Capital: Wie müssen Marken im Jahr 2018 beschaffen sein, um Erfolg zu haben? Welche Attribute – wie etwa authentisch oder emotional – sind derzeit besonders wichtig?

SIMON THUN: Starke Marken zeigen Ihre Stärke gegenüber ihren Wettbewerbern entlang von zehn Faktoren. Drei Wahrnehmungsfaktoren: Relevanz, Differenzierung und Authentizität. Drei Erfahrungsfaktoren: Präsenz, Engagement und Konsistenz. Sowie vier internen Führungsfaktoren: Klarheit, Commitment, Governance und Responsiveness. Das Zusammenspiel aller zehn Faktoren ist entscheidend. Entsprechend analysieren wir diese als eine von drei Komponenten der Markenwertberechnung.
Inwiefern haben sich diese Faktoren denn über die letzten zehn Jahre verändert?
Die Markenstärke-Faktoren an sich haben sich in den letzten Jahren nicht verändert, wohl aber der Fokus, den Unternehmen mittlerweile auf einzelne Aspekte legen: Während früher vor allem die Wahrnehmungsfaktoren beachtet wurden, liegt in den letzten Jahren ein stärkerer Fokus auch auf der Erfahrung, der „Experience“ – es geht nicht nur darum die Markenwahrnehmung beispielsweise durch Kommunikation zu beeinflussen, sondern die Marke an allen relevanten Kundenkontaktpunkten konsistent und zielorientiert erlebbar zu machen. Und zunehmend setzt sich auch das Verständnis durch, dass der Erfolg der Markenführung wesentlich davon beeinflusst wird, inwiefern in dem Unternehmen Klarheit bezüglich der Rolle und Definition der Marke besteht, ein Commitment des Managements hierzu gespürt wird und entsprechende Steuerungsmechanismen existieren, um das Markenerlebnis gezielt zu steuern, Stichwort „Governance“, sowie auf Veränderungen im Markt zeitnah und adäquat zu reagieren, Stichwort „Responsiveness“.
Nike hat sich in den USA durchaus auch politisch positioniert – und war damit kein Einzelfall. Ist Haltung zeigen ein neuer Trend bei Marken?
Das Thema „Purpose“ und damit auch die Verbindung einer Marke zu Themen gesellschaftlicher Relevanz ist tatsächlich seit Jahren unter anderem in den USA eine wesentliche neue Stoßrichtung für Marken. Zahlreiche Unternehmen verfolgen mittlerweile den Ansatz des „purpose-driven branding“ – Nike ist hier nur eines der jüngsten und vor allem politischen Beispiele. Mittlerweile fordern ja auch zunehmend die Lenker von Unternehmen, die aus Deutschland kommen, mehr Haltung von Geschäftsführungen und Vorständen: Siemens, Deutsche Telekom etc. Inwiefern dies mit der Person des Unternehmenslenkers und/oder der Unternehmensmarke verbunden wird, ist Teil des Gestaltungsrahmens jedes einzelnen Unternehmens.
Nike ist auch bei Millennials besonders gut an. Welche Marken und deren Eigenschaften sind noch wichtig für die Jüngeren?
Im Rahmen des Markenwert-Rankings werden keine zielgruppen- oder marktsegmentspezifischen Markenstärken untersucht. Neben Nike ist aber auch der Aufstieg von Marken wie Spotify und Netflix zu beobachten, die gerade auch bei jüngeren Zielgruppen als das „new normal“ der jeweiligen Branche angesehen werden.
Wie schafft man es, in einer konsequenten Markenführung so etwas dann auch konsistent durch alle Dimensionen eines Produktes hindurch durchzuziehen?
In der Regel formuliert man auf Basis einer klaren Definition des Markenzwecks, dem „Purpose“, der Positionierung im Marktumfeld und der Zielgruppen ein Kernversprechen der Marke. Naturgemäß ist solch ein „Versprechen“ sehr kommunikationsnah, das heißt im einfachsten Fall überträgt man es in die Kommunikation. Um jedoch sicherzustellen, dass die Marke an sämtlichen Kontaktpunkten im Sinne der Positionierung erlebt wird, ist es hilfreich, dieses angestrebte Erlebnis festzuhalten. Hierzu lassen sich sogenannte „experience principles“ definieren, die dabei helfen, dass jede Ausgestaltung von Maßnahmen im Hinblick auf ihre Einhaltung dieser Prinzipien beziehungsweise ihren Beitrag zu diesen Prinzipien beurteilt werden kann.
Tesla hat in wenigen Jahren eine starke Marke von Null erschaffen. Ist so ein Aufbau einer ganz neuen starken Marke auch überhaupt noch möglich oder war Tesla ein Sonderfall?
Auch heute ist es möglich global starke Marken neu zu erschaffen. Tesla ist da nur ein Beispiel – weitere im Ranking sind unter anderem Spotify und Netflix, die vergleichbar konsequent Kundenbedürfnisse mit relevanten und differenzierenden Leistungen adressieren und dann zügig und mutig skalieren.
Das sind die wertvollsten Marken der Welt
Wertvollste Marken

#10 Die Burgerkette McDonald’s hat in diesem Jahr die Rückkehr unter die Top 10 geschafft. In der Auswertung des vergangenen Jahres lag der Fastfood-Konzern nur auf Rang 12. McDonald’s hat im vergangenen seinen Markenwert um fünf Prozent auf 43,4 Mrd. Dollar gesteigert.

#9 Die lange Erfolgsgeschichte von Facebook hat angesichts der diversen Datenschutzskandale einen Dämpfer bekommen, der sich auch auf die Marke auswirkt. Gegenüber 2017 sinkt der Markenwert des sozialen Netzwerks um sechs Prozent auf rund 45,2 Mrd. Dollar. Zuvor galt Facebook fünf Jahre in Folge als „Top Growing Brand“.

#8 Die deutsche Automarke aus dem Hause Daimler rückt im Vergleich zum Vorjahr einen Platz vor und tauscht den Platz mit Facebook. Der Markenwert von Mercedes-Benz legt um zwei Prozent auf 48,6 Mrd. Dollar, womit der Stuttgarter Autobauer die wertvollste deutsche Marke bleibt.

#7 Den Titel der weltweit wertvollsten Automarke geht aber nach Japan: Toyota steigerte seinen Markenwert um sechs Prozent auf 53,4 Mrd. Dollar. Mag der Rivale Volkswagen auch beim Umsatz an den Japanern vorbeigezogen sein, beim Markenwert stellt Toyota den deutschen Autokonzern (12,2 Mrd. Dollar) klar in den Schatten.

#6 Der südkoreanische Technologieriese verteidigt den sechsten Platz aus dem Vorjahr. Beim Markenwert legt Samsung um sechs Prozent auf 59,9 Mrd. Dollar zu. Samsung ist damit auch die wertvollste nichtamerikanische Marke.

#5 Bis 2012 war Coca-Cola die wertvollste Marke der Welt, seitdem verliert sie an Boden. Gegenüber 2017 schrumpfte der Markenwert der braunen Brause um fünf Prozent auf 66,3 Mrd. Dollar. Und Coca-Cola rutschte von Platz vier auf fünf ab. Immerhin: Erzrivale Pepsi rangiert mit einem Markenwert von 20,8 Mrd. Dollar nur auf Rang 22.

#4 Auch der Softwareriese verliert gegenüber dem Vorjahr einen Platz, obwohl der Wert der Marke um 16 Prozent auf 92,7 Mrd. Dollar zugenommen hat. Das zeigt: Die Marke Microsoft gewinnt nach Jahren mit schwächeren Wachstumsraten wieder an Strahlkraft.

#3 Der Onlinehändler steigert seinen Markenwert gegenüber 2017 um 56 Prozent auf 100,8 Mrd. Dollar. Amazon ist damit die Marke mit der größten Wertsteigerung. Der Konzern habe die Gesetze des Handels neudefiniert, heißt es zur Begründung bei Interbrand. Amazon sei „führend in Bezug auf Benutzer- und Verbrauchererlebnis sowie Innovation und Reaktionsfähigkeit“.

#2 Die Suchmaschine behauptet den zweiten Platz aus dem Vorjahr. Zugleich wächst der Markenwert von Google um zehn Prozent auf 155,5 Mrd. Dollar. Für die Suche im Internet ist Google nach wie vor der Goldstandard und anders als Facebook blieb das Unternehmen von spektakulären Datenskandalen verschont.

#1 Schon wieder ein Rekord: Apple ist die erste Marke im Interbrand-Ranking, die die Grenze von 200 Mrd. Dollar durchbricht. Auf 214,5 Mrd. Dollar wird der Markenwert des iPhone-Herstellers taxiert, das sind 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch am Aktienmarkt wird Apple hoch gehandelt: Beim Börsenwert knackte Apple erstmals die Marke von 100 Mrd. Dollar.