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Western von gestern Wie sich Hoover mit Freiflügen ruinierte

Harry Cichy kämpfte für geprellte Staubsaugerkäufer
Harry Cichy kämpfte für geprellte Staubsaugerkäufer
© Illustration Jindrich Novotny
In Großbritannien steht „to hoover“ für Staubsaugen. Doch das Unternehmen führt nur noch ein Schattendasein als Marke eines italienischen Billigherstellers. Eine spektakuläre Werbeaktion brach Hoover das Genick

Zuerst sah alles nach einem gigantischen Erfolg aus. Englands Kunden rissen dem Gerätehersteller Hoover die Ware aus der Hand, das Staubsaugerwerk in Schottland musste Sonderschichten am Wochenende fahren und Arbeiter einstellen, um mit dem Liefern nachzukommen. Und das mitten in der Rezession!

Doch der Erfolg währte nur ein paar Wochen rund um den Jahreswechsel 1992/93. Denn die Kunden hatten nicht etwa zugegriffen, weil sie die Produkte so überzeugend fanden. Sondern wegen der Offerte, die der britische Zweig des US-Unternehmens Hoover in Anzeigen als „unglaublich“ angepriesen hatte: zwei Freiflüge in die USA für jeden, der ein Produkt für mindestens 100 Pfund kauft. Die mangelhafte betriebswirtschaftliche Logik dahinter konnte sich jeder ausrechnen. Sie brach der Marke in Europa nahezu das Genick – obwohl die Aktion nur zwei Monate lief.

Die Manager hatten die Beantragung der Freitickets bewusst umständlich gestaltet und darauf gesetzt, dass die meisten Kunden ­irgendwann genervt aufgeben würden. Doch bald waren sie mit mehr als 300.000 Käufern konfrontiert, die ihre Flugscheine verlangten. Auch die Zusatzerlöse, die man bei Hoover etwa für Hotelbuchungen einkalkuliert hatte, kamen nicht zustande.

Stattdessen bekam man es mit „vielen unglücklichen Kunden“ zu tun, wie bald selbst der Sprecher des US-Mutterkonzerns Maytag einräumte. Einer, ein Pferdezüchter aus der Provinz Cumbria, kidnappte unter öffentlichem Beifall den Lieferwagen des Hoover-Reparaturdiensts, nachdem er nicht nur keine Flüge, sondern auch eine kaputte Waschmaschine bekommen hatte.

Den Kampf für die Rechte der geprellten Kunden nahm Harry ­Cichy auf sich, ein Geschäftsmann aus Hertfordshire, der dafür eigens seinen Betrieb verkaufte. Am Ende musste Hoover viel Geld ausgeben, um seine Verpflichtungen zu erfüllen: 50 Mio. Pfund betrugen allein die direkten Kosten, die der Mutterkonzern in die Bilanz einstellte.

Auch der indirekte Schaden war enorm. In Großbritannien, wo „to hoover“ seit jeher das Synonym für Staubsaugen ist, sank der Marktanteil beim Hauptprodukt des Unternehmens von über 50 auf 15 Prozent. Maytag stieß den europäischen Teil der ehrwürdigen Marke 1995 an den italienischen Billighersteller Candy ab, unter dessen Dach sie bis heute ein Schattendasein führt.

Hauptperson

Harry Cichy, geb. 1953, ein Geschäftsmann aus Ostengland, gründete 1993 die Hoover Holidays Pressure Group, in der sich 8000 geprellte Kunden sammelten. Cichy machte auf der Hauptversammlung der Konzernmutter Druck. Die Gruppe bekam in mehreren Urteilen recht.

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