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Olympia Was bringen die Olympischen Spiele Paris finanziell?

Die Olympischen Ringe schmücken seit Anfang Juni den Eiffelturm in Paris
Die Olympischen Ringe schmücken seit Anfang Juni den Eiffelturm in Paris
© NurPhoto | Andrea Savorani Neri / Picture Alliance
Eine Stadt im Ausnahmezustand zieht weniger Touristen an als gewohnt, Olympia verpatzt dem Gastgewerbe das Sommergeschäft – und Mondpreise schrecken ab

Eine Woche vor Beginn der Olympischen Sommerspiele ist Frankreichs Hauptstadt bereit. Schon im Juni wurden die 30 Tonnen schweren Olympischen Ringe auf den Eiffelturm gehievt. Seither ist ein Großaufgebot von Polizei und Militär zum Schutz des Wettbewerbs angerückt. Auf den Champs Elysées öffnet der Megastore seine Türen, damit Fans und Besucher Maskottchen, Shirts und Kappen mit nach Hause nehmen. Auf 15 Millionen Olympia-Besucher stellt Paris sich vom 26. Juli bis 11. August ein – mehr als doppelt so viele wie es 2008 nach Peking zog.

Doch was wirtschaftlich von dem Mega-Event hängen bleibt, ist längst nicht ausgemacht. Für den Tourismus – vor allem in Paris selbst – erweist es sich als zweischneidiges Schwert. Denn abgesehen vom Andrang der Austragungswochen vermiesen die Spiele die Saison. Egal ob Bateaux-Mouches, Bistros oder Brasserien – die Zahl der Paris-Besucher im Sommer der Spiele 2024 zieht die Laune der Tourismusbranche in den Keller. Was die Wirtschaftlichkeit des Sportereignisses betrifft, so könnte es am Ende ein Nullsummenspiel werden.

Mit über 40 Millionen Touristen im Jahr ist Paris die meistbesuchte Metropole des Planeten. Zu normalen Zeiten lassen sich täglich etwa 10.000 Passagiere in den Monaten Juni und Juli über die Seine schaukeln, meist aus Übersee. In diesen Wochen nähmen die Ausflugsdampfer aber höchstens 6500 Touristen am Tag auf, sagt ein Bootsbetreiber. Vor allem Amerikaner, Inder, Brasilianer oder Mexikaner blieben weg. Hotelbesitzer, Ladenbetreiber, Gastronomen und Freizeitveranstalter – sie alle sind enttäuscht. Der Umsatz für Übernachtungen lag im Juni um ein Viertel niedriger als im Jahr davor, berichtet die Beraterfirma MKG Consulting.

Die Vorbereitungen zu den Wettkämpfen verursachen in Frankreichs Hauptstadt auch ein beschwerliches Verkehrschaos. Der Trend war bekannt von London 2012, obwohl die Spielstätten dort weit verstreut lagen. In Paris konzentriert sich alles auf die Innenstadt. Die Infrastruktur stand zwar schon zu 95 Prozent, neu gebaut wurde nur das Olympische Dorf im Bezirk Saint-Denis und der Olympische Pool. Doch die Arbeiten an den Austragungsorten machen das Zentrum zur gigantischen Baustelle. 

Polizisten auf dem Place de la Concorde. Die Champs-Elysee mit dem Arc de Triomphe im Hintergrund ist teilweise gesperrt
Polizisten auf dem Place de la Concorde. Die Champs-Elysee mit dem Arc de Triomphe im Hintergrund ist teilweise gesperrt
© dpa / Robert Michael

Nicht nur Verkehrsadern sind blockiert, außer Betrieb sind auch Knotenpunkte im Metro-Netz wie der Place de la Concorde, wo Gastronomen sich fragen, ob sie besser schließen. Ein Manager des Hotel Lutetia berichtet, er verdiene seit Ende Mai vier Mal weniger als sonst; dafür fünf Mal mehr während der Spiele. Aber unter dem Strich werde der Sommer nicht außergewöhnlich – „Wir sind weit entfernt von dem, was wir uns anfangs vorgestellt haben.“

Air France und KLM rechnen mit weniger Flügen

Ob Individual-, Gruppen- oder Geschäftsreisende – viele meiden Paris, weil es ungleich schwerer ist, sich im Ausnahmezustand von A nach B zu bewegen. Tatsächlich verbucht die Pariser Tourismuszentrale zehn Prozent weniger Ankünfte auf den Flughäfen im Juni und 15 Prozent weniger in den ersten drei Juli-Wochen. Sobald das Olympische Feuer brenne, erwarte man einen Anstieg um 25 Prozent, sagt Corinne Menegau vom Pariser Touristenbüro dem „Figaro“. „Wir beobachten eine Verlagerung der Besucherströme auf die zweite Sommerhälfte.“

Deutlich pessimistischer sehen Air France/KLM das gesamte Sommergeschäft: Paris falle als Reiseziel durch, teilten sie Anfang Juli mit. Die Olympischen Spiele verpatzten der Airline samt Billigflieger Transavia unter dem Strich die Saison. Mit 160 bis 180 Mio. Euro Umsatzeinbuße rechnet die Fluggesellschaft von Juni bis August. 

Auf dem Place de la Concorde werden Zuschauertribünen für die Wettbewerbe der Olympischen Spiele aufgebaut
Auf dem Place de la Concorde werden Zuschauertribünen für die Wettbewerbe der Olympischen Spiele aufgebaut
© dpa | Frank Molter / Picture Alliance

Wenn nun weniger Amerikaner vor und nach den Spielen eine Wein- oder Schlössertour zu Rhone und Loire unternehmen, so könnte die Branche mehr als sonst von heimischen Touristen profitieren. Erfahrungsgemäß verfolgen mehr inländische Fans die Wettbewerbe, weiß der Sporttourismusexperte Felipe Bertazzo Tobar. „Sie haben zwei Drittel der Eintrittskarten gekauft. Zugleich setzt sich umgekehrt ein Strom von Parisern Richtung Nizza, Lyon, der Französischen Riviera oder Monaco in Bewegung, die vor dem Großereignis flüchten.“

Abgeschreckt haben sicher auch Berichte über astronomische Preise für Unterkünfte in Paris und Umgebung. Darauf deutet die Auslastung von Hotels und Privatquartieren in den acht Wochen vor den Spielen hin, die zwischen zehn und 20 Prozent niedriger liege als im Vorjahr, schätzt das Tourismusbüro: eher bei etwa 60 Prozent statt der üblichen 80 Prozent. In freudiger Erwartung auf den Besucheransturm waren Preise schier explodiert.

Das olympische Maskottchen „Phryges“ der Sommerspiele 2024 in Paris
Das olympische Maskottchen „Phryges“ der Sommerspiele 2024 in Paris
© dpa | Jens Kalaene / Picture Alliance

Auf dem Höhepunkt verlangten Privatvermieter über Airbnb oder Booking häufig das Zweieinhalbfache. Ein Apartment in Eiffelturm-Nähe für 3000 Euro die Nacht war keine Seltenheit. Dennoch lagen Vermittlungen Anfang Juli bei rekordverdächtigen 400 Prozent über Vorjahr. Vier-Sterne-Hotels verlangten für die Wochen des Wettbewerbs bis zu 1000 Euro pro Nacht. Im Schnitt wurden für eine Hotelnacht 699 Euro aufgerufen. Inzwischen habe sich die Übernachtung in der Region Paris auf durchschnittlich 342 Euro eingependelt, 70 Prozent mehr als im Juli und August des Vorjahres. 

Kosten und Nutzen halten sich die Waage

Bei Berechnungen des wirtschaftlichen Nutzens der Spiele für die Stadt fallen die Früchte aus dem Tourismus mit etwa 30 Prozent ins Gewicht. Während das Budget für die Austragung auf etwa 9 Mrd. Euro geschätzt wird, taxierte eine Studie den Mehrwert für Paris samt der umliegenden Region Ile-de France auf mindestens 6,7 Mrd. Euro und höchstens 11,1 Mrd. Euro. Neben den Dienstleistungen für Besucher entfallen davon 42 Prozent auf den Organisationsaufwand und 28 Prozent auf Baumaßnahmen. Das Großereignis schaffe zudem 180.000 Jobs.

Laut der Studie, die vom Zentrum für Sportrecht und -ökonomie (CDES) im Auftrag des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und des Organisationskomitees der Spiele erstellt wurde, verteilt sich die errechnete Wertschöpfung jedoch auf 17 Jahre – von 2018 bis 2034 – und fällt damit eher bescheiden aus. Die Pariser Presse jedenfalls mockierte sich über die „Farce“ eines wirtschaftlichen Erfolgs, der sich in Luft auflöse. Bestenfalls könnten sich also Kosten und Nutzen die Waage halten.

In der Vergangenheit haben alle Olympische Spiele den Kostenrahmen gesprengt. Die Organisatoren von Paris sagten zu, die Stadtkasse nur begrenzt zu belasten und ein Drittel der Kosten von Sponsoren einzuholen. Der Rest soll über Eintrittskarten, Hospitality und das IOC gedeckt werden. 

Glänzende Ökobilanz 

Mit einer Bilanz will Paris aber auf jeden Fall glänzen – mit der Ökobilanz. Kurze Lieferketten sollen den CO2-Fußabdruck so klein wie möglich halten – und Sponsoren entsprechende Vorzüge mitbringen. Firmen wie ArcelorMittal ergriffen die Chance, ihre ökologische Seite sichtbarer zu machen. So steuert der Stahlkonzern neben dem Emblem am Eiffelturm rund 2000 Fackeln aus recyceltem Material aus französischer Produktion bei. Der heimische Sportkonzern Decathlon stattet die Armee freiwilliger Helfer mit Outfits aus. Die Supermarktkette Carrefour übernimmt die Versorgung der Athleten. 

Das Design der Medaillen und Bekleidung des französischen Kaders gehen auf Kosten des Luxusgüterkonzerns LVMH – mit vermeintlich 150 Mio. Euro. Die Logistikgruppe CMA CGM aus Marseille organisiert Transporte: von Betten für die 10.500 Olympioniken über Pferde aus aller Herren Länder bis hin zu Sitzschalen für die Tribünen – wie entlang der Seine-Ufer, von wo am 26. Juli über 300.000 Zuschauer die Eröffnungszeremonie verfolgen können.

So feiern die Organisatoren von Paris 2024 als sicheren ökologischen Wert, dass im Fußabdruck ganze 88 Prozent der Lieferanten französische Firmen sind, davon 79 Prozent Mittelständler und wiederum zu zwei Dritteln aus der unmittelbaren Umgebung der Hauptstadt. Und die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo hielt neun Tage vor Startschuss auch ihr Versprechen, in der Seine zu baden – zum Beweis, dass der Fluss sauber genug ist für die olympischen Schwimmer. 

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