesiger Unternehmen. Den Todesstoß bekam die deutsche Solarindustrie aber in den Jahren 2011 bis 2013. Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung, allen voran Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, entschloss sich, die Förderung für erneuerbare Energien zurückzufahren. Damit lenkte sie die innereuropäische Solarproduktion in den Abgrund.
Die Solarproduktion lag nicht mehr in europäischen Händen. In den darauffolgenden Jahren ist China zum dominierenden Solarstaat geworden, der seine Güter in die ganze Welt exportiert. Das zeichnet sich auch bei den deutschen Importgütern ab. Im Jahr 2022 kamen laut Destatis-Zahlen 87 Prozent der nach Deutschland importierten Solarmodule aus China. Das macht sich auch auf dem Markt bemerkbar: In keinem Segment ist die Abhängigkeit von China so groß wie bei der Photovoltaiktechnologie.
Massive Preissteigerungen dank Monopol
Glücklicherweise hat man aus den Fehlern gelernt. Die derzeitige Bundesregierung versucht, die Solarproduktion im eigenen Land wieder hochzufahren, was aber unter dem Ungleichgewicht nur sehr schwer funktioniert. Chinas Marktanteil bei den Wafern liegt nach Angaben des Fraunhofer Instituts bei 97 Prozent. Wafer sind das zentrale Vorprodukt für die Solarzellen: dünne Schreiben, die mit Hilfe des photovoltaischen Effekts Sonnenenergie in elektrische Energie umwandeln. Der Aufbau von Solarmodulen ohne chinesische Teilhabe erscheint unmöglich. Seit Sommer 2023 befinden sich die Modulpreise im freien Fall.
Zu den Marktpreisen, die aktuell von den chinesischen Herstellern aufgerufen werden, können selbst diese nicht produzieren. Die massiven Subventionen für ihre Hersteller, sorgen dafür, dass China eine monopolähnliche Stellung im europäischen Solarmarkt zementiert hat. Einen weiteren Knackpunkt gibt es bei den Elektronikbauteilen, für Wechselrichter und Stromspeicher, die ebenfalls aus Fernost kommen. 2020 kam es zu massiven Engpässen, weshalb europäische Hersteller nicht oder nur mit monatelangen Wartezeiten produzieren und liefern konnten. Allein zwischen Oktober 2020 und Oktober 2022 sind die Preise um mehr als die Hälfte gestiegen. Auslöser dafür vor allem eine Covid-bedingte Verknappung des Angebots bei gleichzeitigem Anstieg der Nachfrage.
Wo es bei den Modulen einen Überschuss gibt, mangelt es an gut ausgebildeten Fachkräften. Eine effektive Solarwirtschaft benötigt nicht nur ausreichende, sondern gut ausgebildete Fachkräfte, besonders bei der Installation und Montage der Photovoltaikanlagen. So schreibt das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, dass es allein im ersten Quartal 2023 in Deutschland 1,7 Millionen offene Stellen gab – 250.000 davon in der Solar- und Windenergiebranche. Deutschland kann seine Ausbauziele nicht erreichen, wenn es keine geeigneten und qualifizierten Fachkräfte gibt. Die regionalen Handwerksbetriebe, die für die Energiewende vor Ort verantwortlich sind, leiden besonders unter der Personalnot, auch wegen der hohen Löhne, die Mitarbeitende in der Industrie bekommen.
Höhere Vergütungen für PV-Anlagen aus Europa
Bis sich Deutschland von der Abhängigkeit von chinesischen Herstellern loseist, wird es folglich noch einige Zeit dauern. Auch wenn sich einige Branchenteilnehmer für die Einführung von Strafzöllen aussprechen, hätte das massive Nachteile für die hier produzierende Unternehmen und für die weitere Energiewende. Deutschland beziehungsweise Europa hat derzeit nicht die Produktionskapazitäten für den solaren Ausbau. Wir sind auf China und seine Produkte angewiesen, um den Photovoltaikausbau voranzutreiben.
Gezielte finanzielle Förderungen für den Kauf europäischer Produkte können bei den Verbrauchern Anreize liefern, sich für diese zu entscheiden, und damit die heimische Wirtschaft ankurbeln. Beispielsweise kann das eine höhere Einspeisevergütung für Solaranlagen mit mehr als 50 Prozent europäischer Wertschöpfung sein. Bei deutschen und europäischen Modulen könnte die Einspeisevergütung entsprechend höher ausfallen, oder es könnten Fördersätze für europäische Produkte eingeführt werden.
Heimische Produktionsstandorte müssen für die Wiederansiedlung der Industrie gefördert werden. Wie das funktioniert, haben die Chinesen in der Vergangenheit gezeigt. Die massiven solaren Förderungen aus Fernost in die eigene Photovoltaikindustrie könnten der Bundesregierung als Blaupause dienen, die hiesige Produktion zu steigern.
Undurchdachte Förderungen bringen nichts
Was die Solarindustrie in Deutschland nicht braucht, sind willkürliche Förderungen. Die Auswirkung solcher Maßnahmen konnte die Solarbranche bei der sogenannten KfW 442 Förderung im vergangenen September beobachten: Das Förderprogramm für Solaranlagen, Speicher und Ladestationen für E-Autos hat für einen kurzen Ansturm gesorgt – gefolgt von einem großen Vertrauensverlust der Bevölkerung, Frust und Tausenden stornierten Aufträgen. Ein Chaos, das nur für Mitnahmeeffekte bei bereits bestehenden Photovoltaikvorhaben und ein kurzfristiges Anfragehoch gesorgt hat. Nicht einmal zwei Monate nach der Förderung hat sich dieses Hoch in eine Flaute verwandelt. Aus dieser Art der Förderung hat China definitiv mehr Nutzen gezogen als die Bundesrepublik. Aktuell ist die Nachfrage unter dem Niveau von 2020. Dabei sollen in Deutschland im kommenden Jahr 13 GWp neue Solarleistung zugebaut werden. Kaum vorstellbar. China sieht hier die Chance, in den Markt einzugreifen und seine Marktdominanz auszubauen.
Produktionsstandort Deutschland stärken
Die Bundesregierung hat jetzt die Möglichkeit, die Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten und einen effektiven Weg in der Energiewende einzuschlagen. Es braucht konkrete Anreize für Unternehmen und Kunden, damit jeder einzelne die Energiewende gestalten kann. Deutsche und innereuropäische Produkte könnten durch höhere Einspeisevergütungen für Endkunden subventioniert werden, wodurch außereuropäische Dumpingprodukte aus dem Markt gedrängt werden. Alternative ist die prozentuale Festlegung von europäischen Komponenten beim Bau einer Anlage. Damit würde der Produktionsstandort Deutschland gestärkt, während übergangsweise noch Komponenten aus Fernost importiert und verbaut werden. Im Vordergrund muss ein Ziel stehen: die schnellstmögliche Abkopplung von China und den Produkten aus Fernost.