Ein neuer Chef, der nicht aus dem Konzern kommt. Ein kritischer Investor, der in den Aufsichtsrat einzieht. Und ein neuer Mann an der Spitze der Sparte für rezeptfreie Medikamente. Personalpolitisch geschieht einiges bei Bayer. Zum ersten Mal seit langer Zeit weht ein frischer Wind durch die gläserne Konzernzentrale am Rande des Chemieparks in Leverkusen.
Die Veränderungen fallen besonders ins Auge, wenn man Bayer mit der zweiten Säule des Chemie- und Pharmasektors in der Bundesrepublik vergleicht: mit BASF. Dort schmort das Management weiter im alten eigenen Saft. Den Vorsitz im Aufsichtsrat führt der auf ganzer Linie gescheiterte ehemalige Vorstandschef Kurt Bock. Als CEO tritt Ende April ein getreuer Zögling des ebenfalls glücklosen Amtsinhabers Martin Brudermüller an. Und die wichtigste kritische Stimme musste den Vorstand schon vor Monaten verlassen.
BASF mit mehr kleineren Fehlern
Man kann sich darüber streiten, welcher der beiden Traditionskonzerne mit den größeren Problemen zu kämpfen hat. Bei Bayer lastet der 60-Milliarden-Flopp des Monsanto-Kaufs wie ein Alb auf dem gesamten Unternehmen. Eine Lösung scheint nicht in Sicht, ja sie ist noch nicht einmal theoretisch denkbar, solange die Schadenersatzprozesse in den USA weiter gehen.
BASF kämpft nicht mit einer großen Fehlentscheidung, sondern mit einer Kette von vielen kleinen falschen Weichenstellungen der Vergangenheit – vor allem rund um den verfehlten Versuch, in die Energieerzeugung einzusteigen. Die Aktionäre von BASF mussten in den letzten fünf Jahren einen Kursverlust von einem Drittel hinnehmen, die von Bayer sogar ein Minus von fast zwei Dritteln.
Das besonders traumatische Kursdebakel in Leverkusen erklärt vielleicht, warum dort ein „Weiter so!“ keine Option mehr ist. Der seit fast einem Jahr regierende CEO Bill Anderson scheint entschlossen, die vielen Zöpfe der Vergangenheit abzuschneiden. Der wuchernden Konzernbürokratie hat der gebürtige Texaner den Krieg erklärt. Am morgigen Dienstag will Anderson nun seine neue Strategie vorstellen. Man darf gespannt sein, ob auch auf diesem Feld eine radikale Kurskorrektur erfolgt.
BASF rückt nicht von China-Strategie ab
Bei BASF ist sie nicht zu erwarten. Der neue Vorstandschef Markus Kamieth hält auf jeden Fall an der halsstarrigen China-Strategie seines Vorgängers fest, die sich künftig noch zu einem ähnlichen Desaster auswachsen könnte wie Monsanto für Bayer. Über einen Mann von außen für den Chefposten war in Ludwigshafen niemals ernsthaft nachgedacht worden. Kamieth hat seine gesamte Karriere nach der Promotion bei BASF zugebracht. Sein Lebenslauf liest sich fast auf i-Tüpfelchen genauso wie der seines Förderers und Vorgängers Brudermüller, nur jeweils um ein paar Jahre zeitversetzt.
Bei einem überaus erfolgreichen Unternehmen könnte man verstehen, wenn sich immer wieder der gleiche Typus im Rennen um die Top-Jobs durchsetzt. Aber BASF ist schon lange kein erfolgreicher Konzern mehr. Die vergangenen zehn Jahre waren, was die Profitabilität betrifft, verlorene Jahre in Ludwigshafen. Ein Anstoß von außen wäre dringend notwendig. Denn es wäre ein kleines Wunder, wenn unter Kamieth ein Ruck durch die Organisation gehen würde.