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Nach Viessmann-Verkauf Wer glaubt noch an die Wärmepumpe made in Germany?

Wärmepumpe an einer Hauswand
Bis 2030 sollen in Deutschland sechs Millionen Wärmepumpen verbaut werden
© IMAGO / JOKER
Mit dem Verkauf des Wärmepumpengeschäfts hat Viessmann für Aufsehen gesorgt. Aber lange nicht alle haben den Glauben an die Wärmepumpe aus Deutschland verloren – Hersteller investieren und Start-ups erweitern ihre Angebote

Es sind noch weniger als sieben Jahre, dann sollen sechs Millionen Wärmepumpen in deutschen Haushalten verbaut sein – so lautet das erklärte Ziel der Bundesregierung. Unbestritten ist also, dass für den deutschen Markt ein Wärmepumpenboom bevorsteht. 

Wer aber wird davon profitieren? Die Frage wird verstärkt diskutiert, seit der hessische Mittelständler Viessmann aus Furcht, bald von Billigprodukten aus Asien überrollt zu werden, seine Wärmepumpensparte jüngst in einem Mega-Deal in die USA verkauft hat. Der Käufer, der US-Konzern Carrier, habe mehr Produktionskapazitäten, Finanzkraft und Know-how im Bereich Klimatechnologie, hieß es. Viele Experten deuten die Entscheidung bereits als schlechtes Vorzeichen für den deutschen Industriestandort.

Aber lange nicht alle haben den Glauben an die Wärmepumpe aus Deutschland verloren. Da sind zum einen mehrere Hersteller, die jetzt investieren und sogar neu ins Geschäft einsteigen. Und zum anderen ist der Wärmepumpenmarkt auch sonst in Bewegung, immer mehr Start-ups stoßen als Anbieter in den Markt vor – und setzen dabei auf einen Mix aus ausländischen und deutschen Zulieferern.

Enpal setzt auf deutsche Wärmepumpen

Erst vergangene Woche kündigte das Berliner Start-up Enpal, selbsterklärter Marktführer für Solaranlagen bei Endkunden, seinen Markteinstieg an: In einer Pilotphase hat das Unternehmen schon die ersten Wärmepumpen installiert, im Laufe des Jahres sollen es insgesamt mehrere tausend Stück werden. Dazu kooperiert Enpal mit dem japanischen Unternehmen Daikin, das in Europa führend ist, und mit dem deutschen Technologiekonzern Bosch. Stück für Stück will das Start-up immer mehr Wärmepumpen des deutschen Herstellers abnehmen. 

Ein Grund für die Zusammenarbeit mit Bosch sei die Hoffnung auf mehr Liefersicherheit, heißt es. „Wir haben in den vergangenen Jahren Erfahrungen gemacht, welche Komponenten eher von Engpässen betroffen waren“, betont Lukas Rehling von Bosch gegenüber Capital. „Wir haben die Lieferkette entsprechend angepasst und dadurch sind die Lieferzeiten kürzer.“

Im Markt trifft Enpal auf das Heizungsstart-up Thermondo, das nach eigenen Angaben bislang mehrere Millionen Euro in die Transformation zur Wärmepumpe investiert und mittlerweile 1500 Stück davon verbaut hat. Beliefern lässt sich Thermondo von einem asiatischen Hersteller: Seit fast einem Jahr arbeitet das Start-up exklusiv mit dem südkoreanischen Technikkonzern LG zusammen.

Auf diesen sei die Wahl in einem internen Prüfverfahren aus 41 Herstellern gefallen, bei dem auch deutsche dabei gewesen seien, heißt es. Aber nur die Asiaten hätten zum Zeitpunkt des Auswahlverfahrens schon hohe Stückzahlen liefern können. „Wir haben damals einen Partner gesucht, der rund 10.000 Wärmepumpen liefern konnte“, sagt Richard Lucht von Thermondo gegenüber Capital. „Das war damals nur mit einem asiatischen Hersteller möglich.“ Thermondo hofft, damit zumindest im Bezug auf die Wärmepumpe selbst Liefersicherheit zu haben – bei zusätzlichen Komponenten sei man aber noch von globalen Lieferschwierigkeiten betroffen. Gleichzeitig bewegt sich Thermondo seinerseits auf den Solarmarkt zu: Seit Beginn des Jahres hat die Firma testweise Solaranlagen ins Programm genommen. 

Droht auch bei Wärmepumpen der Ausverkauf nach Asien?

Denn die Kombination aus Wärmepumpe und Solaranlage gilt als besonders erfolgversprechend. Verglichen mit einem Durchschnittshaushalt, der seinen Strom aus dem Netz bezieht und eine Gasheizung nutzt, könnte man so 62 Prozent der Energiekosten einsparen, zeigt eine Studie von Solar Power Europe. In Ländern wie Spanien und Italien liege dieser Wert sogar noch höher. Das vom ehemaligen Tesla-Deutschland-Chef Philipp Schröder gegründete Start-up 1Komma5 Grad bietet die Kombination aus Wärmepumpe, Solaranlage und Wallbox seit 2021 an. Laut „Handelsblatt“ werden hier Wärmepumpen des deutschen Hersteller Stiebel Eltron verbaut. Mit der aktuellen Finanzierungsrunde könnte 1Komma5 Grad zum Wachstumsvorbild Enpal aufschließen, das die Kombination nun ebenfalls zum Geschäftsmodell erklärt hat. „Es ist noch nicht bei allen angekommen, dass die Verbindung von Solar und Wärmepumpe wichtig ist für die Preisstabilität“, sagt Benjamin Merle von Enpal.

Auch das Solar-Start-up Zolar, das bislang Photovoltaikanlagen, Speicher oder Wallboxen im Komplettpaket anbietet, prüft aktuell, inwiefern es Wärmepumpen in sein Angebot integrieren kann – entweder sollen diese selbst oder in Zusammenarbeit mit einem Partnerunternehmen verbaut werden. Momentan sei der Wärmepumpenlaunch für 2024 geplant, heißt es. Das Wachstum in beiden Märkten, Solar und Wärmepumpen, sei groß, so Sarah Müller von Zolar im Gespräch mit Capital. Solar sei ein Treiber für den Wärmepumpenmarkt und umgekehrt.

Lieferschwierigkeiten und Abhängigkeiten vom EU-Ausland zu reduzieren, sei ein wichtiger Baustein, um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, so Müller. Um asiatische Anbieter komme man aber wohl schlicht nicht herum. Immerhin ist China mit einem weltweiten Marktanteil von 40 Prozent einer der wichtigsten Hersteller von Wärmepumpen. Notwendig ist aus Müllers Sicht ein funktionierender internationaler Markt. „Das Produktionsvolumen heimischer Hersteller reicht nicht“, so Müller gegenüber Capital. „Wir brauchen eine tiefere Wertschöpfungskette in Europa, aber genauso langfristige Handelsabkommen mit anderen Ländern.“ 

Bosch will 1 Mrd. Euro investieren

Für einen Schritt weg von der Herstellerabhängigkeit vom EU-Ausland sorgte jüngst die Entscheidung des Rüstungskonzerns Rheinmetall, ins Wärmepumpengeschäft einzusteigen. Der Düsseldorfer Konzern will künftig ein wichtiges Element für die Wärmepumpe herstellen, bei dem bisher eine besonders große Abhängigkeit von Asien besteht: den Verdichter, der in der Wärmepumpe die Wärme erzeugt und eines der teuersten und wichtigsten Elemente darin ist. Schon im Dezember 2022 hatte Rheinmetall einen Auftrag zur Herstellung von Kältemittelverdichtern in Höhe von 770 Mio. Euro erhalten. Dass diese für Wärmepumpen gedacht sind, wurde erst jetzt durch das „Handelsblatt“ bekannt.

Ähnlich große Investitionen in die Herstellung hat auch ein anderer deutscher Großkonzern angekündigt. Bosch teilte Ende April mit, bis 2030 mehr als 1 Mrd. Euro ins Wärmepumpengeschäft investieren zu wollen. Ein Viertel der Summe soll in den Bau eines neuen Werks in Polen nahe der deutschen Grenze fließen, wo rund 500 neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Der Baubeginn ist für 2024 vorgesehen, die Produktion soll zum Jahreswechsel 2025/26 starten.

Auch der Standort im mittelhessischen Eibelshausen soll gestärkt werden. „Wir rechnen in der Europäischen Union in den kommenden Jahren mit einem überproportionalen Wachstum und haben uns das Ziel gesetzt, deutlich stärker als der Markt zu wachsen“, sagte Jan Brockmann, Chef der Bosch Home Comfort Group. Dieser Teil des Unternehmens, zu dem die Wärmepumpen gehören, verzeichnete 2022 eine Umsatzsteigerung von 54 Prozent.

Auch wenn einzelne groß investieren, hält die Internationale Energieagentur die Investitionen der Wärmepumpenindustrie in neue Anlagen insgesamt nicht für ausreichend, um die globale Nachfrage zu decken. Und das Ziel der Bundesregierung? Ambitioniert, aber trotzdem erreichbar – so lautet die Einschätzung der meisten Experten gegenüber Capital. Der Markt jedenfalls ist in Bewegung gekommen.

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