Gesellschaften neigen dazu, im Umgang mit Epidemien in einen Zyklus von Panik und Vernachlässigung zu fallen. Diese Einsicht von Historikern mag teilweise erklären, warum zahlreiche Warnungen der Wissenschaft ungehört verhallten, obwohl sich gar nicht mehr die Frage stellte, „ob“ ein neuartiges Coronavirus sich seuchenartig verbreiten würde, sondern vor allem „wann“.
In dieses Muster fügen sich die Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz von 2012 ein – genauso wie internationale Vergleiche der Sicherheitsvorkehrungen rund um den Globus. Wie Länder aufgestellt sind, um sich ausbrechenden Seuchen entgegenzustemmen, bewertet etwa der Global Health Security Index . Er bewertet die Gesundheitssicherheit in 195 Ländern und gibt Empfehlungen, wo die Gesundheitssysteme aufgerüstet werden müssen.
Einiges liegt im Argen. Die jüngste Bilanz, die vom amerikanischen Johns Hopkins Center for Health Security in Baltimore und der Nuclear Threat Initiative in Washington 2019 erstellt wurde, bescheinigt der nationalen Gesundheitssicherheit weltweit eine "grundlegende Schwäche" ist. „Kein Land ist gänzlich auf Epidemien oder Pandemien vorbereitet, und jedes hat bedeutende Lücken zu füllen.“ Sogar unter Ländern mit mittlerem und hohem Wohlstand kamen 116 über 50 von 100 möglichen Indexpunkten nicht hinaus.
Theorie und Härtetest
Dabei müssen sich auch die Forscher die Frage gefallen lassen, inwieweit ihre Ergebnisse einem Härtetest standhalten. Denn ausgerechnet die USA, in der die Covid-19-Erkrankung inzwischen ihr neues Epizentrum gefunden hat, liegen in dem Ranking auf Platz eins. Das Bild mag mit der Realität, wie sie sich beispielsweise derzeit in New York zeigt, nicht recht harmonieren.
Geprüft werden bei genauerem Hinsehen sehr unterschiedliche Faktoren: Dazu gehört die Prävention, wie also der Entstehung oder Freisetzung von Krankheitserregern vorgebeugt wird; die Aufdeckung und Meldung von Epidemien; die Fähigkeit, schnell auf einen Ausbruch zu reagieren und die Ausbreitung einzudämmen; die Robustheit eines Gesundheitssystems zur Behandlung von Erkrankten und zum Schutz des Personals; die Verbesserung nationaler Kapazitäten und die Behebung von Lücken; und schließlich ein Risikoumfeld, das auch politische Unsicherheiten berücksichtigt.
So rangieren die USA mit 83,5 Indexpunkten zwar als die Nation, die danach am besten auf eine Epidemie vorbereitet sein sollte: mit Einrichtungen, Laboratorien, Notfallplänen. Doch was nützt die gute Infrastruktur, wenn die Politik versagt? So wurde ein Pandemie-Bereitschafts-Büro im Nationalen Sicherheitsrat 2018 abgewickelt. Präsident Donald Trump erklärte dem Gesundheitssystem vor wenigen Jahren noch den Krieg, um es jüngst als „das beste der Welt“ zu preisen. Die Belastungsprobe durch Covid-19 besteht es gerade nicht. Gesundheitsexperten sehen die Ursünde darin, dass zu spät und zu wenig auf Infektionen getestet wurde.
In Europa führt Großbritannien
Auch in Europa führen in dem Ranking nicht ausnahmslos Staaten, von denen man intuitiv annehmen würde, sie seien am besten gewappnet. So rangiert Großbritannien mit 77,9 Punkten auf Gesamtplatz zwei, allerdings mit deutlichen Abstrichen in der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems (NHS). Auch hier haben politische Fehlentscheidungen, langes Zögern der Regierung möglicherweise zu einem schwereren Verlauf der Corona-Pandemie beigetragen. Schweden und Dänemark nehmen Platz sieben und acht ein, vor Finnland auf Platz zehn. Darauf folgen Frankreich, Slowenien, die Schweiz und Deutschland auf einem guten Rang 14. Allen Ländern ist gemein, dass sie wohl gute Notfallszenarien und Krisenpläne in der Schublade haben, sie aber nicht ausreichend durchexerzieren und in der Reaktionsfähigkeit eingeschränkt sind.
Dies sind die Länder, die nach dem Global Health Security Index am besten gegen Epidemien gewappnet sind:
Diese Länder sind am besten gewappnet gegen Pandemien

Reiche Länder erzielen einen Durchschnittswert von 51,9. Die USA führen mit 83,5 Punkten und Bestwerten in mehreren Kategorien, wie in der Prävention eines Ausbruchs, der frühen Aufdeckung und Meldung von Epidemien sowie der allgemeinen Kapazität der Gesundheitseinrichtungen. Auch die Ausstattung mit Geräten und Tests zur Infektionskontrolle ist dem Index zufolge bestens. Schwächen zeigen sich beim Zugang zu ärztlicher Versorgung, mit einem Wert unter dem globalen Durchschnitt. Auch die Notfallreaktion erzielt keinen Spitzenwert. Und die politischen Risiken liegen mit 75 Punkten nur wenig über dem Gesamtdurchschnitt von 60,4 Punkten und am niedrigsten unter den Top 10, außer Thailand. In den USA gibt es derzeit laut der Zählung der Johns Hopkins-Universität knapp 400.000 gemeldete Covid-19-Fälle.

Das Vereinigte Königreich erntet die höchsten Werte unter allen Ländern für seine rasche Reaktionsfähigkeit (91,9) und perfekte Noten für die Übung von Reaktionsplänen, die Vernetzung von Gesundheits- und Sicherheitsbehörden, vorbereitete Handels- und Reisebeschränkungen und die Kommunikation der Gefahrenlage. Beim universellen Zugang zu ärztlichen Leistungen sind die Abstriche geringer als in den USA. Im Vergleich zu Deutschland liegen die Briten auch in der digitalen Infrastruktur vorne, sagen Experten. Fälle würden schneller erfasst, in Systeme eingespeist und mit anderen Systemen geteilt. In Großbritannien sind rund 56.000 Infektionen bestätigt.

Die Niederlande erhielten Top-Bewertungen für ihre Kapazitäten, Verdachtsfälle schnell zu testen und neue Gegenmaßnahmen zu genehmigen. Auch die Risikokommunikation und Verlinkung zwischen Gesundheits- und Sicherheitsbehörden für den Bevölkerungsschutz wurden hoch bewertet. Besonders gut schneidet das Land bei der Verfügbarkeit ärztlicher Leistungen und – wie auch die meisten europäischen Partner – bei der sozialen und ökonomischen Belastbarkeit ab. Das Bild zeigt König Willem-Alexander beim Besuch einer Klinik.

Australien ist kein Vorzeigeland in Sachen Vorbeugung. Dafür ist das Land bestens bei der Aufdeckung, Meldung und Nachverfolgung von Infektionsketten aufgestellt. Für sein System von Laboren und die Beschäftigung einer hohen Zahl von Epidemiologen erhält es Bestnoten. Schlecht bewertet wurde die Fähigkeit, bestehende Reaktionspläne auch durchzuexerzieren sowie Ausbrüchen medizinisch und personell zu begegnen. Australien zählt aktuell 5900 Fälle.

Auch Kanada schneidet in der Prävention und der Vorbereitung auf den Notfall nicht glänzend ab, erzielt aber Höchstnoten bei der Aufdeckung, Nachverfolgung und Ausstattung von Laboren und Diagnostika. Auch die Fähigkeit, in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft die Schocks von Epidemien abzufedern, wird als ausgezeichnet bewertet. Kanada hat bislang etwas mehr als 17.000 Fälle gemeldet.

Thailand ist sehr gut gerüstet gegen biologische Risiken und weist dem Index zufolge ausgezeichnete Labortechnik und -ausstattung vor. Notfallpläne gibt es hinreichend, aber Krisenszenarien werden wie in den meisten Ländern selten durchgespielt. Besser sieht es bei der Aktivierungsfähigkeit von Gegenmaßnahmen im Notfall aus, allerdings mit Abstrichen beim Personal. Das politische und sicherheitstechnische Umfeld wurde als unterdurchschnittlich bewertet. Thailand meldet derzeit nur 2258 Corona-Erkrankte. Thailand meldet derzeit 2.258 Corona-Erkrankte.

Nahezu in allen Kategorien schneidet Schweden in dem Sicherheitsindex von Johns Hopkins sehr gut ab – mit Abstrichen in der schnellen Reaktionsfähigkeit. Auch die Kommunikationsfähigkeit mit der Ärzteschaft wird während einer Krise schlecht bewertet. Vor allem was die Einhaltung und Anpassung an internationale Seuchenkontrollvorgaben angeht, liegt Schweden aber ganz vorn. In Schweden gibt es gut 7700 gemeldete Infektionen.

Sehr gut steht das Land mit seinen Laborkapazitäten und der Fähigkeit zur Aufdeckung, Meldung und Nachverfolgung von Erkrankungen und Infektionsketten da. Auch in der Transparenz und dem Austausch von Daten schneidet das Königreich gut ab. Wie in allen Top-Rängen des Index mangelt es auch hier an vorbereiteten Handlungsempfehlungen und der Ausstattung mit Geräten und Material zur Infektionskontrolle. Dänemark hat knapp 5300 Fälle angezeigt.

Das vielfach als Modell im Umgang mit der Corona-Pandemie gelobte Land weist auch in dem Index ein äußerst robustes System zur Aufdeckung von Infektionsketten und ihrer Meldungen auf. Während der Bereich Prävention eher durchschnittlich abschneidet, sticht das Land mit einer Armee von Epidemiologen heraus und mit der Bereitschaft, systemisch und personell schnell auf einen Ausbruch zu reagieren. Südkorea meldet derzeit etwas mehr als 10.300 akut Erkrankte.

Finnland liegt in der Prävention etwa gleichauf mit Deutschland, erzielt Bestwerte in der Verfügbarkeit von Laboren und für seine Notfallpläne. Auf deren Durchführung scheint das Land weniger gut vorbereitet, auch was die Ausstattung mit qualifiziertem Personal betrifft. Internationale Infektionsschutz- und Sicherheitsnormen werden überdurchschnittlich gut eingehalten. Für Finnland sind rund 2300 Fälle gemeldet.

Die Bundesrepublik ist nach dem Index äußerst gut aufgestellt, was die Dichte von Labortechnik betrifft. Auch die Erfassung und Kommunikation von Krankheitsfällen schneidet sehr gut ab. Weniger gut gewappnet ist Deutschland dem Index zufolge in der Vorbereitung auf einen Notstand und der Fähigkeit, einer Epidemie mit schnellen Reaktionen entgegenzuwirken. Das Gesundheitssystem samt Kliniken, Personal, Zugang zur Versorgung sowie der Ausstattung mit Material zur Infektionskontrolle und Test-Kits rangiert mit 48,2 Punkten weit hinter den USA mit 73,8 Punkten in dieser Kategorie. In Deutschland zählte Johns Hopkins zuletzt mehr als 107.000 Infizierte.