Eric Adams wiederholt es wie eine Beschwörung: „New York bleibt offen“, sagte der frisch ins Amt eingeführte Bürgermeister der US-Metropole immer wieder oder zuletzt bei CNN in einem Appell an die Einwohner und Unternehmen der Stadt: „Wir müssen öffnen!“ Obwohl sich zuletzt im Zuge der Omikron-Welle eine Million Menschen in den USA pro Tag mit Corona infizierten, schließen Politiker vielerorts Maßnahmen wie Lockdowns, Schulschließungen oder weitgehende Kontaktbeschränkungen aus. Doch das öffentliche Leben kommt trotzdem teilweise zum Erliegen.
Es zeigt sich, es sind nicht allein die staatlichen Corona-Maßnahmen, sondern es ist das Infektionsgeschehen selbst, das die Wirtschaft nicht nur in New York, sondern auch an anderen Orten, wo die Pandemie längst besiegt schien, in die Knie zwingt. Die Rekordfallzahlen brächten die Geschäftstätigkeit zum Erliegen durch Personalausfälle aufgrund von Krankheit oder Quarantäne, indem Sorge um die Gesundheit oder Schulschließungen Menschen davon abhielten, Arbeit zu suchen und indem sie Konsumenten dazu brächten, bei Käufen und Dienstleistungen zurückhaltender zu sein, heißt es in einer Analyse von Oxford Economics zum US-Arbeitsmarkt.
In New York ist es mehr als ein Gefühl, dass die Straßen, Restaurants und öffentlichen Verkehrsmittel wieder ungewöhnlich leer erscheinen. Die Daten der Transportbehörde MTA zeigen, dass die Auslastung der New Yorker U-Bahn in den vergangenen Wochen wieder auf etwa die Hälfte des gewöhnlichen Vor-Corona-Niveaus gefallen ist. Auch in den kommenden Tagen, wenn viele New Yorker ihre Winterferien beenden, dürfte das kaum besser werden. Allen Appellen des Stadtoberhaupts zum Trotz haben viele Banken, Kanzleien und andere Arbeitgeber ihre Angestellten wieder ins Homeoffice geschickt.
Zum anderen ist es das Virus selbst, das die Menschen zu Hause und die Betriebe geschlossen hält. Omikron mag im Vergleich zu anderen Corona-Varianten weniger tödlich sein, doch angesichts der hohen Infektionszahlen fallen trotzdem viele Arbeitnehmer aus. So soll der nach Angaben der Fluggesellschaften hohe Krankenstand dafür verantwortlich sein, dass in den USA seit den Weihnachtsfeiertagen weit über 10.000 Flüge ausfielen.
Die MTA musste auch die Zahl der U-Bahn- und Busfahrten wegen Personalausfällen reduzieren. Hart getroffen ist auch die Gastronomie. Laut Zahlen des Reservierungsportals Open Table verzeichneten New Yorker Restaurants zuletzt weniger als 60 Prozent der Gäste im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019. Grund dafür dürften sowohl eine Zurückhaltung unter den Gästen als auch Schließungen aufgrund von fehlenden Mitarbeitern sein.
Hälfte der Restaurant-Gäste in Madrid sagt ab
Ähnlich wie in New York sieht es in anderen Teilen der Welt aus. So gelten auch in Madrid in Spanien für die Gastronomie fast keine Restriktionen mehr. Das Geschäft läuft angesichts einer Sieben-Tage-Inzidenz von weit über 1000 trotzdem nicht. Der Branchenverband Hosteleria Madrid schätzt, dass im Dezember in der Region die Hälfte aller Reservierungen wieder abgesagt wurde. Das allein entspreche einem Schaden von 350 Millionen Euro.
Auch in der britischen Hauptstadt London, wo sich zuletzt etwa 150.000 Menschen pro Tag infizierten, gelten kaum noch Corona-Einschränkungen. Doch die Versuche, das öffentliche Leben in die Metropole zurückzuholen, fruchten kaum. Laut Open Table fiel die Zahl der Restaurantbesucher in Großbritannien Ende Dezember auf das niedrigste Niveau im Vergleich zum entsprechenden Vor-Corona-Zeitraum seit der Aufhebung aller Gastronomie-Restriktionen im Mai 2021. In London ist der Einbruch besonders heftig.
Auch die Auslastung öffentlicher Transportmittel in London fiel im Laufe des Dezembers stetig – schon vor dem zu erwartenden Rückgang an den Feiertagen. Bewegungsdaten von Google zeigen, dass 40 Prozent weniger Menschen zu ihren Arbeitsplätzen pendelten als vor der Corona-Krise.
Direkten Einfluss dürfte die Omikron-Welle Ökonomen zufolge vor allem auf die Gastronomie und Reisebranche haben. Die Rating-Agentur Moody's reduzierte bereits ihre Wachstumsprognose für die USA, unter anderem wegen geringer zu erwartender Ausgaben in diesen Bereichen. Inwieweit die Welle andere Branchen erfasst, ist allerdings von der Entwicklung des Krankenstandes abhängig. Die britische Regierung bereitet schon Notfallpläne für einen Ausfall von bis zu 25 Prozent des Personals im Öffentlichen Dienst vor. Bei einem solchen Ausmaß des Infektionsgeschehens dürfte, auch ganz ohne Lockdown, kaum ein Bereich der Wirtschaft und Gesellschaft unbeschadet bleiben.
Der Beitrag ist zuerst erschienen auf ntv.de .