Interview Was eine Marke stark macht

Nike wirbt in den USA mit dem Footballspieler Colin Kaepernick, der sich beim Abspielen der Nationalhymne hingekniet hat, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren
Nike wirbt in den USA mit dem Footballspieler Colin Kaepernick, der sich beim Abspielen der Nationalhymne hingekniet hat, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren
© dpa
Eine Marke muss heute nicht nur wahrgenommen, sondern auch erlebbar sein. Interbrand-CEO Simon Thun über neue Trends in der Markenführung, die Verbindung mit gesellschaftlichen Debatten und den Erfolg junger Marken wie Spotify oder Netflix

Capital: Wie müssen Marken im Jahr 2018 beschaffen sein, um Erfolg zu haben? Welche Attribute – wie etwa authentisch oder emotional – sind derzeit besonders wichtig?

Simon Thun ist CEO der Markenberatung Interbrand für Mittel- und Osteuropa
Simon Thun ist CEO der Markenberatung Interbrand für Mittel- und Osteuropa
© Interbrand

SIMON THUN: Starke Marken zeigen Ihre Stärke gegenüber ihren Wettbewerbern entlang von zehn Faktoren. Drei Wahrnehmungsfaktoren: Relevanz, Differenzierung und Authentizität. Drei Erfahrungsfaktoren: Präsenz, Engagement und Konsistenz. Sowie vier internen Führungsfaktoren: Klarheit, Commitment, Governance und Responsiveness. Das Zusammenspiel aller zehn Faktoren ist entscheidend. Entsprechend analysieren wir diese als eine von drei Komponenten der Markenwertberechnung.

Inwiefern haben sich diese Faktoren denn über die letzten zehn Jahre verändert?

Die Markenstärke-Faktoren an sich haben sich in den letzten Jahren nicht verändert, wohl aber der Fokus, den Unternehmen mittlerweile auf einzelne Aspekte legen: Während früher vor allem die Wahrnehmungsfaktoren beachtet wurden, liegt in den letzten Jahren ein stärkerer Fokus auch auf der Erfahrung, der „Experience“ – es geht nicht nur darum die Markenwahrnehmung beispielsweise durch Kommunikation zu beeinflussen, sondern die Marke an allen relevanten Kundenkontaktpunkten konsistent und zielorientiert erlebbar zu machen. Und zunehmend setzt sich auch das Verständnis durch, dass der Erfolg der Markenführung wesentlich davon beeinflusst wird, inwiefern in dem Unternehmen Klarheit bezüglich der Rolle und Definition der Marke besteht, ein Commitment des Managements hierzu gespürt wird und entsprechende Steuerungsmechanismen existieren, um das Markenerlebnis gezielt zu steuern, Stichwort „Governance“, sowie auf Veränderungen im Markt zeitnah und adäquat zu reagieren, Stichwort „Responsiveness“.

Nike hat sich in den USA durchaus auch politisch positioniert – und war damit kein Einzelfall. Ist Haltung zeigen ein neuer Trend bei Marken?

Das Thema „Purpose“ und damit auch die Verbindung einer Marke zu Themen gesellschaftlicher Relevanz ist tatsächlich seit Jahren unter anderem in den USA eine wesentliche neue Stoßrichtung für Marken. Zahlreiche Unternehmen verfolgen mittlerweile den Ansatz des „purpose-driven branding“ – Nike ist hier nur eines der jüngsten und vor allem politischen Beispiele. Mittlerweile fordern ja auch zunehmend die Lenker von Unternehmen, die aus Deutschland kommen, mehr Haltung von Geschäftsführungen und Vorständen: Siemens, Deutsche Telekom etc. Inwiefern dies mit der Person des Unternehmenslenkers und/oder der Unternehmensmarke verbunden wird, ist Teil des Gestaltungsrahmens jedes einzelnen Unternehmens.

Nike ist auch bei Millennials besonders gut an. Welche Marken und deren Eigenschaften sind noch wichtig für die Jüngeren?

Im Rahmen des Markenwert-Rankings werden keine zielgruppen- oder marktsegmentspezifischen Markenstärken untersucht. Neben Nike ist aber auch der Aufstieg von Marken wie Spotify und Netflix zu beobachten, die gerade auch bei jüngeren Zielgruppen als das „new normal“ der jeweiligen Branche angesehen werden.

Wie schafft man es, in einer konsequenten Markenführung so etwas dann auch konsistent durch alle Dimensionen eines Produktes hindurch durchzuziehen?

In der Regel formuliert man auf Basis einer klaren Definition des Markenzwecks, dem „Purpose“, der Positionierung im Marktumfeld und der Zielgruppen ein Kernversprechen der Marke. Naturgemäß ist solch ein „Versprechen“ sehr kommunikationsnah, das heißt im einfachsten Fall überträgt man es in die Kommunikation. Um jedoch sicherzustellen, dass die Marke an sämtlichen Kontaktpunkten im Sinne der Positionierung erlebt wird, ist es hilfreich, dieses angestrebte Erlebnis festzuhalten. Hierzu lassen sich sogenannte „experience principles“ definieren, die dabei helfen, dass jede Ausgestaltung von Maßnahmen im Hinblick auf ihre Einhaltung dieser Prinzipien beziehungsweise ihren Beitrag zu diesen Prinzipien beurteilt werden kann.

Tesla hat in wenigen Jahren eine starke Marke von Null erschaffen. Ist so ein Aufbau einer ganz neuen starken Marke auch überhaupt noch möglich oder war Tesla ein Sonderfall?

Auch heute ist es möglich global starke Marken neu zu erschaffen. Tesla ist da nur ein Beispiel – weitere im Ranking sind unter anderem Spotify und Netflix, die vergleichbar konsequent Kundenbedürfnisse mit relevanten und differenzierenden Leistungen adressieren und dann zügig und mutig skalieren.

Das sind die wertvollsten Marken der Welt

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