Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs geht wegen irreführender Werbung gegen das Energieunternehmen 1Komma5° vor. Wie die Wettbewerbszentrale auf Anfrage von Capital bestätigte, hat sie das Hamburger Start-up im Oktober abgemahnt. In der Abmahnung forderte sie, eine Unterlassungserklärung für eine Aussage zu seinen dynamischen Stromtarifen abzugeben.
Bei der Wettbewerbszentrale handelt es sich um eine Einrichtung der Wirtschaft zur Selbstkontrolle. Die Aufgabe des Verbands ist es, gegen unlautere Geschäfts- und Werbepraktiken vorzugehen. Dazu kann er Unterlassungsansprüche durchsetzen, notfalls auch vor Gericht.
Seit der Gründung im Jahr 2021 hat 1Komma5° die Energiebranche mit hohem Wachstum und offensivem Marketing aufgemischt und zählt zu den wenigen deutschen Energie-Start-ups mit Milliardenbewertung. Das unter anderem von dem früheren Tesla- und Sonnen-Manager Philipp Schröder gegründete Greentech-Unicorn bietet den Verkauf und die Installation von Solaranlagen, Batterien, Wallboxen und Wärmepumpen aus einer Hand und strebt nach früheren Aussagen einen Börsengang für 2025 an. Durch das Ende des Solarboom bei Privathaushalten hat sich der Wettbewerbsdruck in der Branche zuletzt massiv verschärft.
Konkret geht es bei der beanstandeten Werbung um einen Flyer des Unternehmens, in dem die Rede von „kostenlosem Strom“ dank eines dynamischen Tarifs mit intelligentem Stromzähler war. Dieses Versprechen sei nicht haltbar, weil die Strompreise an der Strombörse selbst bei hoher Einspeisung von Wind- und Solaranlagen nur wenige Hundert Stunden im Jahr negativ seien, moniert die Wettbewerbszentrale. Auch müssten die Kunden bei negativen Börsenpreisen noch Stromsteuer, Netzentgelte und Umlagen bezahlen. Zudem werde in der Werbung nicht deutlich, dass der Tarif nur für Kunden gelte, die die Systeme mitsamt der Steuerungssoftware („Heartbeat AI“) von 1Komma5° gekauft haben – mit Anschaffungskosten in fünfstelliger Höhe.
Unternehmen: Jeder dritte Kunde hat „effektiv keine Kosten“
Auf Anfrage von Capital teilte das Unternehmen mit, es nehme „die Kritik an, wo sie gerechtfertigt ist“. Die Kommunikation sei bereits auf „nahezu kostenlosen Strom“ und einen Hinweis „mit Heartbeat AI und PV-Anlage“ angepasst worden, „um Missverständnissen vorzubeugen“. Zugleich betonte es, zuletzt habe ein Drittel der Nutzer seiner intelligenten Systeme dank optimiertem Verbrauch und Erlösen aus der Einspeisung überschüssigen Stroms auch nach Abgaben und Umlagen mehr Einnahmen als Ausgaben gehabt – und damit „effektiv keine Kosten mehr für die Stromnutzung“.
Bislang hat 1Komma5° zu den beanstandeten Aussagen allerdings noch keine Unterlassungserklärung abgegeben. Derzeit liefen Verhandlungen mit dem Unternehmen über eine Unterlassungserklärung, erklärte die Wettbewerbszentrale. Man sei zuversichtlich, dass man „den Rechtsstreit bald gütlich beilegen können“ werde.