Am Anfang stand eine Immobilie in Schanghai: zwei Vorgebäude an der Taikoo Hui Mall auf Chinas größter Shoppingmeile. Der Eigentümer hätte die Flächen in Top-Lage problemlos an westliche Luxusmarken wie Hermès oder Chanel vermieten können – wie in so vielen chinesischen Shoppingtempeln. Stattdessen meldete er sich mit einem Angebot bei dem Solinger Messerhersteller Zwilling. Der Betreiber der Mall habe „etwas Cooles“ gewollt, sagt Unternehmenschef Erich Schiffers. „Da stand uns auf einmal eine Fläche von mehr als 900 Quadratmetern zur Verfügung.“
Auch für Zwilling ist China längst der wichtigste Markt und Wachstumstreiber. Dagegen gleiche das Geschäft mit Küchenausrüstung im Westen einem „Häuserkampf“ und funktioniere nur als Premiummarke, sagt Schiffers. Gemeinsam mit Starköchin Cornelia Poletto, einer Zwilling-Markenbotschafterin, entwickelten Schiffers’ Leute für den neuen Schanghaier Flagship-Store einen ganz besonderen Clou: ein Restaurant für 100 Gäste mitsamt Kochschule, betrieben von Poletto.
Etwa 60 Tage im Jahr wird die Küchenchefin selbst im Restaurant The Twins sein und den Chinesen die westliche Küche beibringen – natürlich mit Messern von Zwilling und Töpfen aus dem Firmensortiment. Über das Kocherlebnis sollen die Hobbyköche mit den Zwilling-Produkten in Kontakt kommen – und die Ausstattung für die Küche zu Hause dann gleich im Shop kaufen.
Das Projekt in Schanghai sei für die Marke eine logische Weiterentwicklung, sagt Firmenchef Schiffers. Schon vor 30 Jahren hatte der Messerspezialist begonnen, um sein Stammprodukt herum weiteres Geschäft aufzubauen. Erst erweiterte Zwilling sein Sortiment um Scheren und Friseurbedarf, dann um Kochgeschirr und Besteck. Dafür übernahm die Firma auch andere Hersteller von Highendküchengeräten, darunter Ballarini, einen Fabrikanten von beschichteten Aluminiumpfannen aus Italien, und den französischen Eisengusstopfspezialisten Staub. Messer machen heute nur noch 40 Prozent des Umsatzes der Zwilling-Familie aus. Für das Wachstum sorgt in erster Linie das Kochgeschirr.
Im nächsten Schritt verkauft Schiffers nun nicht mehr nur Produkte, sondern Erlebnisse und Events – wie in der Gourmetschule in Schanghai. Mit dem „Culinary World“ genannten Konzept will Zwilling vom Trend zum Kochen profitieren – insbesondere bei kaufkräftigen Kochfans in den Metropolen weltweit, in denen die Marke bereits mit 350 Stores vertreten ist. 500 sollen es werden. „Ohne solche Erlebniswelten in der Offlinewelt wird man auch im Onlinevertrieb keinen Erfolg haben“, sagt der Firmenchef.
Auch das Schanghaier Modell mit Shop, Restaurant und Kochschule könnte Zwilling in anderen Metropolen übernehmen: in chinesischen Städten wie Peking, danach lokal angepasst in anderen asiatischen Großstädten. Nur in Deutschland, sagt Schiffers, sei so etwas schwerer vorstellbar.
Unternehmen
Die Geschichte von Zwilling reicht zurück ins Jahr 1731. Damals ließ der Messerschmied Peter Henckels den Zwilling als Handwerkszeichen in die Solinger Messermacherrolle eintragen. Seit 1970 ist die Firma Teil der Neusser Werhahn-Gruppe. 2017 machte der Geschäftsbereich mit 3300 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 700 Mio. Euro.