Anzeige
Anzeige

Brexit-Deal Was man zu Boris Johnsons Brexit-Deal jetzt wissen muss

Der britische Premierminister Boris Johnson
Der britische Premierminister Boris Johnson
© Fresh on the Net <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/"> / CC BY 2.0</a, <a href="https://www.flickr.com/photos/feelingmyage/34765173320/"Link</a> / Flickr
Boris Johnson hat ihn, seinen Deal für den Brexit. Der Vertragstext ist noch frisch, aber einige Schlüsse kann man bereits jetzt daraus ziehen

Der Premierminister muss das Ergebnis noch durch das Unterhaus bringen, und das ist keineswegs ausgemacht. Die nordirische Partei der Demokratischen Unionisten (DUP) blieb zunächst bei ihren Zweifeln, die sie am Vorabend angemeldet hatte. Wenn Johnson versucht, die DUP auflaufen zu lassen, geht er ein großes Risiko ein. Denn sie ist bekannt für ihre Unnachgiebigkeit. Zudem geht die Ablehnung über die zehn Stimmen der DUP hinaus, da deren Einwände auch einige Tory-Hardliner dazu bringen könnten, gegen das Abkommen zu stimmen.

Innerhalb der Konservativen Partei besteht jedoch der Wunsch einer breiten Zustimmung zu einem Deal. Johnson wird also darauf hoffen, dass jeglicher Aufstand nicht aus dem Ruder läuft. Er wird sich dabei auf die gemäßigten Tories verlassen müssen, die er aus der Partei ausgeschlossen hat, und auf bis zu 20 Labour-Abgeordnete, die bereit sind, einen Deal zu unterstützen. Das ist ein ziemlich großes Risiko. Da Labour diesen Deal offiziell ablehnt, könnte das die Zahl ihrer Abweichler durchaus schmälern. Es wäre also realistischer, von einer einstelligen Zahl auszugehen.

Brexit-Gegner im Parlament werden weiterhin versuchen, den Deal mit einem Referendum zu verknüpfen. Auch einige der ausgeschlossenen Tories könnten sich dem anschließen. Abgestimmt werden kann darüber in der Sondersitzung des Unterhauses am Samstag oder später, wenn der Deal die Ausschüsse passiert. Einige Befürworter einer zweiten Volksabstimmung befürchten indes, dass die Tory-Hardliner dann den gesamten Plan platzen lassen, sollte das die Bedingung sein.

Wird das neue Abkommen angenommen, kann Boris Johnson dies als wichtigen politischen Erfolg feiern. Hatte er doch stets behauptet, dass die EU sich bewegen würde, sobald die Dinge den Bach hinunter gingen. Die Brüsseler Haltung war, die EU werde das Rücktrittsabkommen nicht wieder aufschnüren oder die Sonderregelungen für Irland neu erfinden. Johnson hat nun Veränderungen durchgesetzt. Ein auf ganz Großbritannien bezogener eventueller Verbleib in der Zollunion (Backstop), der bei den Tory-Abgeordneten so verhasst war, ist vom Tisch – ersetzt durch eine Klausel allein für Nordirland. Großbritannien, das heißt Großbritannien minus Nordirland, wird damit freie Hand haben, eigene Handelsabkommen abzuschließen.

Tatsächlich hat Johnson den landesweiten sogenannten Backstop, den seine Vorgängerin Theresa May dreimal in ihrem Brexit-Deal nicht durchs Unterhaus bekommen hat, weitgehend durch einen Nordirland-Backstop ausgetauscht. Diese Lösung hatte die EU ursprünglich vor zwei Jahren angeboten. Allerdings gibt es dazu einige Änderungen. Der Premierminister lässt Nordirland eine demokratische Hintertür im Rahmen ihrer autonomen Rechte offen: Mittels einer Abstimmung in ihrem Regionalparlament, können sie den Verbleib in der Zollunion widerrufen. Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass von dieser Möglichkeit jemals Gebrauch gemacht wird. Die Lösung ist also nicht als Provisorium gedacht, sondern als ein fester Status für Nordirland. Der Preis dafür ist eine Zollgrenze in der Irischen See, die viele Unionisten unbedingt vermeiden wollten.

Auch wenn den Unionisten das Abkommen missfällt, so stellt es doch für die Menschen in Nordirland ein ziemlich vorteilhaftes Ergebnis dar. Denn tatsächlich werden sie in Genuss kommen, sowohl in der Zollunion mit der EU zu bleiben, als auch Teil des Vereinigten Königreichs zu sein, ohne eine harte Grenze zur angrenzenden Republik Irland errichten zu müssen.

In der politischen Erklärung, die mit dem Brexit-Vertrag einhergeht, hat Johnson auch eine Formulierung akzeptiert, bei der es um „faire Spielregeln“ bei der Einhaltung von Vorschriften und Regulierungen des europäischen Wettbewerbsrechts geht. Den Brexit-Hardlinern, die sich Europa bereits mit Niedrigsteuern und leichterer Bürokratie unterbieten sahen, wird das nicht gefallen. Da die politische Erklärung aber rechtlich unverbindlich ist, könnten Hardliner noch ausreichend Spielraum hinein interpretieren, um das Zugeständnis des Premiers zu schlucken. Denn es könnte auch helfen, einige der Labour-Rebellen zu beruhigen.

Wahrscheinlich wird Johnson die EU dazu drängen, eine weitere Verlängerung der Austrittsfrist über den 31. Oktober hinaus auszuschließen. Damit will er die Abgeordneten zwingen, seinen Deal zu akzeptieren. Das wäre für die EU allerdings ein beachtlicher Schritt.

Für den Premier schlägt nun die große Stunde, wenn das Parlament am Samstag zu der erwarteten Sondersitzung zusammenkommt, um über das neue Austrittsabkommen abzustimmen. Gelingt es ihm, seinen Deal durchzusetzen, wäre dies ein bedeutender Sieg – und es wäre eine Genugtuung für jene gemäßigten Tory-Politiker, die ihm mit der Begründung die Stange gehalten haben, dass er einen Ausweg aus der Sackgasse finden würde. Es mag noch eine schwierige Strecke werden, die Frist bis zum 31. Oktober zu halten – denn es gibt noch einiges an gesetzlicher Arbeit zu erledigen. Aber wenn der Deal eine Mehrheit findet, ist die Wahrscheinlichkeit eines Brexits zu dieser Frist groß.

Ein weicher Austritt wird es für Großbritannien dennoch nicht werden. Denn weite Teile seines künftigen Verhältnisses zur EU müssen noch ausverhandelt werden. Die Uhr wird wieder zu ticken beginnen bis zu einer neuen Frist, um ein Handelsabkommen zu sichern. Johnson wird behaupten, sein Versprechen erfüllt zu haben, den Brexit auf jeden Fall durchzusetzen. Tatsächlich nimmt der Austritt aus der EU dann erst seinen Anfang.

Copyright:The Financial Times Limited 2019

Mehr zum Thema

Neueste Artikel